Hohenzollern klagen weiter

Die Adelsfamilie geht aggressiv gegen Medien vor. Historiker dokumentieren die Klagen in einem Wiki

Von Julia Hubernagel

Wer über die Hohenzollern berichtet, tut gut daran, jede noch so kleine sprachliche Unge­nauig­keit zu vermeiden. Nicht wenige Medienhäuser und His­to­ri­ke­r:in­nen erhielten in den letzten Jahren Anwaltspost. Der Druck sei so hoch, dass einige kleinere Zeitungen es unterließen, überhaupt über die Adelsfamilie zu berichten, sagte Martin Sabrow, Direktor des Leibniz-Zentrums für Zeithistorische Forschung in Potsdam, am Dienstagabend auf einer Online-Podiumsdiskussion.

Der Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands e. V. (VHD) hat sich dazu entschlossen, die Vorfälle genau zu dokumentieren. Die Vorsitzende Eva Schlotheuber stellte auf der Veranstaltung ein Wiki unter dem Namen „Die Klagen der Hohenzollern – eine Dokumentation“ vor, abrufbar unter www.klagen-der-hohenzollern.de, in dem die Rechtsstreitigkeiten zusammengetragen werden. Am umfangreichsten sind die Klagen, die ein beabsichtigtes Hohenzollern-Museum betreffen. Weitere Komplexe bilden Klagen zum Archivzugang der Familie auf Burg Hechingen und zur kritischen Darstellung historischer Ereignisse der ehemaligen Kaiserfamilie.

Es geht um „die Frage nach Ausmaß, Intention und Einschüchterungspotenzial dieses ungewöhnlichen juristischen Vorgehens“ der Hohenzollern-Familie, so der Historikerverband. Wer künftig Anwaltspost aus dem Hause Hohenzollern erhält, kann sich bei dem Verband melden. Das Wiki soll laufend aktualisiert werden. Am Tag des Webseiten-Launch gab Georg Friedrich Prinz von Preußen, Ururenkel des letzten deutschen Kaisers, der Zeitung Die Welt ein Interview. „Wir sind lediglich aktiv geworden, als falsche Tatsachenbehauptungen veröffentlicht und weiterverbreitet wurden“, behauptet der Prinz einmal mehr.

Der Historiker Eckart Conze erinnert am Dienstagabend daran, dass der Aufstieg des Nationalsozialismus und die Rolle der Monarchisten dabei intensiv erforscht seien. Die Geschichte werde auch auf Druck des alten Hochadels nicht umgeschrieben werden müssen. „Bei allen Bewertungsunterschieden im Einzelnen: An der Mitwirkung des Kronprinzen an der Zerstörung der Weimarer Republik und an seiner – in der Gesetzessprache – Vorschubleistung für die nationalsozialistische Machtübernahme kann kein Zweifel bestehen“, sagte Conze.

Der Preußenprinz hatte im Welt-Interview eingeräumt, dass „die Jahre von 1930 bis 1935 in politischer und moralischer Sicht der Tiefpunkt unserer fast 1.000-jährigen Familiengeschichte waren“. Der Historiker Stephan Malinowski stellt aber darüber hinaus die Frage, ob die Jahre davor und danach denn erfreulicher gewesen seien.

Die Juristin Sophie Schönberger verdeutlicht die Probleme, die sich beim Rechtsstreit mit den Hohenzollern ergeben. Die Stundensätze spezialisierter Rechtsanwälte seien hoch. Wer sich gegen Klagen wehren will, müsse viel Geld in die Hand nehmen. Hinzu komme, dass der Kläger sich im Grunde aussuchen könne, vor welchem Gericht in Deutschland er seine Klage erhebe. Der Preußenprinz klage konsequent vor dem Landgericht Berlin. „Es sind also immer dieselben drei Berufsrichter, die über seine Fälle entscheiden“, so Schönberger.

Worte auf der Goldwaage

Von den Hohenzollern werde jedes Wort auf die Goldwaage gelegt, sagte der Medienwissenschaftler Michael Haller. Dies sei sehr problematisch, befand auch der Historiker Martin Sabrow. „Unsere Erkenntnisse sind vorläufig, sie versuchen, sich einer Objektivität anzunähern, von der wir wissen, dass es sie nicht geben kann.“

Ein Kritikpunkt an den Verhandlungen zwischen Hohenzollern und Bund und Ländern war der Umstand, dass die Gespräche geheim geführt würden. Georg Friedrich von Preußen behauptete im Welt-Interview, dass die Politik „unbedingt wollte, dass sie vertraulich geführt werden“. Manja Schüle (SPD), brandenburgische Wissenschaftsministerin, sagte, die Hohenzollern haben darauf gedrungen, dass die Informationen dazu intern blieben: „Wenn ich eine transparente, eine offene Diskussion führen will, dann kann ich nicht gleichermaßen auf eine Verschwiegenheitspflicht der öffentlichen Hand drängen.“