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Kritik an WasserstoffstrategieSchneller, höher, näher!

Stiftung Klimaneutraltität und Öko-Institut kritisieren die Politik der Regierung: Für Öko-Wasserstoff brauche es viel mehr Geld und neue Regeln.

Wo soll der ganze Wasserstoff her kommen? Wasserstofftankstelle in Wuppertal Foto: Rupert Oberhäuser/imago

Berlin taz | Die „Wasserstoffstrategie“ der Bundesregierung gibt es erst seit einem knappen Jahr, sie gilt aber bei Kritikern und Experten schon als altes Eisen. Mit einer „Wasserstoffstategie 2.0“ müsse deutlich mehr Geld für lange Zeit planungssicher investiert werden, um den Umbau vor allem der deutschen Chemie- und Stahlindustrie zur klimafreundlichen Wasserstoff-Technik voranzubringen. Das hat am Mittwoch Rainer Baake, Direktor der „Stiftung Klimaneutralität“, gefordert und dafür ein umfassendes Gutachten des Öko-Instituts vorgelegt.

Für den wirksamen Ausbau des „grünen Wasserstoffs“ brauche es viel mehr Erneuerbare als geplant, mehr Produktion im Inland und in Europa und weniger Hoffnung auf den Import großer Mengen billigen grünen Wasserstoffs, wie ihn die Bundesregierung derzeit plant, hieß es. Selbst bei allen Fortschritten bei billiger Produktion in Afrika und Australien werde klimaneutral hergestellter Wasserstoff „auf absehbare Zeit ein knappes und teures Gut sein“, so Baake.

Ökoenergie aus Europa, nicht importiert aus Afrika

Erst im Juni 2020 hat die Bundesregierung nach langen internen Kämpfen ihre „Wasserstoffstrategie“ verabschiedet, die Wasserstoff (H2) aus Ökostrom als zentralen Punkt für Klimaschutz und Energiewende beschreibt. Bis 2030 sollen in Deutschland demnach 5 Gigawatt Kapazität von H2-Produktion entstehen, wofür etwa 14 Terawattstunden von zusätzlichem grünen Strom gebraucht werden. Dafür sieht die Regierung Hilfen von insgesamt 9 Milliarden Euro für Produktion und Import vor. Die Strategie war von Industrie und Umweltverbänden grundsätzlich gelobt worden.

Baake und dem Öko-Institut reicht sie aber bei weitem nicht aus. Sie fordern 10 Gigawatt Leistung und 30 Terawattstunden zusätzlichen Grünstrom für 2030. Die Förderung solle „weniger mit der Gießkanne“ erfolgen und sich auf einen „Technologiewechsel“ in der Industrie etwa zu grünem Stahl oder anderem Güterverkehr konzentrieren.

Die Gesamtkosten dafür bezifferte Felix Matthes vom Öko-Institut bis 2035 auf etwa 10 Milliarden Euro für den Technologiewechsel und etwa 50 Milliarden Euro für höhere Betriebskosten. Nur mit einem verlässlichen Rahmen werde die Industrie im großen Stil umplanen. Auch müssten „sehr viele kleine und mittlere Bremsen“ beseitigt werden, so Matthes: Es fehle bislang an einer Zertifizierung für grünen Wasserstoff, an Infrastruktur wie Netzen, Pipelines und Tankstellen und besseren Bedingungen etwa im EU-Emissionshandel, so der Energieexperte.

Die Kosten: Eher 60 als die geplanten 9 Milliarden Euro

Eine neue Bundesregierung mit möglicher grüner Beteiligung wäre da offen, signalisierte die Energieexpertin der Fraktion, Ingrid Nestle. Sie begrüßte den „geforderten priorisierten Einsatz von Fördermitteln“ für Industrie, Stromerzeugung und Langstreckenverkehr. Da werde mehr Investitionssicherheit gebraucht.

Der Vorschlag der Stiftung Klimaneutralität sieht auch vor, grünen Wasserstoff erst einmal nicht zum Heizen oder für den Pkw-Verkehr verwenden. Das gehe mit Strom besser und billiger, heißt es. Für Baake, den ehemaligen grünen Staatssekretär für Umwelt und Energie, ist auch klar, dass der grüne H2 aus Deutschland, aus der dänischen und niederländischen Nordsee und auch aus Spanien und Portugal kommen soll. Importe aus Afrika oder Australien per Schiff hält er für zu teuer.

Dagegen hatte erst vorige Woche Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) noch geschwärmt, Westafrika könne zum „klimafreundlichen Powerhouse der Welt werden“. Sie stellte den „Potenzialatlas Grüner Wasserstoff“ vor, an dem ihr Haus und deutsche und afrikanische Forschungsinstitute arbeiten, um die „immensen Potenziale einer Partnerschaft“ von Deutschland und Westafrika zu untermauern; dies könne die Wirtschaft in den Herkunftsländern entwickeln und zugleich Deutschland saubere Energie liefern.

Nach diesen Zahlen ergibt sich allein in Westafrika ein Potenzial für 165.000 Terawattstunden Grünen Wasserstoffs, die Preise für Strom aus Wind und Sonne lägen 30 Prozent unter den deutschen Kosten. Allerdings gibt auch der Atlas zu, dass der Bedarf an Süßwasser für die H2-Produktion das Potenzial um 80 Prozent reduziert und die Transportfrage ungeklärt ist.

