piwik no script img

Nachruf auf Musiker Peter RehbergSperrig und auch meditativ

Peter Rehberg war Musiker und Chef von Editions Mego, einem der einflussreichsten Labels für Elektromusik. Nun ist er mit 53 Jahren gestorben.

Peter Rehberg (1968-2021) war musikalischer Autodidakt Foto: Magdalena Blaszczuk

Er wisse gar nicht, was das sein solle, Laptop Noise, hat Peter Rehberg in einem Interview gesagt, als das Webzine Tiny Mix Tapes den Wiener Musiker und Labelbetreiber nach der stilistischen Vielfalt seiner Veröffentlichungsplattform Mego, später Editions Mego, befragte.

In der Tat steht der Labelname Mego für im weitesten Sinne experimentelle elektronische Musik, aber seine Geschichte beginnt mit dem Sound eines Haushaltsgeräts: „Fridge Trax“ hieß 1995 die Mego-Katalognummer 001 von General Magic & Pita, und dahinter verbarg sich eine EP, deren Tracks tatsächlich aus den Sounds eines Kühlschranks am Morgen einer Party gespeist waren. Fast eine Viertelstunde beansprucht das Eröffnungsstück „Deep Fridge“, die Eisschranksounds funktionieren dabei ähnlich wie ein Besenschlagzeug im Jazz als Teppich für Töne und Assoziationen.

Was General Magic, die Mego-Mitbegründer Ramon Bauer und Andi Pieper und Peter Rehberg alias Pita auf „Fridge Trax“ machten, war etwas durchaus Ungewöhnliches; zur populären Blütezeit von Techno verwiesen sie auf die darin enthaltenen Spurenelemente von Avantgarde und Industrial. Sie setzten auf eine abstrakte, fragmentierte Spielart elektronischer Musik und waren damit nicht gänzlich erfolglos.

Im Jahr 1999 erhielt das Label selbst und 2003 eine seiner Veröffentlichungen eine Prix-Ars-Electronica-Auszeichnung in der Sparte „Digitale Musik“. Die Zeitschrift The Wire bezeichnete Mego 2003 als „eines der wichtigsten und einflussreichsten Labels für elektronische Musik in der letzten Dekade“.

Improvisieren am Laptop

Von 1995 bis 2005 erschienen insgesamt 75 Mego-Veröffentlichungen, Katalognummer 009 war Pitas LP-Debüt „Seven Tons For Free“. Der 1968 im Londoner Stadtteil Tottenham geborene musikalische Autodidakt Rehberg kooperierte mit zahlreichen weiteren Experimental-Künstlern wie Mika Vainio, Charlemagne Palestine und Oren Ambarchi.

Gemeinsam mit Ramon Bauer produzierte er ab 1997 als Rehberg & Bauer. Mit Stephen O’Malley veröffentlichte er ab dem Jahr 2006 mehrere Drone-Doom-Alben als KTL. Mit Fennesz und Jim O’Rourke bildete Rehberg das improvisierende Laptop-Trio Fenn O’Berg.

Nachdem Mego 2005 geschlossen wurde, gründete Rehberg im Folgejahr das Label als Editions Mego neu und sicherte ab, dass bisherige Veröffentlichungen weiter erhältlich blieben und neue erscheinen konnten. Rehberg war mit Postpunk und Industrial aufgewachsen, Gitarrenrock- und -pop war auf Mego und Editions Mego nicht zu finden, dafür eine Musik, die in all ihrer Sperrigkeit meditative Momente haben konnte.

„Eine dieser Veröffentlichungen ist das 2016 erschienene Album „Music Vol.“ des russischen Musikers Ivan Pavlov alias CoH, der darauf bestrickend kristalline Digitalschleifen spielt. Bereits 2014 war Pavlov dabei, als Peter Rehberg mit Editions Mego einen eigenen Schwerpunkt auf dem Berliner CTM-Festival innehatte.

Elektroakustische Raritäten und Elektropop

Neben Pavlov war da auch ein Exkurs in die Geschichte der elektroakustischen Musik zu erleben, anhand eines der Sublabels von Edition Mego: Recollection GRM, auf dem Peter Rehberg in Zusammenarbeit mit der Pariser Groupe de recherches musicales (GRM), 1958 vom Musique-concrète-Pionier Pier­re Schaeffer gegründet, Klassiker und Raritäten des renommierten elektroakustischen Instituts veröffentlicht hat.

Gerade 2021 ist auf Editions Mego „Omniverse“ erschienen, ein Album des No-Wave-Musikers James Thirlwell, der für sein Projekt Xordox ein zweites Mal das legendäre Elektronmusikstudio in Stockholm nutzen konnte. Oder „The 8 Of Space“ von Schneider TM, bei dem Tim Caspar Boehme im Frühjahr in dieser Zeitung sogar so etwas wie Elektropop bei Editions Mego hören konnte.

Am 22. Juli ist Peter Rehberg im Alter von 53 Jahren an einem Herzinfarkt gestorben. In dem Tiny-Mix-Tapes-Interview von 2015 sagte er auf die Frage, wo er sein Label in 20 Jahren sähe: „Da bin ich 67“. Das jetzt noch einmal zu lesen, tut weh.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!