Ramadan in Berlin: Den Blick verändern

Wie lässt sich die Brücke schlagen vom wenig nachhaltigen und sozialen Jetzt zu einer menschenfreundlicheren Zukunft? Einige Anlässe.

Eine Möwe sitzt auf einer Brüstung und blickt in die Kamera

Es gilt, neue Perspektiven zu entwickeln Foto: Azadeh Hesaraki/Unsplash

Fasten, so sagte die Berliner Theologin Mira Sievers Anfang der Woche in einem taz-Interview zum Beginn des Ramadan, berge die Chance für einen Bewusstseinswandel. Die freiwillige, drastische Veränderung des Alltags im Fastenmonat habe widerständiges Potential.

Wer schon einmal von Karl Marx gehört hat, wird sich über solche Sätze wundern. Hatte Marx nicht treffend Religion als Opium des Volkes beschrieben, als bewusstseinsbetäubende Illusion, die mit der wirklichen Veränderung der herrschenden Verhältnisse überwunden würde?

Doch Marx – wie auf andere Art auch die Ka­pi­ta­lis­t*in­nen und später die Neoliberalen – konnten noch an eine lineare Entwicklung glauben. Dem Wachstum und Wohlstand wären keine Grenzen gesetzt, so die Idee, die fortschreitende Modernisierung der Gesellschaften würde die Religionen (und „Nebenwidersprüche“ wie Rassimus und Sexismus) verschwinden lassen.

Wer diesem Glauben weiterhin anhängt, versperrt sich der Wirklichkeit. Religiosität nimmt keineswegs ab und die planetarischen Grenzen des Wachstums werden selbst hierzulande mehr und mehr erfahrbar.

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Imagination und Umsetzung

Wie lässt sich nun wachen Auges die Brücke schlagen von dieser wenig nachhaltigen und sozialen Gegenwart zu einer menschenfreundlicheren Zukunft? Die Verbindung von bewusstseinsverändernder Imagination und instrumenteller Umsetzung, für die aktuell der Begriff Imagineering erprobt wird, lässt sich schon vielerorts beobachten.

Auch das Ramadan-Fasten kann als ein solches Imagineering verstanden werden, etwa dort, wo es als Plastikfasten das alltägliche Bewusstsein verändert. Ein entsprechender Onlinetalk mit Esra Doğanay von der Kampagne #GreenIftar ist hier zu finden.

Wo die Digitalisierung nicht naiv als lineare Entwicklung verstanden wird, sondern kritisch auf ihre emanzipatorischen und solidarischen Gehalte befragt wird, ist ebenfalls Imagineering am Werk. So etwa in einem Onlineworkshop der Naturfreundejugend Berlin, der das Bewusstsein im alltäglichen Umgang mit Apps, Tools und Algorithmen verändern will, insbesondere im Hinblick auf Rassismus.

„Der Online-Workshop kostet 5€. Wer den Beitrag nicht zahlen kann, ist trotzdem herzlich eingeladen, sich anzumelden“, heißt es in der Einladung(Samstag, 17. April, 11 Uhr, Anmeldung via seminare@naturfreundejugend-berlin.de)

Wie Hartz IV überwinden?

„Hartz IV ist nicht nur für viele von Armut Betroffene zur bitteren Normalität geworden, es prägt auch das Leben aller anderen. Denn Hartz IV drückt die Löhne und sorgt für die Bereitschaft schlechte Arbeitsbedingungen hinzunehmen.

Es verstärkt Ungleichheit beim Zugang zu Bildung und mindert die Chancen auf ein gutes Leben“, heißt es in der Ankündigung zu einer Onlinediskussion, die ebenfalls von der Naturfreundejugend Berlin organisiert wird. Die Frage ist hier: Mit welchen imaginativen und praktischen Mitteln kann Hartz IV endgültig überwunden werden? (Diskussion Dienstag, 20. April, 19 Uhr, Anmeldung via rosa@naturfreundejugend-berlin.de).

Die Betäubungsmittel sind so vielfältig wie die Orte und Weisen der widerständigen Bewusstseinbildung – und die passiert jenseits der überkommenen Unterscheidung von Gläubigen und Nicht-Gläubigen.

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Redakteur im Politik-Team der wochentaz. Schreibt öfter mal zu Themen queer durch die Kirchenbank. Macht auch Radio. Studium der Religions- und Kulturwissenschaft, Ausbildung an der Deutschen Journalistenschule. Mehr auf stefan-hunglinger.de

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