heute in hamburg: „Reiche Erben müssen etwas abgeben“
Filmvorführung „Großer ‚Wer hat, der gibt‘-Kinoabend-Überraschungsfilm“: 20 Uhr, Altonaer Balkon, an der Palmaille, Eintritt frei.
Demo 21. 8., 14 Uhr, S-Bahn Blankenese.
Interview Pascal Luh
taz: Herr Ridder, „Wer hat, der gibt“, das klingt nach Robin Hood, oder nicht?
Ansgar Ridder: „Wer hat, der gibt“ als Name ist abgeleitet von dem Satz „Wer hat, dem wird gegeben“. Das ist unsere Gesellschaftsanalyse, dass in den letzten Jahrzehnten den Leuten, die viel haben, immer mehr gegeben wurde, zum Beispiel über steuerliche Erleichterungen. Im Rahmen der Krise und der immer weiter wachsenden Ungleichheit muss das umgedreht werden. Dann muss es heißen: „Wer hat, der gibt“. Die Reichen müssen sich an der Finanzierung unserer Gesellschaft angemessen beteiligen.
Um das zu erreichen, hat Ihr Bündnis einen offenen Brief an die Bundesregierung geschrieben. Was steht darin?
Wir fordern eine Erbschaftssteuer und eine Vermögenssteuer. Außerdem eine einmalige Vermögensabgabe, um die Kosten der Coronakrise zu decken. Es kann nicht sein, dass die Krisenlast auf die Arbeits- und Werktätigen abgewälzt wird.
Wie kann das verhindert werden?
Verstaatlichung – oder besser gesagt Entprivatisierung – kann ein Mittel dazu sein. Im privatisierten Gesundheitssystem sieht man zum Beispiel deutlich, dass das System weder den Patienten noch den Angestellten dient, sondern dass damit Profit gemacht wird. Mit dieser Praxis sollte Schluss sein.
Sie spielen auf den Verkauf des Landesbetriebs Krankenhäuser an den Asklepios-Konzern an.
Nicht nur – unter dem ehemaligen Hamburger Bürgermeister Ole von Beust (CDU) wurden viele städtische Gebäude an private Investoren veräußert, um den Haushalt zu sanieren. Heute sitzen Hamburger Behörden wie die Finanzbehörde zum Beispiel wieder in diesen Gebäuden, nur müssen sie jetzt Miete zahlen. Das Prinzip „Mehr Privatisierung ist besser für alle“ ist Quatsch.
Haben Vermögende kein Anrecht auf ihr Vermögen?
Man muss sich klar machen, dass große Vermögen nicht in einem Arbeitsleben erwirtschaftet werden können. Der Amazon-Chef Jeff Bezos hat sich nicht allein 200 Milliarden erarbeitet. So ein Vermögen besteht immer aus der Arbeit von Angestellten und gesellschaftlicher Vorarbeit. Deutsches Vermögen liegt beispielsweise auch häufig bei Familienunternehmen, die es seit Generationen hin- und her schustern. Da ist die Frage, inwiefern ein Erbe ein Anrecht auf das Vermögen hat. Erbe ist klassisches leistungsloses Einkommen. Aber wenn wir von einer leistungsgerechten Gesellschaft sprechen, sollten Arbeiter*innen eine elementare Rolle spielen. Deswegen finde ich, dass reiche Erben etwas abgeben müssen.
Enteignung wird nicht konfliktfrei vonstatten gehen. Wie stellen Sie sich das vor?
Ansgar Ridder
32, Pflegeassistent in einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung und Sprecher für „Wer hat, der gibt“ in Hamburg.
Unser Kernanliegen ist Besteuerung. Das ist in der Hinsicht keine Form von Enteignung. Es ist die Aufgabe des Staates, solche Steuern praktikabel zu machen. Es ist ein Unrecht, dass Vermögen nicht angemessen besteuert wird und Einkünfte aus Vermögen nicht in dem Maße besteuert werden wie Einkünfte aus Arbeit. Generell sollte man bedenken, dass relativ häufig enteignet wird, um zum Beispiel Platz für Kohletagebauten zu machen. Dabei gibt es auch Beispiele, bei denen Enteignungen wirklich der Gesellschaft nutzen können wie das Berliner Projekt „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“.
Dabei wird versucht, die größte Wohnungsgesellschaft Berlins über einen Volksentscheid zu vergesellschaften. Wieso ist so etwas notwendig?
Gesellschaftliche Ungleichheit zieht einen enormen gesellschaftlichen Schaden nach sich. Die Finanzierung von Krisenlasten sollte von denen gestemmt werden, die am meisten von ihnen profitieren.
Sind die Corona- und die Klimakrise im Moment nicht wichtiger?
Das ist genau das Problem. In Krisen zeigt sich die Ungleichheit und der gesellschaftliche Bruch besonders stark. Die Parteien müssen die soziale Frage neben der Klimafrage zentraler aufnehmen.
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