: Das Restaurant in den eigenen vier Wänden
In Neumünster bietet eine Kochschule statt Kochkursen Wohnmobil-Dinner an. Alles ist wie im Restaurant, nur Tisch und Stühle müssen die Gäste selbst mitbringen – und eine Tür
Aus NeumünsterIsabella Boor
Eine Kellnerin balanciert eine Styroporbox mit der flachen Hand. Sie trägt ein Löwenkostüm und hat sich unter den anderen, pelzig-braunen Arm eine Weinflasche geklemmt. Die Frau steuert auf ein Wohnmobil zu und klopft an die Tür. Der Gang über den Parkplatz wurde im Laufe der Pandemie zur Gewohnheit. Über 1.200 Wohnmobile haben die Mitarbeiter:innen der Kochschule Neumünster in den vergangenen Monaten schon zu kleinen Restaurants gemacht, heißt es auf der Webseite.
Nun öffnet ein Ehepaar mit Mund-Nasen-Schutz die weiße Wohnmobiltür. Drinnen ist der Tisch gedeckt wie im Restaurant: mit einem gestärkten, weißen Tischtuch, darauf Weingläser und eine Karte, auf der „Caravan Candle Light Dinner“ steht. Die Kellnerin hat all das zuvor schon zu den Gästen gebracht. Eine Kerze leuchtet auf dem Tisch, dabei ist es draußen noch hell. Die Löwin reicht die Weinflasche und die Styroporbox hinein.
Das Ehepaar nimmt es dankend entgegen – die Vorspeise: Heute gibt es eine Antipasti-Variation. Die Kellnerin kündigt schon den nächsten Gang an: Pasta mit Spargel und wilden Garnelen. Dann schließt sie die Tür und lässt das Ehepaar das Essen genießen.
„Wir sind seit einem halben Jahr dicht und mussten uns irgendetwas ausdenken, um unseren Betrieb zu erhalten“, sagt Inhaberin und Köchin Bettina Seitz. „Da sich viele Menschen in der Pandemie einen Wohnwagen gekauft haben, erschien uns das als die beste Möglichkeit.“
In der Kochschule war es still
Auf Seitz’Kochjacke steht „Diplom-Fleischsommelière“. Sie leitet seit sechs Jahren die Kochschule Neumünster. Seit ein paar Monaten ist sie das Gesicht des Wohnmobil-Dinners. In ihrer Kochschule war im letzten Jahr Stille eingekehrt: Keine Kurse, kein gemeinsames Kochen und Probieren des eigenen Werks.
Als Notlösung begann Seitz zunächst einen Blog, in dem sie Rezepte zeigte. Virtuelle Kurse wollte sie nicht anbieten. „Da fehlte mir die Emotion“, sagt sie. Denn sie liebt genau das: das gemeinsame Kochen, Ausprobieren und Erschmecken.
Das alles kann sie nun wieder tun, wenn auch nicht gemeinsam mit ihren Gästen. In der Küche klirren die Teller. Seitz verteilt eine rote, stückige Soße darauf. Nach und nach kommen Oliven, Pilze, Serranoschinken und gestückelter Mozzarella dazu. Neben ihr schneiden ihre Mitarbeiterinnen Brot. Schüsseln mit gekräuselter Butter stehen bereit.
Finanziell hat die Idee des „Wohnmobil-Dinners die Kochschule nicht viel weitergebracht. Im ersten und zweiten Lockdown habe sie Staatshilfen bekommen, aber seit Januar sei Schluss damit. „Wir werden dafür bestraft, dass wir arbeiten“, sagt Seitz. Sie macht durch ihren Einfall zwar wieder Umsatz, teilt ihn aber mit ihren Partnern, einer Cateringfirma und „Hildebrandts Hotel“, auf dessen Parkplatz die Wohnmobile stehen.
An diesem Freitagabend sind es 17 Wohnmobile. Obwohl es sich nach Urlaub anfühlt, werden die Regeln zum Eindämmen der Coronapandemie strikt eingehalten: Das Servicepersonal darf kein Wohnmobil betreten. Die Gäste müssen immer einen Mund-Nasen-Schutz tragen, sobald die Tür ihres Wohnmobils sich öffnet. Und sie dürfen ihre Speisen nur innerhalb ihrer eigenen vier Wände essen. Das alles überprüften Ordnungsamt und Polizei regelmäßig, sagt Seitz.
Gäste genießen den Restaurantbesuch
Ganz billig ist der Besuch im eigenen, mobilen Restaurant nicht. Pro Gast kostet das Dinner 89 Euro inklusive Getränke. In der Spargel-Version sogar 99 Euro.
Die Gäste scheinen dennoch zufrieden. „Eine tolle Sache! Die Kombi ist gut in diesen seltsamen Zeiten“, meint Silja Reuter aus Hamburg. Und Kerstin Schröder, die mit ihrem Mann aus Kiel gekommen ist, sagt: „Wir sind hier, um das superleckere Essen zu genießen und nachträglich Geburtstag zu feiern.“ Andere kommen aus Eckernförde vom Campingplatz, der gerade wieder eröffnet hat.
Sobald die Türen geschlossen sind, hört man nur noch klirrende Gläser, das Kratzen des Messers auf dem Teller und leise Gespräche aus den 17 kleinen Restaurants.
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