: Im Galopp zum Schwimmen
Spielgeld (2)In Hamburg kommt die Pferdewettsteuer direkt den Züchtern zugute. Die Linke will sie stattdessen für Schwimmkurse verwenden
Von Hagen Gersie
14,4 Prozent der Grundschulabgänger:innen 2018 hatten kein Schwimmabzeichen. Das geht aus einer Antwort auf eine Kleine Anfrage des FDP-Abgeordneten Daniel Oetzel vom November 2018 hervor. Dabei gab es deutliche Schwankungen nach Bezirken: Im eher wohlhabenden Hamburg-Nord waren es beispielsweise nur knapp neun Prozent ohne Abzeichen, im ärmeren Harburg und Mitte fast ein Viertel der Kinder.
Um dieser Diskrepanz entgegenzuwirken, bringt Mehmet Yildiz, sportpolitischer Sprecher der Linke-Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft, seit Jahren wiederholt einen Antrag ein – der wiederholt abgelehnt wird – um „Sport für alle“ zu ermöglichen. Zur Finanzierung soll eine alte Steuer umfunktioniert werden: Das Rennwett- und Lotteriegesetz ist in seiner heutigen Form, abgesehen von einigen Änderungen, knapp hundert Jahre alt. Es besagt unter anderem, dass die Einnahmen aus der Wettsteuer für Pferderennen, auch Totalisatorsteuer genannt, an die Rennsportvereine selbst ausgezahlt werden. Diese müssen das Geld in die Leistungsprüfung ihrer Pferde investieren. Dabei geht es um die Bewertung von äußerlichen Merkmalen und Leistungen der Pferde für Zuchtzwecke. Sie kostet pro Hengst an die tausend Euro. In Hamburg bekommen die Vereine jedes Jahr knapp 3,5 Millionen Euro aus der Totalisatorsteuer.
Yildiz meint, statt die „Hobbies von ein paar Reichen zu finanzieren“, sollte dieses Geld in den Schwimmbreitensport investiert werden. Zum Teil gibt es für Schwimmkurse in Hamburg jahrelange Wartelisten, wie schon vor der Pandemie unter anderem die DLRG, bemängelte. Die DLRG Hamburg hatte im März 2020 sogar gewarnt, dass mehr als die Hälfte der Kinder nicht sicher schwimmen könne. Inzwischen ist die Lage noch schlimmer geworden, weil die Schwimmbäder wegen der Coronaverordnungen so lange geschlossen waren. „Arme Menschen können sich den Schwimmbadbesuch nicht oder nicht so oft leisten“, sagt Yildiz. Außerdem könnten sich einkommensstärkere Familien beispielsweise Einzelunterricht leisten.
Juliane Timmermann, sportpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, erkennt das Problem, sieht Yildiz’ Vorschlag aber als „nicht zielführend und hilfreich“ an: „Eine ‚Umverteilung der Mittel‘ist leider nicht möglich.“ Auch die Wünsche der Linksfraktion, was mit dem Geld finanziert werden könnte, entsprächen leider nicht den Einnahmen, die durch die Steuer hereinkommen, sagt Timmermann. „So kann man leider nicht seriös dem Schwimmsport helfen.“ Timmermann sagt, ihre Fraktion habe gemeinsam mit den Grünen im Februar den Senat ersucht, „Schwimmlernangebote für die Hamburger Kinder zu organisieren, um den Lernrückstand aufholen zu können.“ Gegen den in März angenommenen Antrag gab es jedoch kritische Stimmen, da die Stadt in den letzten Jahren immer wieder Schwimmbäder geschlossen hat.
Ob die von den Linken geforderte Umverteilung derzeit überhaupt rechtlich gedeckt ist, ist unklar. Deniz Hoffmann, Fachanwalt für Steuerrecht aus Frankfurt, kann die Möglichkeiten für eine Umverteilung der Steuer „nicht aus dem Gesetz herauslesen“. Da es ein Bundesgesetz ist, könne kein Land die Zuweisungsrichtlinien einfach so verändern.
Gerade durchläuft jedoch eine von Nordrhein-Westfalen im Bundesrat eingebrachte Änderung des Rennwett- und Lotteriegesetzes den Bundestag. Vor Kurzem gab es dazu eine Anhörung im Finanzausschuss. Eigentlich geht es dabei um die Besteuerung von Online-Glücksspiel, doch das Gesetz soll insgesamt modernisiert, Kompetenzen sollen klarer festgelegt werden. Der Jurist Hoffmann sagt: Ssollte die Änderung angenommen werden, könnten seiner Einschätzung nach die Länder in Zukunft eine Umverteilung der Totalisatorsteuer vornehmen – solange sich der Bund nicht mit seiner höheren Weisungsbefugnis einschaltet.
Mehmet Yildiz findet, zu einer Verbesserung der Situation bräuchte es nur genug politischen Willen: „Gesetze sind von der Politik gemacht und können von der Politik auch verändert werden.“
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