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Maschinenhalle für Kunst

Schon wieder ist ein Atelierhaus in Berlin gefährdet. Dieses Mal könnten 15 Künstler verdrängt werden, die in den denkmalgeschützten Schuckert Höfen am Treptower Park arbeiten. Die Bato Group plant hier Büros

Von Ronald Berg

Noch ist es nicht offiziell, aber die Mieter befürchten das Schlimmste. De facto könnten die 15 Künstler unterschiedlicher Disziplinen, Herkunftsländer und Geschlechts ihrer Lebensgrundlage beraubt werden, sollten sie ihr „Atelierhaus am Treptower Park“ aufgeben müssen. Thomas Mader, einer von ihnen, hält die Kündigung bis zum Sommer für wahrscheinlich.

Die alte Maschinenhalle, gebaut 1893, direkt vis‑à‑vis dem Park, gehört zu einem ganzen Ensemble von Bauten, den sogenannten Schuckert-Höfen. Das eigentlich in Nürnberg beheimate Elektrounternehmen Schuckert war allerdings nicht der erste Bauherr der Fabrikanlage. Ursprünglich hatten die Gebrüder Naglo eine fünfgeschossige Etagenfabrik und besagte Maschinenhalle errichten lassen.

Die Gebäude sind beredte Zeugnisse Berliner Industriegeschichte. Denn die Naglos spielten bei der Berliner Gewerbeausstellung von 1896 eine interessante Rolle. Diese pompöse Leistungsschau der deutschen Industrie des Kaiserreiches fand genau auf der anderen Straßenseite von Naglos Fabrik statt. Das Ausstellungsgelände im heutigen Treptower Park umfasste ein Areal von 900.000 Quadratmetern bis zur Spree. Die Weitläufigkeit des Geländes übertraf sogar noch die bisherigen Weltausstellungen. Und wer nicht zu Fuß gehen wollte, konnte das Areal mit einer „elektrischen Rundbahn“ erkunden, die mit Equipment aus der Naglo-Fa­brik angetrieben wurde.

Wo sich heute in abgetrennten Verschlägen die zwölf Künstlerateliers befinden, wurden ursprünglich Dynamomaschinen und Beleuchtungstechnik gebaut. Die langgestreckte Backsteinhalle mit dem durchlaufenen Oberlicht im Dach war also nicht für Bau oder Wartung der Parkeisenbahn selbst gedacht, wie bei den ansässigen Künstlern wegen des ungewöhnlichen, extrem in die Länge gezogenen Grundrisses gemutmaßt wird.

Die später an Schuckert verkaufte und erweiterte Fabrik steht inzwischen unter Denkmalschutz. Und da Denkmalpfleger in der letzten Zeit zu Untersuchungen an der Substanz der ehemaligen Maschinenhalle anrückten, scheint etwas im Gange zu sein. Seit vergangenem Jahr gehören die Schuckert-Höfe nämlich der Bato Group. Der 2007 in Berlin gegründete Immobilienentwickler plant hier eine gewerbliche Nutzung, vornehmlich Büros – wobei Künstler, obwohl alles Profis, nicht als zahlungskräftige Mieter für die renovierten Räumlichkeiten infrage kämen. Für den billig zu mietenden Atelierraum nahmen die Künstler bisher auch in Kauf, dass es keine Heizung gibt und Fenster zugemauert sind. (Die Bato selbst war zu einer Stellung­nahme für die taz nicht zu erreichen.)

Allgemein sieht die Lage in Sachen Ateliers für die mindestens 8.000 professionell arbeitenden bildenden Künstler in Berlin – davon die meisten in finanziell prekären Verhältnissen – schlecht aus. Nach Angaben des berufsverbands bildender künst­le­r*in­nen berlin (bbk) gehen jedes Jahr rund 350 bezahlbare Ateliers verloren. Es gibt eine massive Verdrängung, wenn aus ehemaligen Fabriketagen, Produktionshallen oder Gewerberäumen Büros und Loftwohnungen werden.

Die Verdrängung der Kunst- und Kreativszene bringt Berlin auch deshalb in ein Dilemma, weil es durch Gentrifizierung genau diejenigen verliert, die für die Attraktivität der Stadt bei Touristen und Neuberlinern verantwortlich sind. Nun also wahrscheinlich bald auch in den Schuckert-Höfen.

