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Streit um Landesliste zur BundestagswahlChaostage bei den Saar-Grünen

Der Streit um die Spitzenkandidatur Hubert Ulrichs geht weiter: Die Landesvorsitzende ist zurückgetreten, eine Lösung scheint weit entfernt.

Barbara Meyer-Gluche ist als Landesvorsitzende der Grünen zurückgetreten Foto: BeckerBredel/imago

Frankfurt a. M. taz | Auf der Landesversammlung der Saar-Grünen am 20. Juni war Barbara Meyer-Gluche, 37, zuversichtlich angetreten, um den „nötigen Generationenwechsel“ im Landesverband einzuleiten. Sie wurde zur Landesvorsitzenden gewählt. Am Sontag erklärte die Politikerin, die auch Saarbrücker Bürgermeisterin ist, allerdings ihren Rücktritt. Der angekündigte Generationenwechsel? „Ich bin zu dem Entschluss gekommen, dass das unter den aktuellen Bedingungen nicht möglich ist“.

Meyer-Gluche zieht damit Konsequenzen daraus, dass ihr die Mehrheit des Landesvorstands seit Tagen die Gefolgschaft verweigert. Sie hatte vorgeschlagen, die umstrittene KandidatInnenliste zur Bundestagswahl mit dem ehemaligen Grünen-Chef Hubert Ulrich an der Spitze zu annullieren und auf einem Parteitag am 17. Juli neu wählen zu lassen.

Hintergrund ist die umstrittene Wahl Ulrichs auf den ersten Platz der Liste – eine Position, die laut Statut der Grünen eigentlich einer Frau vorbehalten ist. VertreterInnen aus zwei Kreis- und zehn Ortsverbänden haben die umstrittene KandidatInnenliste deshalb beim Landeschiedsgericht angefochten. Sie machen „eklatante Verstöße“ gegen die Satzung geltend.

Die neue Landesvorsitzende Meyer-Gluche hatte diesen Einwand zunächst zwar zurückgewiesen, weil ja mit Tina Töpfer zuvor dreimal eine Frau bei der Wahl für Platz eins durchgefallen war. Doch weil bei der Versammlung offenbar auch VertreterInnen der Grünen Jugend und der Grünen Senioren mitgewählt hatten, die eigentlich kein Stimmrecht gehabt hätten, wollte Meyer-Gluche eine Neuwahl durchsetzen. Doch Ulrich und seine UnterstützterInnen gaben nicht nach.

Der Totalschaden droht

„Offensichtlich soll auf Zeit gespielt werden“, erklärte Meyer-Gluche nun dazu, und warnte gleichzeitig vor dem Risiko, „dass die Grünen im Saarland ohne gültige Liste bei der Bundestagswahl antreten werden“. Show-Down mit High Risk.

Ein neuer Parteitag der Saar-Grünen wird am 17. Juli in jedem Fall stattfinden. Allerdings ist bislang völlig unklar, über was er entscheiden kann. Die Vorstandsmehrheit besteht darauf, dass lediglich die vakant gewordenen Posten im Landesvorstand neu besetzt werden; Meyer-Gluches Rückzug war der sechste innerhalb weniger Tage.

Zwar hat die Parteiinterne Opposition die Neuaufstellung der Liste für den Parteitag beantragt, doch hat die Vorstandsmehrheit dem nicht zugestimmt. Eine neue KandidatInneliste dürfte aber nur dann gültig sein, wenn die Wahl bereits aus der Einladung zum Parteitag hervorgeht. „Der Beschluss über eine Neu-Aufstellung der Liste wird seit Tagen durch eine knappe Mehrheit blockiert und verzögert. Für vernünftige Lösungen im Sinne der Partei fehlt mir die nötige Unterstützung“, gibt Meyer-Gluche deshalb resigniert zu Protokoll.

Die Lage der Saargrünen scheint so verfahrener denn je. Das in dem Fall angerufene Landesschiedsgericht hat sich nach taz-Informationen für befangen erklärt. Ob jetzt das Bundesschiedsgericht selbst tätig wird, oder ein anderes Landesschiedsgericht einschaltet, ist unklar. Die Zeit drängt. Spätestens am 19. Juli muss die Landespartei bei der Landeswahlleiterin eine gültige Kandidatinnenliste einreichen, sonst erscheinen die Grünen im Saarland nicht auf den Stimmzetteln für die Bundestagswahl. Der Landespartei droht der Totalschaden.

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5 Kommentare

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  • Der größte Schaden für die Grünen dürfte sein, daß jetzt erst einer breiten Öffentlichkeit bewusst wird, daß die Grünen tatsächlich eine Regel haben nach der Frauen signifikant bevorzugt werden. Nicht einmal der Form halber wird da sonst "gleiche Qualifikation" verlangt.



    Die Regel gilt schon lange, aber sie war eben nicht allgemein bekannt.

    Es dürfte keine allzu gewagte Prognose sein zu sagen, daß damit insbesondere einige männliche Wähler bei ihrer Wahlentscheidung noch mal ins "grübeln" kommen werden.

    • @Paul Rabe:

      Also wem diese Regel nicht bekannt ist, der weiß nun aber wirklich nicht viel über die Grünen... auch wenn die ihre Regeln im entscheidenden Moment dann sowieso über Bord werfen, nämlich wenn es um die tatsächliche Besetzung irgendwelcher Posten geht. Die bekommen dann mysteriöserweise bis auf die Kanzlerkandidatur doch immer die Männer (Joschka Fischer, Winfried Kretschmann, Tarek Al-Wazir und wie sie nicht alle heißen).



      Ein männlicher Wähler, der über eine Frau auf Listenposition 1 ins Grübeln kommt (und keine Angst, Listenposition 2 kommt bei den Grünen auch immer durch und das ist immer ein Mann), sollte sein Kreuz dann vielleicht doch lieber auf der ganz rechten Seite machen. Selbst die CSU hat ja inzwischen eine Art Frauenquote und wäre ja damit nahezu unwählbar...

  • „Der Landespartei droht der Totalschaden.“



    Stimme Ihnen zu, Herr Schmidt-Luna.



    Hubert Ulrich ist für mich wie ein Georg Maaßen in der CDU.



    Hubert Ulrichs war und ist aus meiner Sicht in vielen Skandalen verwickelt, unter anderem bei Ostermann. Hartmut Ostermann ist die graue Eminenz des 1. FC Saarbrücken. Fast zehn Jahre bekleidete er das Amt des Präsidenten, seiner Hotelkette Victor.



    Hubert Ulrich ist für mich schon lange kein Grüner mehr, er sollte sich bei der FDP bewerben, Mehrwertsteuer für Hotels senken… u. a.

  • Ehrlich gesagt finde ich diese undemokratischen Ränkespiele weit schlimme als irgendwelche fehlenden Fußnoten bei Frau Baerbocks Buch. Offenbar haben große Teile der Grüne ein Problem mit der freien Wahl, siehe auch die gescheirterten Paritätsgesetze. Man versteht nicht, was "frei" in diesem Zusammenhang bedeutet - dass das Ergebnis nicht vorher feststeht. Dann kann auch mal ein Mann Spitzenkandidat werden oder im Parlament sitzen 60 Prozent Männer oder auch vielleicht irgendwann mal 75 Prozent Frauen, davon 30 Prozent mit Migrationshintergrund.

    Aber das entscheidet der Wähler, nicht ein Wahlgesetz.

  • Das hat ja fast schon Piratenqualitäten.

    Die Satzung erlaubt, das der Ulrich auf der Liste oben steht - aber das ist manchen einfach mal egal, es wird Stunk gemacht bis die Bude brennt.

    Ich geh mal Popcorn-Nachschub holen!