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Klimakrise produziert Hitzetote

Planungsstäbe im Norden schauen mehr auf Hochwasser als auf Herz und Nieren. Das könnte sich rächen

Einzig Hamburg hat in seinem Klimafolgen-Monitor Gesundheit als Schwerpunkt definiert

Von Esther Geißlinger

Diese Temperatur mag der menschliche Körper am liebsten: 28 Grad. Allerdings nur nackt – bekleidet und in Aktion wird es Homo sapiens bereits bei weniger als 28 Grad zu heiß. Wenn der Klimawandel voranschreitet, müssten Kommunen Hitzewarnpläne aufstellen, raten Expert*innen. Doch in den Planungsstäben und Projekten, die sich mit den Folgen des Klimawandels befassen, sind meist keine Medizinfachleute vertreten. So werden Gesundheitsfolgen oft nur kurz behandelt.

EU-weit werden bis 2030 rund 30.000 Menschen zusätzlich durch Hitze sterben, erwartet der „Lancet Countdown“, ein Bericht, der von der medizinischen Fachzeitschrift The Lancet initiiert wurde und die Gesundheitsfolgen des Klimawandels beschreibt. „Wir müssen die Klimakrise als Gesundheitskrise definieren“, sagt Martin Herrmann. Der Münchner Mediziner ist Vorsitzender des Vereins „Klima und Gesundheit“, kurz „KluG“, einer bundesweiten Organisation von Personen aus dem Gesundheitswesen, die sich mit dem Klimawandel befassen.

Denn die körperlichen Folgen sind vielfältig: je wärmer die Außenluft, desto mehr müssen Herz und Kreislauf arbeiten, damit der Körper in der Wohlfühlzone bleibt. Auch andere Organe, etwa die Nieren, werden belastet. Sogar die Rate an Fehlgeburten ist bei Dauerhitze höher.

„Natürlich hängt das Risiko mit den persönlichen Ressourcen zusammen. Wer jung und gesund ist, kann Hitze besser ab als Ältere“, sagt Guido Schmiemann. Der Wissenschaftler ist am Institut für Public Health und Pflegeforschung der Universität Bremen und Mitglied bei „KluG“. Laut Schmiemann liegt das größte Risiko nicht bei akuten Krankheiten wie Hitzschlag, sondern bei Erschöpfung, Übermüdung, Überanstrengung, die langfristige Folgen haben. „Die Übersterblichkeit durch Hitze ist messbar“, sagt Schmiemann.

Doch in den Planungsstäben und Fachstellen, die sich mit dem Klimawandel befassen, wird das Thema bisher kaum behandelt. Eine „überdurchschnittliche Betroffenheit der menschlichen Gesundheit im Vergleich zu allgemeinen höheren Risiken ist durch Klimawandel nicht zu erwarten“, heißt es noch im Klimaschutzbericht Schleswig-Holstein von 2009.

Damals rätselten die Landes-Fachleute noch darüber, „ob sich Erreger tragende Zecken im Norden ausbreiten“ würden. Heute ist diese Frage entschieden: „Tigermücken können in Deutschland überwintern, in Sachsen-Anhalt gab es Ausbrüche von Westnil-Fieber und Zecken mit Erregern, die wir früher südlich des Mains gesehen haben, finden sich jetzt auch in den nördlichen Landkreisen“, sagt Pflegeforscher Schmiemann. Er hält die Gefahr durch Erreger allerdings nicht für dramatisch: „Selbst wenn sich Malaria ausbreiten sollte, ist unser Gesundheitssystem stabil genug.“

Schmiemann interessieren mehr die scheinbar kleinen Folgen der Hitze: „Die Wirkweise von Medikamenten kann sich ändern, wenn ein Patient bei Hitze zu wenig trinkt.“ Entsprechend müssten die Pillen angepasst werden, „das wäre die Aufgabe von Ärzten und Pflege“. Doch ob alle Ak­teu­r*in­nen sich Gedanken darüber machen? „Ich denke, das ist noch ein blinder Fleck“, befürchtet Schmiemann.

Auch im aktuellen Internetauftritt der Kieler Landesregierung, der sich mit den Klimawandel-Folgen befasst, wird Gesundheit nur im Nebensatz erwähnt. Für eine „Klimawirkungsstudie“, die 2019 in Niedersachsen erschien, beackerten Fachleute aus dem Umweltministerium, dem Landesamt für Bergbau und dem Landesbetriebes für Wasserwirtschaft und Naturschutz 19 „Handlungsfelder“ – Gesundheit war nicht dabei.

Auch im Bremer Projekt „Bresilient“, ein Kofferwort aus Bremen und resilient, taucht Gesundheit nur im Bereich der ökonomischen Bewertung von Klimamaßnahmen auf. Einzig Hamburg hat in seinem Klimafolgen-Monitor Gesundheit als Schwerpunkt definiert und benennt als Gefahren vermehrte Allergien, die Verbreitung von Erregern durch Tigermücken und Zecken sowie Hitzetage – beide Bereiche sollen im Monitor beobachtet werden.

Dabei gibt es für Kommunen bereits eine Reihe praktischer Tipps, etwa im Empfehlungskatalog des Bundesumweltministeriums von 2017. Sie reichen von mehr Trinkwasserspendern im öffentlichen Raum über die Anlage von Schattenplätzen bis zu „hitzeadäquater Gebäudeplanung“. Genannt wird auch ein Warnsystem bei starker Hitze, wie es etwa in Frankreich nach Extrem-Sommern eingeführt wurde.

Schmiemann hofft, dass im Zuge der Debatte um bessere Alarmsysteme vor Hochwasser auch die Gesundheitsfrage in den Blick rückt. Er wünscht sich Tipps per Radio oder auf Smartphones. Hilfreich wären Ratschläge wie „Suchen Sie kühle Räume auf“ oder „Warnen Sie Ihre Nachbarn“.

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