Wegfall öffentlicher Toiletten in Bremen: Ein Problem mehr für Obdachlose

Wegen der Pandemie stehen in Bremen weniger öffentliche Klos zur Verfügung. Vor allem Wohnungslose leiden darunter.

Ein Klocontainer an der Bremer Schlachte.

Ein Klocontainer für die Öffentlichkeit – aber nicht für alle: Der Eintritt kostet 50 Cent Foto: Lotta Drügemöller

BREMEN taz | Ein Mann in einer alten, viel zu großen Jacke läuft unruhig durchs Bremer Viertel. Er bettelt Passanten um Kleingeld für eine öffentliche Toilette an und fragt: „Wisst ihr, wo man hier umsonst pissen kann?“ Ein Passant schüttelt den Kopf. Der Mann fragt bei einem Gastrobetrieb nach und wird wieder weggeschickt. Während Corona darf man zwar Kuchen außer Haus verkaufen, aber Wohnungslose nicht aufs Klo lassen. Hygienemaßnahme, sorry! „Ich bin am Verzweifeln, ich finde im Viertel einfach keine Toi­lette“, sagt der Mann. Dann zieht er weiter. Er sucht jetzt einen ruhigen Platz am Osterdeich.

Während der Coronapandemie ist es für wohnungslose Menschen in Bremen bedeutend schwieriger geworden, einen Ort für ihr Geschäft zu finden. Das liegt daran, dass die öffentlichen Klos in Bremen über die bundesweite Aktion Nette Toilette organisiert sind. Dabei stellten rund 100 Betriebe im ganzen Stadtgebiet ihre Toiletten öffentlich und kostenlos zur Verfügung und erhalten dafür einen Zuschuss von der Stadt.

Während Corona fällt dieses Angebot aber weg. Das verschärft die Situation für die insgesamt 600 bis 700 Wohnungslosen in Bremen. „Wir brauchen im Bahnhofsumfeld und in der Innenstadt mehr Toiletten. Die Situation ist nicht befriedigend, auch weil die nette Toilette weggefallen ist“, sagt Katharina Kähler von der Wohnungslosenhilfe des Vereins für Innere Mission in Bremen.

Erste Ansätze gegen das Problem gibt es: Der Verein und andere Hilfsorganisationen stellen an Szenetreffs Toiletten für Wohnungslose zur Verfügung. Außerdem bieten die Kirche Unser Lieben Frauen und die Johannis-Oase sowie die Stadtbibliothek in Gröpelingen ihre Klos für Wohnungslose an. Es gibt noch einige weitere Angebote – doch die sind meist nur an einem Tag in der Woche und nur für wenige Stunden geöffnet.

Werner Kalle, Leiter der Johannis-Oase

„Die Obdachlosen stehen hier Schlange und wollen auf die Toilette“

Zu wenig für die gut 600 bis 700 Wohnungslosen in der Stadt. „Die Obdachlosen stehen hier Schlange und wollen auf die Toilette“, sagt der ehrenamtliche Leiter der Johannis-Oase, Werner Kalle. Die Situation sei schon vor Corona schlimm gewesen, aber seit der Pandemie habe sich die Lage nochmal verschärft, sagt er. „Die Menschen, die in der Innenstadt betteln, wissen seit Corona gar nicht mehr wohin.“

„Natürlich ist uns die Problematik bekannt“, sagt die Sprecherin der Bremer Stadtreinigung (dbs), Lena Endelmann. Die dbs hat deshalb mittlerweile einige öffentliche Toiletten in Bremen geschaffen, die auch von Wohnungslosen genutzt werden können. So gibt es auf dem Hanseatenhof in der Papenstraße seit Mitte Februar einen Sanitärcontainer, der von 9 bis 21 Uhr kostenlos nutzbar ist. Außerdem stehen seit Anfang März insgesamt zehn behindertengerechte Dixiklos in den verschiedenen Grünanlagen.

Nicht überall war die Öffnung auch von Dauer: Eine Sanitäranlage am Bahnhof, die die dbs im Januar wieder in Betrieb genommen hatte, ist mittlerweile schon wieder Geschichte: „Der Umgang mit der Toilettenanlage war so schlimm, dass wir dieses Angebot wieder schließen mussten“, sagt Endelmann. Katharina Kähler kennt das Problem: „So ein Angebot muss betreut sein“, sagt sie, „sonst sieht die Toilette nach einer Woche nicht mehr aus, wie am Öffnungstag.“

Für Sigrid Grönert, die sozialpolitischen Sprecherin der CDU-Fraktion, sind die Bemühungen der dbs trotzdem ein Fortschritt. Gerade die Klos in den Parks lobt sie: „Der Vorteil der Dixiklos ist, dass sie die ganze Zeit erreichbar sind. Nachts ist die Situation also sogar etwas besser als vor Corona.“ Grönert hofft, dass die Anlagen auch nach der Pandemie noch genutzt werden können und nicht alle wieder von der dbs abgebaut werden.

Sozialbehörde sieht „weiteren Bedarf“

Für die Situation zuständig sind dabei zwei Ressorts. Die Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnungsbau stellt die öffentliche Infrastruktur für alle Bür­ge­r*in­nen zur Verfügung und die Senatorin für Soziales versucht, Toilettenmöglichkeiten für wohnungslose Menschen in den vorhandenen Hilfestrukturen, wie beispielsweise in der Kirche Unser lieben Frauen, zu schaffen.

„In der jetzigen Situation sehen wir hier auf jeden Fall weiteren Bedarf“, sagt Bernd Schneider, der Sprecher der Senatorin für Soziales. „Geplant ist derzeit ein Duschbus. Bevor der Bus eingesetzt werden kann, müssen aber noch einige technische Fragen geklärt werden.“ Der Duschbus wird auch ein Klo haben und soll später die verschiedenen Stadtteile anfahren.

Für Werner Kalle genügen die bisherigen Bemühungen nicht: „Was wir derzeit haben, ist nicht ausreichend. Die Stadt muss noch mehr Toiletten und auch Trinkwasserstellen schaffen“, sagt er.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.