Dazu kommen politische Unwägbarkeiten. In Mali, einem der Länder im „Atlas“ hat gerade wieder einmal das Militär geputscht. Und Marokko ist im Atlas gar nicht aufgeführt, obwohl es dort bereits eine Kooperation von deutschen Stellen zu Grünstrom und Wasserstoff gibt. Aber alle diese Projekte liegen gerade auf Eis, bestätigt die Bundesregierung. Marokko hat wegen des Streits um die Westsahara im Frühjahr die diplomatischen Beziehungen zu Deutschland abgebrochen.

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5 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Soweit ich es verstanden habe, ist für die Installation von Windkraft und PV genug Geld vorhanden, das Problem ist jedoch, das bis auf strukturschwache Regionen im Osten Deutschlands, die Bürger nicht bereit sind den Anblick von Windkrafträdern zu erdulden oder bei brachliegendem Potential an Dachflächen die Anreize zur Installation zu gering sind.



    Derzeit deckt Deutschland seinen Energiebedarf zu etwa 75 % aus Importen. Die heimische Energieerzeugung stellt mit 10% Braunkohle und 15% Erneuerbaren den Rest, wobei mehr als die Hälfte der Erneuerbaren auf Biomasse entfällt, was richtig pervers ist, da anschließend die Flächen aus prekären Quellen, auf der Asche des Weltnaturerbe tropischer Regenwald, nicht nur in Brasilien oder Borneo. Auch in Westafrika führt das deutsche Energiewende-Modell zu apokalyptischem Flächenfrass, Ökozid und Enteignung der heimischen Bevölkerung. Auf diesem Auge jedoch ist die Taz blind. Die Arroganz der Berliner Blase.



    Zur politischen Instabilität der Erzeugerregionen lässt sich noch hinzufügen, das Russland den Ukrainekrieg unterstützt, wenn nicht sogar erst möglich gemacht hat, den Völkermord in Syrien und ansonsten jeden Diktator der neu auf die Weltbühne tritt hofiert und protestiert. Auf der anderen Seite wird der radikale Islam und die Festschreibung der muslimischen Ländern ins Mittelalter durch die satten und fetten Geldströme aus Saudi-Arabien unterstützt. Insofern ist es wünschenswert im Zuge des Aufbaus eines neuen Energiesystems einen dezentralen, weil auf viele Regionen verteilte Infrastruktur zu fördern und somit auch andere ärmere Länder zu beteiligen und mitzunehmen. Neben der CO2 Border Tax ein sinnvoller Beitrag zur Dekarbonisierung der Energiewende. Schade das unsere Energiewendelobbyisten die Gesamtsituation immer noch so breit ausblenden.

  • Peter Sutoris hat ein kluges Essay im Guardian geschrieben. Er ist Entwicklungs- und Umweltanthropologe.

    Er schreibt unter anderem:

    "Die Gesellschaft ist zu der Überzeugung gelangt, dass Technologie die Lösung ist. [...]



    Das Problem bei diesem Narrativ ist jedoch, dass es sich auf die Symptome konzentriert, nicht auf die Ursachen des Umweltverfalls. Selbst wenn die Technologien, an die wir unsere Hoffnungen für die Zukunft knüpfen, wie erwartet funktionieren und nicht zu großen Kollateralschäden führen - beides sind riesige Annahmen -, werden sie unsere Denkweise nicht festigen. Dies ist eine Krise der Kultur und der Politik, nicht der Wissenschaft und der Technologie. Zu glauben, dass wir uns innovativ und technisch aus diesem Schlamassel herausarbeiten können, bedeutet, die wichtigste Lektion des Anthropozäns zu verpassen - dass der Umgang mit Prozessen im planetarischen Maßstab Demut erfordert, nicht Arroganz."

    Übersetzt mit www.DeepL.com/

  • Was soll der Quatsch und die Gesundbeterei. Ih freue mich über die erreichten 50% des Strombedarfs aus erneuerbaren. In der nächsten Zeit steht die Abschaltung von AKW und KKW an. Dann soll auch noch der Verkehr und der Wärmemarkt auf Strom umgestellt werden, und dann auch noch für grünen Wasserstoff genug Reserven vorgehalten werden.

    Besser man investiert das Geld erst mal in die regenerative Stromerzeugung. hat man da genug kann man immer noch über den Wasserestoff nachdenken. Wasserstoffanwendung ist bekannt, und die Herstellung auch. Mit Wunschträumen lassen sich die Probleme nicht lösen, das erfordert harte Arbeit und ein Konzept.

    • @Martin_25:

      Geht leider in Deutschland nicht, weil unsere CO2-arme Stromerzeugung auf Wind und Solar basiert, deren Leistung extrem schwankt. Mittags sind wir größter Windstrom-Exporteur, nachts Atomstrom-Importeur. Wir haben heute schon mehr Windkraft installiert als wir brauchen und verschenken mittags den Strom an Polen bzw. zahlen sogar noch dafür dass sie ihn uns abnehmen.

      Anders als in Österreich und Norwegen (Wasserkraft) oder Frankreich (AKW), wird es in Deutschland deshalb keine durchgehend CO2-arme Stromerzeugung geben. Unser Nachtstrom bleibt fossil + frz. Atomstrom.

      Es gibt auch in absehbarer Zukunft keine Technologie um große Mengen elektrischer Energie tagsüber zu speichern um sie nachts zu nutzen.

  • 60Mrd€ für eine klimaneutrale Zukunft sing gut investiert. Da das Geld nicht schlagartig invetiert wird, sind es real wohl 6Mrd pro Jahr. Bei einer deutschen Wirtschaftleistung von über 3.500Mrd pro Jahr alles im Rahmen des Möglichen.