Unfeine Baumwolle für feinen Zwirn

Die Edeltextilmarke Hugo Boss muss sich auf ihrer Hauptversammlung vorwerfen lassen, die Einhaltung von Menschenrechten bei ihren Zulieferern nicht sicherzustellen

Hauptsache Business: Boss-Anzüge in einem Kaufhaus in Kiew Foto: Valentyn Ogirenko/reuters

Von Heike Holdinghausen

Die Menschenrechtsorganisation Femnet wirft dem Textilkonzern Hugo Boss vor, Menschenrechtsverletzungen zuzulassen. Die Edelmarke aus dem schwäbischen Metzingen laviere beim Thema Zwangsarbeit in China und dulde unhaltbare Zustände in Textilfabriken in Indien und Bangladesch. „Ganz offenbar ist Hugo Boss Business wichtiger als Menschenrechte“, sagt die Vorstandsvorsitzende von Femnet, Gisela Burckhardt.

Eigentlich will der börsennotierte Konzern auf seiner Hauptversammlung an diesem Dienstag erfreuliche Zahlen verkünden: Schon im März hatte Yves Müller, Sprecher des Vorstandes von Hugo Boss, mitgeteilt, er sei stolz, „das Jahr mit einem positiven Free Cashflow zu beenden“. Erfolgreich sei man vor allem im „wichtigen Onlinegeschäft und in China“ gewesen.

Dort aber steckt Hugo Boss in demselben Dilemma wie viele andere Textilunternehmen, etwa H&M, Nike oder Adidas: Wenn sie ankündigen, auf Baumwolle aus der Uiguren-Provinz Xingjiang zu verzichten, weil bei deren Ernte und Produktion mit großer Wahrscheinlich Zwangsarbeit zum Einsatz kam, geraten sie ausgerechnet auf ihrem wichtigsten Wachstumsmarkt unter Druck der autoritären Führung.

Wohl deshalb hatte Hugo Boss kürzlich zweigleisig kommuniziert: In Interviews mit Medien in den USA hatte der Konzern beteuert, keine Baumwolle mehr aus der Uiguren-Region mehr zu beziehen. Auf dem Twitter-ähnlichen Kanal Weibo in China hatte er hingegen die hohe Qualität von Baumwolle aus Xingjian gelobt und zugesichert, dort auch weiter einzukaufen. Dieser Beitrag sei „nicht autorisiert“ gewesen, sagt der Konzern, inzwischen ist er gelöscht.

„Hugo Boss bezieht im direkten Lieferverhältnis keine Waren, die aus der Region Xin­jiang stammen“, sagt eine Unternehmenssprecherin, „dennoch nehmen wir die öffentlichen Berichte über die Region sehr ernst“. Man habe im vergangenen Jahr alle direkten Lieferanten weltweit kontaktiert. „Wo hier seitens der Lieferanten die Einhaltung unserer Standards nicht zweifelsfrei nachweisbar war, haben wir veranlasst, die Materialbeschaffung auf andere Quellen umzustellen.“

Natürlich sei es besonders schwierig, die Arbeitsbedingungen in China zu überprüfen, sagt Burckhardt, doch „mit ausreichend eigenem Personal und Zeit“ seien auch dort Audits möglich. „Die Prüfer dürfen nicht nur einen Tag in der Produktionsstätte vorbeischauen, es müssen zwei, drei sein“, so die Femnet-Chefin. „Und außerdem müssen sie bei NGOs oder Gewerkschaften Erkundigungen einholen, wie gearbeitet wird, wenn die Prüfer gerade nicht hinschauen.“ Sei dies nicht möglich, sollten Unternehmen bedenken, ob es klug sei, sich vom chinesischen Markt abhängig zu machen, so Burckhardt.

Sein Verhalten in China ist allerdings nicht der einzige Kritikpunkt von Femnet an Hugo Boss. So habe die Menschenrechtsorganisation über Kontakte zu Partnerorganisationen in Bangladesch und Indien erfahren, dass dort Lieferanten von Hugo Boss keine existenzsichernden Löhne an ihre Ar­bei­te­r:in­nen zahlten.

Auf der Hauptversammlung wird Burckhardt, die als Inhaberin eine Aktie besitzt und deshalb Rederecht hat, fragen: „Hat Hugo Boss wegen der Covid-19-Pandemie Aufträge an diese drei Zulieferer storniert oder Preise neu verhandelt?“ Das Unternehmen antwortet auf die Vorwürfe, man habe zu Beginn der Pandemie alle bereits erteilten Aufträge an Lieferanten bezahlt; Verspätungen oder Rabatte auf bereits erteilte Aufträge habe es nur vereinzelt gegeben. Insgesamt habe man das Auftragsvolumen im Vergleich zu 2020 um durchschnittlich 20 Prozent reduziert.