Hamburg will Branche aufhelfen: Kur für die Kultur
Einen Monat lang Programm für Machende und Publikum – nach Monaten der Abstinenz: Am 15. Juli beginnt der Hamburger Kultursommer.
HAMBURG taz | Medizin für die erkrankte Szene: Am 15. Juli wird auf dem Spielbudenplatz der „Kultursommer“ eingeläutet. Bis Mitte August soll es knapp 1.000 Veranstaltungen in 39 Stadtteilen geben, von Konzerten, Lesungen und Performances bis hin zu Filmvorführungen und Ausstellungen. Zehn Millionen Euro stellt die Stadt dafür zur Verfügung, dass die pandemiegebeutelte Landschaft auch in Zukunft erlebbar bleibt. Das Projekt scheint gewinnbringend für Publikum und Kulturschaffende.
„Wir wollen für Aufbruchsstimmung in der Kulturstadt Hamburg sorgen“, sagt der zuständige Senator Carsten Brosda (SPD), „damit das kulturelle Ökosystem wieder in Schwung kommt.“ Die Idee – wie auch der Name – kommen aus Wien: Dort „genossen“ einer Miteilung der Veranstalter nach bereits im vergangenen Jahr 50.000 Menschen Veranstaltungen „in der ganzen Stadt“. Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler sprach von einem „neuen Wiener Format für Lebensfreude, Leichtigkeit und Optimismus“. Dieses Jahr dauert der Wiener Kultursommer vom 3. Juli bis 15. August.
Wenn nun auch Hamburg so etwas ausprobiert, ist das nicht die erste Hilfe für die hiesige Szene. So bewilligte der Senat schon 2020 ein Maßnahmenpaket für Kulturschaffende. Mit dem Kultursommer will Brosdas Behörde nun insbesondere die Situation der freischaffenden Künstler:innen berücksichtigen. Bedingung für die Förderung von Veranstaltungen sei gewesen, dass mindestens 75 Prozent der Beteiligten freischaffende Hamburger Künstler:innen sind. Dies sei „besonders wichtig“, so Brosda zur taz,, „weil gerade die freie Szene von den coronabedingten Einschränkungen des kulturellen Lebens stark betroffen war und ist“. Eine unabhängige Jury wählte aus über 200 Bewerbungen rund 100 Konzepte zur Förderung aus.
Monate mit kaum Kultur
Amelie Deuflhard, Intendantin auf Kampnagel, begrüßt das Projekt: „Das ist ein kollektiver Neustart.“ Ihrem Produktionshaus habe die Förderung ermöglicht, ihr Programm noch näher zu den Menschen in deren Viertel zu bringen. Das hält die Intendantin für umso nötiger, nachdem das Publikum viele Monate lang kaum noch Gelegenheit hatte, Kultur zu genießen: „Es entsteht nicht nur die Möglichkeit für Kulturschaffende wieder ihrem Beruf nachzugehen, sondern auch das Publikum wieder hinter dem Ofen hervorzulocken.“ Mit Blick auf die diversen Förderungsprogramme für Kunst und Kultur sagt Deuflhard, viele profitierten, „viele leider auch nicht“.
Art-Off ist eine Initiative freier, selbstverwalteter Künstler:innenhäuser in Hamburg. Während des Kultursommers bietet sie Rundgänge zu verschiedenen Kulturstätten an, an denen 400 freischaffende Künstler:innen ihre Arbeit präsentieren. Das Projekt „ermöglicht es, endlich wieder mit dem Publikum in den Austausch zu kommen“, sagt Dos Pfeil, Sprecherin von Art-Off und selbst freie Künstlerin. „Das war eine ganze Zeit nicht möglich und freut uns sehr.“
Sie erkennt an, dass nun gerade auch freie Projekte unterstützt werden sollen. „Zusätzlich ist es wichtig, durch die Unterstützung faire Honorare bezahlen zu können.“ Generelle Kritik am Kultursommer äußert sie nicht. Grundsätzlicher aber seien die Förderungen in der Vergangenheit „meist projektbezogen, das heißt, mit einem Jurywesen und Wettbewerb verbunden“.
Auch sei es immer wieder eine Voraussetzung, Mitglied in der Künstlersozialkasse zu sein. Nicht alle freischaffenden Künstler:innen erzhielten aber ausreichend Erlös mit ihrer Arbeit, um in diese staatlich subventionierte Versicherung aufgenommen zu werden. Pfeil wünscht sich daher mehr Individualförderung: „Sonst bleiben die auf der Strecke, die sowieso weniger gesehen werden.“
Am 15. Juli um 18 Uhr startet die Kur fürs Hamburger Kulturleben offiziell mit einem vorab nicht bekannt gegebenen Programm auf dem Spielbudenplatz. Der Eintritt ist frei, der Einlass beginnt um 16 Uhr.