: Vorlesung in derCity
Für einen Uni-Campus in der Innenstadt ist fast der gesamte Senat. Doch warum sollte man sich bei der Auswahl des Ortes auf den Brill konzentrieren?
VonLotta Drügemöller
Seit einigen Monaten wird diskutiert, ob die Bremer Uni einen Ableger in der Innenstadt eröffnen sollte. Studieren in der City – dafür sind prinzipiell auch die Grünen zu haben. Doch die Fraktion warnte jetzt davor, sich die Bedingungen für einen neuen Uni-Campus von einzelnen Investoren diktieren zu lassen.
Der Leerstand in der City hat nicht nur wegen des Lockdowns zugenommen; die Innenstadt muss eine neue Rolle finden, abseits der reinen Shopping-Meile. Der neue heiße Scheiß, der dafür infrage kommt, ist die Wissenschaft: Statt weit außerhalb am heutigen Uni-Campus, könnten in Zukunft bis zu 8.000 Studierende am Brill lernen.
Spätestens seit dem zweiten Innenstadtgipfel im Mai scheint es im Senat einen Konsens zu geben, dass ein Innenstadt-Campus am Brill eine tolle Idee wäre. Auch die Uni ist eingebunden: Hochschulrektor Bernd Scholz-Reiter hat bereits sein Interesse an einem Teilumzug bekundet.
Und doch: So verlockend es sei, die leeren Räume mit Wissenschaft und Studis zu füllen, so wenig dürfe das die Motivation sein, mahnen Solveig Eschen, Sprecherin für Wissenschaftspolitik, und Robert Bücking, Sprecher für Stadtentwicklung in der Grünen-Fraktion bei ihrem Pressegespräch. „Es muss einen Mehrwert für die Wissenschaft geben, wenn sie in die Innenstadt umzieht“, sagt Eschen.
Die Natur- und Ingenieurswissenschaften sollen deshalb wohl bleiben, wo sie heute sind: bei ihren Laboren und Maschinen und vor allem in der Nähe und mit Anbindung an den Technologiepark, der sich nicht zufällig bei der Uni angesiedelt hat.
Infrage für den Umzug kommen stattdessen die Gesellschaftswissenschaften: Vom Studium der Medienwissenschaften oder der Wirtschaftswissenschaften in der Innenstadt verspricht sich Bücking „Kooperationsprozesse mit neuen Milieus“. Eschen spricht von „Synergien mit den Innenstadtakteuren“ und meint wohl das Gleiche: Die Uni könnte mit den anderen Hochschulen kooperieren, die Ableger in der Innenstadt haben; junge Gründer*innen könnten einen Shop vor Ort anmieten. Und, so hofft Eschen, die Studierenden könnten „anknüpfen an die Allgemeinbevölkerung“.
Das ist nicht sehr neu und auch nicht konkreter als die Vorstellung anderer Akteur*innen. Die Grünen aber wollen beim Innenstadt-Campus nicht mehr automatisch an den Standort am Brill denken. „Es gibt noch andere Areale in der Innenstadt“, sagt Bücking. In der Tat: Die Nord LB zieht 2023 aus ihrem Gebäude am Marktplatz, C&A verkleinert sich schon Ende dieses Jahres und auch für den Komplex rund ums Parkhaus Mitte und Galeria Kaufhof gibt es auch noch keine festgezurrten Pläne.
Robert Bücking (Grüne), stadtentwicklungspolitischer Sprecher
In Wirklichkeit finden auch die Grünen das Brill-Gelände ziemlich geeignet für einen Uni-Campus; sie selbst hatten die Idee eines Hochschulstandorts an dieser Stelle bereits vor einigen Jahren geäußert. Der Verweis auf die anderen Standorte soll deshalb vor allem die Position der Stadt in den Verhandlungen mit den Grundstückseigentümern verbessern.
Momentan seien die Pläne eher „investorengeleitet“, findet Bücking: Die Schapira-Brüder als Eigentümer hatten die Idee eines Campus im Herbst 2020 ins Spiel gebracht, nachdem für das ehemalige Sparkassen-Gebäude am Brill mehrere andere Pläne gescheitert waren.
Soweit bisher bekannt ist, will sich die Stadt gegenüber den Schapira-Brüdern für 30 Jahre als Mieterin verpflichten, für einen Quadratmeterpreis von 10 Euro. „Aus Sicht der Immobilienwirtschaft ist das ein Sechser im Lotto“, sagt Bücking.
Die Stadt müsse deshalb im Gegenzug Forderungen stellen. Die wichtigste: Die Investoren selbst sollen den nötigen Umbau finanzieren. Bisher wollte die Stadt das selbst machen – doch das könnte teuer werden: der Weser-Kurier spricht zuletzt im Juni von 80 Millionen Euro. „Das muss nicht sein“, meint Bücking. „In Wirklichkeit ist Bremen in einer guten Verhandlungsposition.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen