Berliner Mobilitätsgesetz: Warten auf die Verkehrswende

AktivistInnen ziehen eine Verkehrswende-Bilanz nach drei Jahren Mobilitätsgesetz. Für sie fällt sie „verheerend“ aus.

Eine rote Ampel leuchtet

Wann es wohl weiter geht? Foto: picture-alliance/dpa

Gut Ding will Weile haben – für Berlins Mobilitäts- und vor allem FahrradaktivistInnen könnte es keinen schrecklicheren Sinnspruch geben. Umgekehrt agiert die Senatsverkehrsverwaltung offenbar nach genau diesem Motto. Dass das nicht gut geht, ist seit Langem zu beobachten.

Mit der Bilanz zu 3 Jahren Mobilitätsgesetz zu Wahlkampfzeiten, die der Verein Changing Cities am vergangenen Montag zog und die er selbst als „verheerend“ bezeichnete, ist jetzt aber nicht nur das Tischtuch zerschnitten, sondern das Möbelstück gleich ganz durchgesägt.

Um es vorwegzunehmen: Nicht alles, was Changing Cities – ohne Zweifel seit dem Volksentscheid Fahrrad der wichtigste zivilgesellschaftliche Treiber der Berliner Verkehrswende – der Verwaltung vorwirft, ist absolut fair. Etwa die Aussage „19 Radfahrende und 19 Fuß­gän­ge­r*in­nen wurden 2020 getötet – kein einziger dieser Menschen hätte sterben müssen, wenn die von Verkehrssenatorin Günther geführte Verwaltung ihrer Verantwortung nachgekommen wäre.“

Der Vorwurf ist in dieser Form nicht nur deshalb falsch, weil unter den Verunfallten auch einige sind, für deren Tod nicht das Fehlverhalten anderer Verkehrsteilnehmer verantwortlich war. Denn selbst wenn die Verkehrsverwaltung der Forderung nachkäme, nach jedem schweren Unfall die entsprechende Straßensituation sicher umzubauen – dieser Unfall muss sich ja, allein von der Logik her, erst einmal ereignen.

So oder so, die Enttäuschung bei den AktivistInnen ist enorm

Das delegitimiert aber nicht die grundsätzliche Kritik an Tempo und Nachdruck des vom Mobilitätsgesetz vorgegebenen Stadtumbaus. Der immer wiederkehrende Verweis der Senatsverwaltung, dass eben erst einmal Fachleute eingestellt, Planwerke geschrieben, jede Menge Vorarbeit geleistet werden müsse, ist grundsätzlich nicht von der Hand zu weisen, verfängt aber am Ende der Legislaturperiode und ohne nennenswerte sichtbare Ergebnisse nicht mehr.

So oder so, die Enttäuschung bei den AktivistInnen ist enorm, und dass sie keine Wahlempfehlung abgeben wollen, dürfte in erster Linie daran liegen, dass mehr Engagement in der Sache von einer anderen regierungsfähigen Partei als den Grünen eben auch nicht zu erwarten ist. Deshalb hat man sich nun auf Regine Günther eingeschossen, von der es in der Bilanz indirekt hieß, sie habe „den Geist des Mobilitätsgesetzes und die Größe der Aufgabe nicht verstanden“.

Dass Changing Cities lieber jemanden wie Monika Herrmann, die scheidende Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, auf Günthers Sessel sähe, ist mehr als offensichtlich. Herrmanns Bezirk war das einzige halbwegs leuchtende Vorbild in der Bilanz des Vereins: Dort werde die Verkehrswende mit „intrinsischer Motivation“ vorangetrieben. Aber solche Personalien werden auch in Berlin immer noch von den Parteien entschieden.

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Jahrgang 1969, lebt seit 1991 in Berlin. Seit 2001 arbeitet er mit Unterbrechungen bei der taz Berlin, mittlerweile als Redakteur für die Themen Umwelt, Mobilität, Natur- und Klimaschutz.

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