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Beim Schuften zusehn ist lehrreich und schön

Zum 100-jährigen Bestehen der Bremer Ar­beit­neh­me­rkam­mer gibt‘s eine Filmreihe. Ihr Titel „Hinschauen Arbeit“ formuliert das Programm der Institution selbst

Merhaba Stahlwerk: ein heißer Arbeitsplatz Foto: Orhan Çalisir/RB

Von Wilfried Hippen

Dieser Geburtstag wird nicht durch Corona verdorben. Seit 100 Jahren gibt es in Bremen eine Arbeitnehmerkammer. Mit gutem Timing beginnt in dieser Woche eine Filmreihe zum Thema Arbeitswelt, die sie zusammen mit dem Bremer Kommunalkino City 46 und dem Kulturzentrum Schlachthof veranstaltet. In elf Filmen und Kurzfilmprogrammen wird bis Mitte Oktober von verschiedenen Arbeitswelten und Arbeitskämpfen erzählt. „Hinschauen Arbeit“ lautet der Titel der Reihe. Er könnte auch als Programm der Ar­beit­neh­me­rkam­mer selbst durchgehen. Oft genug liefern deren Forschungen zu Beschäftigungsverhältnissen die Empirie zu bundesweiten Debatten um eine gerechtere Gestaltung von Lohnarbeit.

Die Reihe beginnt am nächsten Dienstag um 20 Uhr im City 46 mit dem portugiesischen Spielfilm „A Fábrica de Nada“ von Pedro Pinho, in dem sich Ar­bei­te­r*in­nen in Lissabon dagegen wehren, dass die Fabrik, in der sie angestellt sind, abgewickelt wird und die Fabrikbesitzer die eigenen Maschinen klauen. „Pinhos Film ist einer der bislang gelungensten Versuche, postfordistische Arbeitskämpfe im Film zu zeigen: ohne jede Fabrikromantik, ohne Nationalismen oder dümmliche Verkürzungen“, schrieb Fabian Tietke 2018 in seiner Kritik in der taz.

Am 27. Juli steht mit „Workingman’s Death“ einer der bildgewaltigsten und politisch klügsten Dokumentarfilme der frühen 2000er-Jahre auf dem Programm. Der österreichische Filmemacher Michael Glawogger überprüft darin die These, dass die Arbeiterklasse ausstirbt. Er besucht dafür Schwerstarbeiter in illegalen Kohleminen in der Ukraine und menschliche Packesel, die in Indonesien auf ihren Schultern Schwefel von einem Vulkan heruntertragen. Mit seinen überwältigenden Bildern und der Musik des Jazzmusikers John Zorn ist der Film nur mit dem legendären „Koyaanisqatsi“ von Godfrey Reggio zu vergleichen.

In einem Programm mit diesem Thema darf ein Film von Ken Loach nicht fehlen, und mit „Sorry We Missed You“ wird am 10. August um 20 Uhr im City 46 sein bisher letzter Spielfilm gezeigt. Erzählt wird von einem Arbeiter in Newcastle, der sich als Kurierfahrer selbstständig macht und merkt, dass durch die digitale Revolution die Besitzverhältnisse nicht geändert, sondern eher noch verfestigt wurden. Ab Mitte August werden einige Programme der Reihe Open Air am Schlachthof gezeigt.

Die kurze Saison beginnt am 19. August um 21.30 Uhr mit dem Spielfilm „In den Gängen“ von Thomas Stuber, der in einem Supermarkt in der ostdeutschen Provinz spielt. Die Menschen, die in diesem Tempel des Konsums arbeiten, sind vom dem System, dem sie dienen, längst abgestoßen worden. Dem Regisseur Thomas Stuber gelingt das Kunststück von der Tristesse zu erzählen, ohne dass sein Film selber trist wirkt. Am 21. August wird, ebenfalls Open Air, ein Filmabend zum Thema „Gastarbeit“ veranstaltet, und dort wird auch die Radio Bremen Reportage „Heimaterde“ der Bremer Filmemacher Orhan Çalışır und Dirk Meißner zu sehen sein.

Zurück im Kinosaal des City 46 werden weitere Bremensien zum Thema gezeigt, wenn am 7. September um 20 Uhr der Leiter des Bremer Filmarchivs Daniel Tilgner unter dem Titel „Arbeit in Bremen“ historische Filmaufnahmen aus den örtlichen Arbeitswelten der letzten 100 Jahre zeigt.

Die Filmreihe endet am 19. Oktober um 20 Uhr im City 46 mit einem absurden Beispiel der Globalisierung. Für ihren Film „Losers and Winners “ haben Ulrike Franke und Michael Loeken anderthalb Jahren lang die Reise der Kokerei Kaiserstuhl aus Dortmund begleitet, die im Jahr 2000 abgebaut und Stück für Stück nach China transportiert wurde.

Dort baute man sie dann wieder auf und bediente sich ihrer Konstruktionspläne, um die deutsche Technologie zu nutzen und weitere Kokereien im Land zu errichten. Die deutschen Fachleute und Arbeiter, die die Demontage bis zum für sie bitteren Ende begleiten, werden von den Chinesen nur die „alten Ausländer“ genannt.

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