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„Die große Illusion. Ein Schloss, eine Fassade und ein Traum von Preußen“ heißt das neue Buch von Hans von Trotha. Bei einem Spaziergang um das Schloss herum erklärt der Historiker, dass die Fassade des rekonstruierten Stadtschlosses das Humboldt Forum – und damit ganz Berlin – noch lange beschäftigen wird

Eine Kuppel zu viel? Vorn die neue Kuppel des Stadtschlosses, dahinter die des Berliner Doms Foto: Paul Langrock

Von Susanne Messmer

Das Erste, was bei dem Spaziergang auffällt: Rund ums Berliner Schloss gibt es kaum einen Ort, der wirklich zum Verweilen einlädt. Außer zwei kleinen Beeten, einem Hain aus 31 stadtklimaverträglichen Lederhülsenbäumen und zwei Trauerweiden am Spreekanal ist es hier vor allem – steinern. „Und in so einem Umfeld steht nun das Humboldt Forum“, schüttelt Hans von Trotha den Kopf, „wo Fragen unserer Zeit wie der Klimawandel diskutiert werden sollen.“

Gerade hat der Historiker, Schriftsteller und Journalist von Trotha sein neues Buch veröffentlicht: „Die große Illusion. Ein Schloss, eine Fassade und ein Traum von Preußen“, heißt es. Darin lässt er auf so informative wie vergnügliche Art noch einmal die Debatte um die Rekonstruktion des Berliner Schlosses Revue passieren.

Wie kaum eine andere spaltet diese Debatte seit 30 Jahren die Berliner Stadtgesellschaft. Und auch, wenn von Trotha gar nicht auf die Ausstellungen eingeht, die endlich am Dienstag im Humboldt Forum hinter der Schlossfassade eröffnet werden (siehe Seiten 44–45): Sein „Versuch über die Fassade“, wie er sein Buch auch nennt, führt noch einmal glasklar vor Augen, wie alt die Schlossrekonstruktion eigentlich schon ist. Schon 30 Jahre ist es her, dass der Landmaschinenhersteller aus Schleswig-Holstein, Wilhelm von Boddien, zum ersten Mal die Idee dazu hatte und auf großen Planen seine Schloss-Simulation installierte, wie von Trotha schreibt.

Vor knapp 20 Jahren wurde es dann vom Bundestag beschlossen. 2006 bis 2008 wurde der Palast der Republik, der zuvor von zahlreichen Künst­le­r*in­nen subversiv zwischengenutzt und von vielen jungen Leuten als riesiger Freiraum empfunden wurde, zurückgebaut.

All das ist viel Zeit. Die wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Debatten haben sich seitdem stark verändert – und von Trotha fragt sich zu Recht, ob die demokratische Entscheidung für dieses Schloss heute noch einmal so getroffen würde.

Wir sind inzwischen am westlichen Zipfel des 200 Meter langen und 120 Meter breiten Schlosses angelangt, puh. Von hier hat man den besten Blick auf die Kuppel des Schlosses, um das im Mai erneut heftig gestritten wurde, als Laterne samt Kreuz installiert und durch den Abbau der Baugerüste erstmals das blaue Spruchband am Fuß der Kuppel sichtbar wurde. Der Text ist 1854 vom preußischen König Friedrich Wilhelm IV aus zwei Bibelzitaten montiert worden und behauptet nicht nur den Absolutheitsanspruch des Christentums und Gottesgnadentum, sondern berichtet auch von den preußischen Eliten, die kurz nach der Revolution von 1848 von der Reichseinigung unter preußischer Führung träumten.

Beim Beschluss des Bundestages 2002 war die Kuppel noch eine Option. Aber dann wurden die Entwürfe ohne Kuppel ausgesondert. „Ich finde, diese Kuppel werden sie wieder runter nehmen müssen“, sagt von Trotha mit einem verschmitzten Lächeln – und weist darauf hin, dass Ku­ra­to­r*in­nen aus aller Welt der Auffassung sind, dass die Kuppel alles unterläuft, was das Humboldt Forum vorgibt, sein zu wollen.

Es geht weiter um das Schloss herum, um diesen Koloss, der, wie von Trotha aus seinem Buch zitiert, „größten Projektionsfläche Berlins“, diesem „UFO“, diesem „AKW Mitte“, das in all seiner barocken Pracht so massiv und so einschüchternd wirkt.

Wir passieren das Staatsratsgebäude der DDR, das nach dem Abriss der Schlossruine 1950 gebaut worden ist. Ein DDR-Schinken mit echtem Schloss-Portal, von dem angeblich Karl Liebknecht die sozialistische Republik ausgerufen hat. Das Portal gibt es jetzt gleich nebenan noch einmal – in Kopie. Wer in aller Welt soll das verstehen?

Schließlich laufen wir am Ufer des Spreekanals weiter, am modernen Teil der Fassade entlang, den man­che*n Be­trach­te­r*in an ein monumentales Abluftgitter erinnert – und kehren zurück zur barocken Fassade gegenüber des Doms.

„Ich glaube, diese Kuppel werden sie wohl wieder runter nehmen müssen“

Hans von Trotha, Historiker und Autor

„Oft genug wurde betont, dass diese Fassade weder Preußen noch die Monarchie verherrliche. Was aber dann?“, fragt Hans von Trotha, als der Spaziergang zu Ende geht. „Es ist der Retro-Traum einer konservativen Elite, die es ihrer Gegenwart nochmal richtig zeigen wollte“, fügt er an. Und nun ist das Schloss gesetzt.

Daran, vermutet Trotha, wird sich das Humboldt Forum noch lange reiben. Vielleicht aber wird es eines Tages durch diese Reibung interessanter werden als ein Kulturhaus, das in einen zeitgemäßen Bau hätte einziehen können. Vielleicht sollte man es einfach leichter nehmen.

Am Dienstag eröffnet das Humboldt Forum mit gleich sechs Ausstellungen. Ein Rundgang

44–45