Kann man gegen Verdrängung und Gentrifizierung überhaupt etwas unternehmen, kann man die Künstler halten und ihre Ateliers retten? Erfahrungsgemäß leider kaum. Der Berliner Atelierbeauftragte Martin Schwegmann konstatiert einen „enormen Druck am Immobilienmarkt“. In einem von Schwegmann für den bbk verfassten „Weissbuch Atelierförderung“ von 2019 liegt das Durchschnittseinkommen der in Berliner arbeitenden Künstler bei 9.600 Euro im Jahr. So sind die bildenden Künstler in Berlin auf heruntersubventionierte Ate­liers dringend angewiesen. Nur gibt es davon längst nicht genug.

Das im Februar gegründete Bündnis „Kultur Räume Berlin“ will dem gegensteuern. Ob mit diesem vom Kultursenat initiierten Gremium von sechs Institutionen aus Politik, Kultur, Immobilienmanagement und Stadtentwicklung synergetische Effekte erzielt werden oder ob hier einfach noch mehr Bürokratie aufgebaut wird, wird sich erst noch zeigen müssen. Jedenfalls könne man dem Riesenproblem der Verdrängung von Künstlern nicht (allein) dadurch entgegenwirken, alle bestehenden „Löcher mit Geld zuzustopfen“. „Es zeigt sich ja zum Beispiel in der Coronakrise, dass die öffentlichen Kassen auch schnell wieder leer sein können“, meint Schwegmann.

Aber im Prinzip hält auch Schwegmann es für richtig, Künstlern subventionierte Ateliers anzubieten, wie das ja auch passiert. Die Krux ist nur, dass die durch eine bbk-Kommission vergebenen Ateliers maximal acht Jahre genutzt werden dürfen. Die Initiative Allianz bedrohter Berliner Atelierhäuser (AbBA), sagt dazu, das wäre so, als würde man dem Bewohner einer Sozialwohnung nach acht Jahren sagen, er dürfe von nun an unter einer Brücke schlafen.

Dem bbk zufolge gehen jedesJahr rund 350 bezahlbare Ateliers verloren

Um Verstetigung bei der Ateliernutzung zu ermöglichen, schlägt Schwegmann deshalb vor, Künstlerateliers durch Anteile bei Genossenschaften zu schaffen, die man auch öffentlich unterstützen könnte. Aber an bestehende Eigentumsstrukturen will auch Schwegmann nicht rühren. Über Enteignung „könne man nachdenken“, aber, so Schwegmann, es sei „wichtig, einen dritten Weg zwischen Staat und Markt zu finden, indem man Mischformen von gemeinwohlorientierten Konstruktiven mit Nutzungsfestschreibungen über Koopera­tionsverträge verbindet“.

Schwegmann setzt also als zeitgemäße Strategie mehr auf Kooperation oder Interessen­balance zwischen Privatwirtschaft, Nutzern und Staat. Das ist nett gedacht, aber die Verfügungsgewalt über Privateigentum (trotz grundgesetzlicher Verpflichtung zum Gemeinwohl) scheint bislang kaum einmal dazu geführt zu haben, dass die Eigentümer auf Profite verzichten wollten.

In Falle des Atelierhauses am Treptower Park kann auch Schwegmann für den Fall, dass eine Kündigung droht, nur dazu raten, laut zu schreien, um Öffentlichkeit zu erzeugen und bei den Eigentümern „ans Moralische zu appellieren“ – was bei der Immobilienwirtschaft allerdings selten verfängt.

Aber es gibt tatsächlich auch Ausnahmen. Der Immobilien­entwickler Artprojekt will bei seinem Umbau und Erweiterung eines alten Studentenwohnheims am Hafenplatz in Kreuzberg freiwillig 30 Künstlerateliers zu günstigen Konditionen einrichten. Gründer und Geschäftsführer Thomas Hölzel begründet das so: „Aus der persönlichen Sorge heraus, Kunst und Künst­le­r*in­nen irgendwann nur noch im Speckgürtel anzutreffen, sie ganz aus dem Stadtbild zu verlieren, haben wir uns bei Artprojekt dazu entschieden, in unseren zukünftigen Stadtprojekten eine feste Quote von drei Prozent für bezahlbare Ateliers unterschiedlicher Größe und Nutzungsmöglichkeiten zu schaffen.“

Großartig! Man kann nur hoffen, dass Hölzels Idee Schule macht und auf andere Investoren inspirierend wirkt. Eine behördliche Festlegung einer solchen 3-Prozent-Regelung – wie bei „Kunst am Bau“ – steht ja politisch leider nicht auf der Tagesordnung. Warum eigentlich nicht?

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