R2G eht das mit der Linken?

Nach der Wahl der neuen Linkspartei-Doppelspitze beginnen die Debatten über eine mögliche Regierung mit SPD und Grünen erst richtig
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ja

Bäckereien sind beliebt in der Linken. „Wir wollen nicht nur ein paar Brötchen, wir wollen die ganze Bäckerei“, heißt es oft. Das soll den radikalen Gestaltungsanspruch der Partei untermauern. In einigen Bundesländern betreibt sie bereits einen Backshop – jeweils im Verbund mit SPD und Grünen. Was man dort backt, kommt gut an – der Mietendeckel etwa oder kostenlose Kitas.

Aber kann so ein gemeinsamer Backshop auch im Bund funktionieren, wenn in der Auslage nicht nur eine Erhöhung von Hartz IV und ein kostenloser Nahverkehr, sondern der Abzug aller deutschen Soldaten von Auslandseinsätzen liegt?

Ja, er kann funktionieren. Es kommt darauf an, wie hoch der Preis ist. Im Moment treibt ein Teil der Linken den ziemlich hoch. Keine Blauhelmeinsätze mit deutscher Beteiligung, sofortige Auflösung der Nato, sonst geht gar nichts mit uns, so die Botschaft. Für Grüne und SPD kein ernst zu nehmendes Angebot.

Für die Linke wird es darauf ankommen, Einstiege zu formulieren, die geeignet sind, ihre außenpolitischen Grundsätze langfristig zu verwirklichen. Deren Grundrichtung ist ja vollkommen richtig, nämlich Konflikte gewaltfrei zu lösen. Erste Schritte, über die man sich auch mit Grünen und SPD verständigen kann, wären etwa, mehr Geld in die Entwicklungshilfe zu stecken und Abrüstung zu fördern.

Es gibt nach diesem Parteitag ein paar ermutigende Indizien, dass das gelingen kann. Zum einen haben sich jene Kräfte im Vorstand durchgesetzt, die Themen nicht gegeneinander stellen, sondern sie vor allem miteinander diskutieren wollen. Das gerade bei Linken ausgeprägte Freund-Feind-Denken rückt in den Hintergrund, stattdessen suchen sie das Verbindende.

Zum anderen tauchte die für die Linken wichtige Friedensfrage in vielen Bewerbungsreden nur am Rande auf. Wichtiger sind der neuen Generation der Kampf gegen den Klimawandel und für soziale Gerechtigkeit.

Bei beiden Themen gibt es mit SPD und Grünen viel größere Überschneidungen. Ob man hier ins Geschäft kommt, wird weniger von der Linken abhängen als von Grünen und SPD. Beide strahlen derzeit wenig Lust aus, gemeinsam mit der Linken Teig zu kneten. Die Grünen zieht es sogar offensichtlich Richtung Union. Als Entschuldigung für die enttäuschte Basis kann man ja dann immer noch auf die bornierte Linke verweisen. Das wäre sehr bequem. So einfach sollte es die Linke den Grünen dann nicht machen.

Anna Lehmann

nein

Beginnen wir mit dem Positiven. Die Linkspartei hat nun die erste weibliche Doppelspitze in der Bundesrepublik. Susanne Hennig-Wellsow und Janine Wissler sind (noch) nicht Teil des zähen Machtgerangels in der Bundespartei, in dem politische Konflikte und persönliche Abneigungen zu einem schwer entwirrbaren Knäuel verklebt sind.

Und: Die Realos treten nicht mehr so verdruckst auf. Früher haben sie oft jeden notdürftigen Formelkompromiss als Erfolg verkauft. Jetzt gibt es einen klaren, selbstbewussten Ton. Matthias Höhn wirbt dafür, auch mal Ja zu friedenserhaltenden Bundeswehr-Aus­lands­ein­sät­zen zu sagen und Menschenrechtsverletzungen auch in Russland und Kuba konsequent zu ächten.

Doch das ist, wie das Votum gegen Höhn zeigt, in der Partei nicht mehrheitsfähig. Wenn es darauf ankommt, scheuen die GenossInnen den Schritt ins Neue und stehen lieber weiter mit einer ebenso radikalen wie folgenlosen Militärkritik auf der anscheinend richtigen Seite. Warum Realpolitik riskieren, wenn die eigene Nische doch das komfortable Gefühl moralischer Überlegenheit garantiert?

Ob die Linkspartei damit bei Wahlen erfolgreich sein wird, ist zweifelhaft. Die Pandemie erzeugt eine diffuse, widersprüchliche Stimmung. Soziale Sicherheit und Gemeinwohl stehen höher im Kurs als vor Corona. Vielen leuchtet ein, dass die Privatisierung des Gesundheitssystems ein Irrtum war. Für die Linkspartei öffnen sich da Möglichkeiten. Doch gleichzeitig ist die Gesellschaft, wie oft in Krisen, verunsichert – und neigt dazu, das Bekannte, Bewährte, Konservative zu wählen. Die Botschaft, dass die Linkspartei selbst nicht weiß, ob sie regieren oder nur recht haben will, wirkt in dieser Stimmung noch ungünstiger als sonst.

Janine Wissler wärmte nach ihrer Wahl mit einer effektvollen Rede das Herz der GenossInnen. Wissler versteht es, auch harte politische Botschaften gewinnend zu formulieren – Linkstraditionalismus mit menschlichem Antlitz gewissermaßen. Wenig weitsichtig ist indes ihre Beton-Ansage, dass „Bundeswehreinsätze zu beenden und Rüstungsexporte zu stoppen nicht verhandelbar sein darf“. Nicht verhandelbar bedeutet eigentlich das Ende aller grün-rot-roten Gespräche, bevor sie begonnen haben. Selbst wenn man eine Mitte-links-Regierung skeptisch sieht, ist es unklug, diese Tür schon jetzt dreifach zu vernageln. Denn einfacher kann man den Grünen den Weg zur Union nicht machen.

Stefan Reinecke