Spanien-Rundfahrt als Therapie: Rache auf dem Rad

Der slowenische Radprofi Primoz Roglic, gezeichnet bei der Tour de France, rehabilitiert sich regelmäßig bei der Spanien-Rundfahrt. So auch jetzt.

Im Bund mit Nemesis: Vuelta-Favorit Primoz Roglic aus Slowenien.

Im Bund mit Nemesis: Vuelta-Favorit Primoz Roglic aus Slowenien Foto: ap/Daniel Cole

Vergeltung kann süß sein. Vor gut einem Monat schien der Slowene Primoz Roglic noch der große Verlierer des Radsports zu sein. Von Stürzen geplagt und moralisch am Boden verließ der Mitfavorit um den Gesamtsieg der Tour der France nach der achten Etappe das Rennen. Tatenlos musste er zusehen, wie sein Landsmann Tadej Pogacar den zweiten Toursieg hintereinander holte.

Auch beim olympischen Straßenrennen war Roglic früh distanziert. Sein slowenischer Verband gab aber doch ihm und nicht Pogacar – auf dem Bronzeplatz in Tokio – den einzigen Startplatz im Zeitfahren. Dort triumphierte Roglic, krönte sich zum Olympiasieger.

Diesen Schwung nahm er mit zur Vuelta. Beim Auftaktzeitfahren in der Kathedralenstadt Burgos machte er es nur deshalb spannend, weil er als Letzter von der Startrampe herunterfuhr. Bis dahin hatte sich der Baske Alex Aranburu lange als der Sieger wähnen dürfen. Der Astana-Mann war früh gestartet und eroberte den heißen Stuhl, auf dem der jeweils Schnellste im Zeitfahren Platz nimmt. Seine Zeit von 8 Minuten und 36 Sekunden erwies sich auf dem 7,1 Kilometer langen Stadtkurs als eine Bastion, so mächtig wie die Kathedrale, die über dem Zielbereich aufragte. Zeitfahrspezialisten scheiterten an ihr. Und auch die Favoriten für die Gesamtwertung waren weit von Aranburus Bestzeit entfernt.

Dann aber kam Primoz Roglic. Bei der Zwischenzeit, auf der Kuppe des Alto de Castillo, lag er noch drei Sekunden hinter seinem Teamkollegen Sepp Kuss, der damit auch die Führung in der Bergwertung übernahm. Danach aber drehte Roglic auf. Er war sechs Sekunden schneller als Aranburu am Ende, 15 Sekunden besser als Helfer Kuss. Vor allem aber brachte er viel Abstand zwischen sich und seine wichtigsten Herausforderer.

„Es war verrückt, oder?“

Der Kolumbianer Egan Bernal verlor 27 Sekunden, Straßenolympiasieger Richard Carapaz 25. Besser als erwartet schlug sich der Kolumbianer Miguel Angel Lopez, aber auch er hat bereits 21 Sekunden Rückstand. Zum Vergleich: Die letzte Vuelta gewann Roglic mit insgesamt 24 Sekunden Vorsprung vor Carapaz.

„Es war verrückt, oder?“, rief der Slowene beim Fahren auf der Rolle nach dem Zieleinlauf erfreut Journalisten zu. „Die Zeit war gut und ich bin überglücklich“, rief der sonst mit Emotionsbekundungen eher sparsame Radprofi. Seine Form stimmt.

Nach Roglic’ Verfassung kann man mittlerweile sogar seinen Jahreszeitenkalender stellen. Zwei Mal gewann er schon in den letzten beiden Jahren die späteste Grand Tour der jeweiligen Saison. 2019 wie 2020 war die Spanienrundfahrt sein Racheparcours für vorher erlittene Schlappen. Vor zwei Jahren tröstete ihn der Vuelta-Sieg über den leichtfertig verspielten Triumph beim Giro d’Italia hinweg. Im letzten Jahr entschädigte Platz 1 bei der Vuelta ihn für die im letzten Moment verlorene Tour. In diesem Jahr plant er Ähnliches. Die Vuelta soll ihn für das Sturz-Aus in Frankreich entschädigen.

Zu diesem Zwecke hat er ein starkes Team an seiner Seite. Neben dem ersten Bergkönig dieser Vuelta, Sepp Kuss, stehen ihm noch die kletterstarken Steven Kruijswijk, Robert Gesink und Sam Oomen zur Seite. Mannschaftlich noch hochkarätiger besetzt ist das Ineos-Team mit Giro-Sieger Bernal, Straßenolympiasieger Carapaz, dem einstigen Tour-Vierten Adam Yates und der russischen Klassementhoffnung Pavel Sivakov.

„Die Straße wird entscheiden“

Sie alle aber hielten sowohl Roglic als auch Helfer Kuss auf Abstand. Yates war mit 20 Sekunden Rückstand noch der Beste der Verlierer vom einstigen Dominanzrennstall. Sivakov war zwei Sekunden langsamer als Yates, weitere drei und fünf Sekunden später folgen Carapaz und Bernal. Das muntere Hierarchieraten dürfte bereits beginnen beim britischen Rennstall.

„Die Straße wird entscheiden, wer unser Kapitän ist“, hatte Bernal vor der Vuelta verkündet. In der nächsten Nähe der goldenen Streifen der Kapitänsuniform wäre damit Yates, obwohl natürlich noch nichts entschieden ist. Weiteren Aufschluss wird die heutige dritte Etappe geben. Die endet auf dem Picon Blanco, einem 7,2 km Kilometer langen Anstieg mit bis zu 17 Prozent Steigung.

Roglic freut sich bereits auf den Berg. Die kurzen, knackigen Rampen liegen ihm. Allerdings zeichnet sich die Vuelta durch häufige Führungswechsel aus. Gewonnen hat er noch lange nicht. Und seine fatale Neigung, Grand Tours durch einen Leistungsabfall in der dritten Woche noch zu verlieren, könnte angesichts der mächtigen Gipfel kurz vorm Abschluss erneut den Ausschlag geben. Die andere Serie allerdings ist: Die Vuelta findet statt und Roglic gewinnt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.