piwik no script img

Internationaler Starkünstler

Antje Maria Warthorst erzählt die Biografie von Walter Trier: Er war Zeichner, Maler, Trickfilmer, Kabarettist und Spielzeugdesigner. Doch oft kennt man nur seine Kästner-Illustrationen

Von Jörg Sundermeier

„Mit dem Cover für Erich Kästners ‚Emil und die Detektive‘ schuf Walter Trier eine echte Ikone der modernen Buchmalerei.“ So beginnt Antje Maria Warthorsts Biografie „Walter Trier. Eine Bilder-Buchkarriere“. Diese „Ikone“ war für Trier Segen und Fluch zugleich.

Doch der Reihe nach. 1890 wird Walter als das jüngste von sieben Kindern in die jüdische Prager Familie Trier hineingeboren. Die Familie ist für damalige Verhältnisse recht unangepasst, weder spielen die Religion noch die sogenannten guten Sitten eine große Rolle, in der vermögenden Familie werden vielmehr die Gemeinschaftswerte hochgehalten. Und alle Familienmitglieder betätigen sich künstlerisch; wie Max Brod, ein Jugendfreund Triers berichtete, wurde regelmäßig eine Familienzeitung hergestellt, mit komischen Texten und Karikaturen, für letztere war der jüngste Sohn zuständig. So wurde das Talent des jungen Triers gefördert.

Da er genügend Beharrlichkeit besaß, gelang es ihm, an der Münchener Kunstakademie in die Klasse von Franz von Stuck aufgenommen zu werden. Die bayerische Hauptstadt war vor dem Ersten Weltkrieg die vielleicht liberalste Stadt im Kaiserreich. Trier gelangte dort rasch zu einiger Bekanntheit, etwa mit Karikaturen im Simplicissimus – das wiederum rief zwei Berliner Verleger auf den Plan.

Der eine war Hermann Ullstein, vom berühmten Verlagshaus, der andere Otto Eysler, von den Lustigen Blättern. Beide wollten Trier als Mitarbeiter, sodass Trier 1910 nach Berlin wechselte und schon bald auskömmlich leben konnte. Triers Stil waren detailverliebte Zeichnungen, die für eine freundlich-kritische Stimmung sorgten. Selbst in den Propagandazeichnungen, die Trier im Ersten Weltkrieg anfertigte, lässt sich eine gewisse Menschenliebe erkennen, er zeichnete die Feinde als Trottel, nie aber als Un(ter)menschen.

Nach dem Kriegsende stieg Triers Stern in unbekannte Höhen – aufgrund seines Fleißes als Zeichner, Maler, Trickfilmer, Kabarettist und Spielzeugdesigners konnte man ihm kaum entkommen. Schnell war der eher schüchterne Künstler ein Star geworden, wurde für Zeitschriften in Homestorys porträtiert und war, obschon er sich lieber in sein Atelier in Lichterfelde zurückzog, als Prominenter zu öffentlichen Auftritten gezwungen.

Dass ihn die Verlegerin Edith Jacobsohn mit dem damals weniger bekannten Kästner verband, war für alle drei ein Glücksfall – beginnend mit dem 1929 erschienenen Kinderbuch „Emil und die Detektive“ erlangten Kästner und Trier Weltruhm, während Jacobsohns Verlag Williams & Co. endgültig in die erste Verlagsliga aufstieg. Dabei lehnten Walter Trier und seine mondäne Frau Kästner zunächst sogar ab – dessen Umgang mit Frauen war ihnen suspekt.

Dem Weltruhm ist es auch zu verdanken, dass Trier 1936 Deutschland verlassen konnte und über England nach Kanada ging, dort jeweils nochmal eine Karriere starten konnte, ehe er vor 70 Jahren an einem Herzschlag starb.

Nach seinem Tod aber blieb Trier plötzlich im Schatten Kästners, wurde auf den Illustrator und Gebrauchsgrafiker reduziert und nicht mehr als der Künstler anerkannt, als der er in Berlin selbstverständlich gegolten hatte.

Antje Maria Warthorst versucht ihn nun mit ihrer ausführlichen Biografie wieder an jenen Platz zu bringen, an den er gehört – als Künstler, der die Ästhetik der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wesentlich geprägt hat. Und das einzige Manko der Biografie – Abbildungen in Schwarzweiß – hat Warthorst auch ausgeglichen: Zeitgleich erscheint jetzt der Band „Die Bilderwelt des Walter Trier“, eine opulente Werkschau in Farbe.

Antje Maria Warthorst: „Walter Trier. Eine Bilder-Buchkarriere“. Favoritenpresse, Berlin 2021, 354 Seiten, 22 Euro

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen