Nachnutzung von Wohncontainern: Leere Versprechungen

Leere Wohncontainer von Flüchtlingen will Berlin nachnutzen. Was schwierig ist, weil sie oft nicht mehr einsatzfähig oder schlicht zu niedrig sind.

Leere Wohncontainer für Flüchtlinge auf dem Tempelhofer Feld

Tempohome-Leerstand auf dem Tempelhofer Feld Foto: Karsten Thielker

BERLIN taz | Das Land Berlin hat ab 2014 an sechs verschiedenen Standorten bunte Containerdörfer mit rund 2.000 Containern gebaut. In Betrieb sind nur noch vier. Dazu kamen ab 2016 für Flüchtlinge insgesamt 17 sogenannte Tempohomes mit insgesamt 5.500 grauen und nicht stapelbaren Containern.

Zwei Tempohomes in Marzahn-Hellersdorf und Neukölln seien inzwischen rückgebaut, zwei weitere in Lichtenberg und Steglitz-Zehlendorf würden es demnächst, sagt eine Sprecherin der landeseigenen Immo­bilienmanagement GmbH BIM. Die Mehrzahl dieser Container wird auf landeseigenen Grundstücken zwischengelagert.

Weitere Tempohomes sind zwar leergezogen, sie stehen aber noch als Reserve­unterkünfte am Standort für den Fall, dass die Flüchtlingszahlen in Berlin wieder steigen. Gründe dafür könnten laut Senatsangaben die geplante Aufnahme von Flüchtlingen aus den Elendslagern der griechischen Inseln sein, eine ver­änderte Flüchtlingspolitik der Türkei sowie die Notwendigkeit, kurzfristig auf Havarien und Quarantänemaßnahmen in Unterkünften reagieren zu können.

Die beiden außer Betrieb genommenen bunten Containerdörfer stehen noch am Standort, weil die Nachnutzung unklar ist.

Keine Entsorgung geplant

Beispiel Buch: Das Dorf, in dem einmal 550 Geflüchtete wohnten, wurde vergangenen September geschlossen. Der Bezirk Pankow will hier in zwei Jahren mit dem Bau einer Schule beginnen. Derzeit ist in einzelne Container eine Covid-19-Teststelle eingezogen. Auch der Bezirk Marzahn-Hellersdorf möchte gern an zwei Standorten bauen, wo derzeit noch ein leeres Containerdorf und ein leeres Tempohome stehen, die der Bezirk gern loswerden würde.

Sascha Langenbach vom Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten dementiert, dass eine Entsorgung der Container geplant sei. Vielmehr sollen die Container „entweder in bezirkliche Nachnutzungen oder in Landesnutzungen integriert werden“, sagt er. Als Beispiele nennt er Nachnutzungen durch die Feuerwehr, als Schulcontainer und für soziale und kulturelle Initiativen und Vereine.

Doch laut Sina Jansen vom Institut für Architektur der Technischen Universität ist das schwieriger als gewünscht. Die Architektin hat an Projekten zur Nachnutzung der grauen Container der Tempohomes mitgewirkt, einzelne Container zerlegt, um die Beschaffenheit zu untersuchen. „Man merkt den Containern an, dass es damals um billige schnelle Lösungen ging“, sagt sie der taz. Die Seitenwände waren ihr zufolge mit Mineralwolle ausgekleidet, die zum Teil bereits feucht sei. Böden bestünden aus chemisch imprägnierten Sperrholzplatten.

„Insgesamt haben viele Materialien ihre Lebensdauer bereits erreicht oder überschritten und sind eigentlich schon nicht mehr einsatzfähig. Außerdem sind das Materialien, die im herkömmlichen Wohnungsbau so nicht an dieser Stelle verwendet werden würden“, so die Architektin.

Schwierigkeiten für eine Nachnutzung resultieren ihr zufolge daraus, dass die Container nicht stapelbar sind und dass die Raumhöhe nur 2,30 Meter betrage. Die Berliner Bauordnung sehe aber für Aufenthaltsräume eine Mindesthöhe von 2,50 Metern vor. Für ein beantragtes Projekt für eine temporäre Jugendclubnutzung, das noch im Antragsverfahren sei, stelle sich das als problematisch dar. „Auch eine Nutzung als Ausweichstandorte für Schulen, in denen gebaut wird, scheitert oft an der Raumhöhe“, sagt die Architektin. Nur diejenigen Container, die in den Tempo­homes als Gemeinschaftsräume dienten und etwas höher seien, könnten genutzt werden. Nicht untersucht wurden bisher die bunten Container aus den Containerdörfern. Die weisen jedoch laut dem Berliner Liegenschaftsfonds eine unproblematische Höhe von 2,50 Metern auf.

Nachnutzung nicht einfach möglich

Die Bedenken teilt in abgeschwächter Form der Schulstadtrat von Pankow, Torsten Kühne (CDU). Eine „simple Nachnutzung“ der Container sei nicht möglich, sagt er der taz. Denn die Tempohomes wurden seinerzeit nach einem Sonderbaurecht aufgrund der besonderen Situation 2015/16 errichtet. „Jegliche andere Nachnutzung bedingt darum ein nachträgliches Baugenehmigungsverfahren.“ Für eine schulische Nutzung, so bestätigt Kühne die Angaben der Architektin, seien die Deckenhöhen zu gering. „Zudem müssten energetische Standards und Lärmvorgaben nachträglich durch bauliche Maßnahmen angepasst werden.“

Ob die Container als temporäre Schulbauten überhaupt nutzbar seien, prüfe Berlin gerade in einem Pilotprojekt in einem anderen Bezirk, sagt Kühne.

Eine sinnvolle Nachnutzung von 75 Wohncontainern gibt es lediglich durch die Feuerwehr, die derzeit eine hohe Zahl von Auszubildenden hat und die Container als Werkstätten für den praxisnahen Unterricht nutzen will. Derzeit werden sie dazu durch Auszubildende anderer Berufe aufbereitet. „Insgesamt ist eine robuste Nutzung angedacht. Daher ist unser technischer Anspruch an die Räumlichkeiten nicht mit einer regulären Bildungseinrichtung vergleichbar“, sagt Feuerwehrsprecher Kevin Bartke der taz.

Die Wohncontainer waren noch auf Veranlassung des ehemaligen Sozialsenators Mario Czaja (CDU) gekauft worden. Die damalige Opposition aus Grünen, Linken und Piraten hatte Wohncontainer als stigmatisierend, zu teuer und nicht nachhaltig kritisiert.

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