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Das gefällt Australien nicht

Im Streit um Nutzungsgebühren hat Facebook in Australien die Verlinkung zu journalistischen Beiträgen und vorübergehend auch zu Regierungsseiten blockiert. Die Regierung reagiert entsetzt

Premier­minister Scott Morrison nannte die Maßnahmen des Internet­giganten Facebook „ebenso enttäuschend wie arrogant“ Foto: Lukas Coch/AAP/imago

Aus Sydney Urs Wälterlin

Böses Erwachen für 18 Millionen aus­tra­lische Facebook-Nutzerinnen und Nutzer am Donner­stagmorgen: Statt auf den Facebook-Seiten von Qualitätsmedien wie dem Sender ABC einen Link zu einem Artikel zu klicken, wurden sie von einer Mitteilung von Facebook begrüßt. Der Social-Media-Gigant habe den Zugang zu aus­tra­li­schen Nachrichten blockiert, so die Meldung. Diese können somit auch nicht mehr geteilt werden. Betroffen sind die Facebook-Seiten praktisch aller australischen Medienorganisationen und anderer Anbieter von Nachrichten. Selbst Seiten von Nichtregierungsorganisationen, Notdiensten und sogar das australische Wetteramt waren blank. Derweil teilte Facebook mit, dass die Sperrung von Seiten der Polizei, Feuerwehr und von Regierungsstellen ein Fehler gewesen sei, der korrigiert werde.

Der offenbar unangekündigte Schritt sorgte in Down Under für viel Aufruhr und Zorn. Das Thema beherrschte sämtliche Titelseiten der großen Zeitungen Australiens. The Age aus Melbourne etwa versuchte ihren Lesern so zu erklären, was über Nacht passiert war: „In den frühen Stunden des Donnerstagmorgens, kurz nachdem das Repräsentantenhaus den Gesetzentwurf gebilligt hatte, hat Facebook seine Nuklearoption genutzt: Nachrichtenlinks können nicht mehr geteilt werden und Verlage können nicht mehr auf ihren Facebook-Seiten posten.“

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch meinte, es sei „skrupellos“, einem ganzen Land über Nacht den Zugang zu „lebenswichtigen Informationen“ zu nehmen. Premierminister Scott Morrison schrieb auf Facebook von einem „arroganten und enttäuschenden“ Entscheid und wetterte, Facebook habe Australien „entfreundet“.

Mit der spektakulären Maßnahme reagiert das amerikanische Unternehmen auf ein geplantes Gesetz, wonach Facebook und Google australischen Medienhäusern eine Abgabe für Meldungsausschnitte bezahlen sollten, die Internetgiganten von deren Internetseiten abgreifen und verlinken. Ein Gesetzesvorschlag für einen entsprechenden Verhaltenskodex, der laut Finanzminister Josh Frydenberg „die Balance zwischen den Online-Giganten und traditionellen Medienhäusern wiederherstellen soll“, passierte am Mittwoch das Unterhaus und liegt nun im Senat.

Die Regierung begründet die Notwendigkeit für das Gesetz mit der Tatsache, dass in Australien rund 80 Prozent aller Werbeeinnahmen an die Internetunternehmen gingen, während traditionelle Medienhäuser unter einem Einkommensrückgang litten. Es seien aber diese Firmen, die den Inhalt produzierten, von dem Google und Facebook profitierten. Die Regierungen anderer Länder verfolgen die Entwicklung in Australien, um zu sehen, ob sie ähnliche Maßnahmen gegen immer dominanter werdende Internetunternehmen durchsetzen können.

Google und Facebook sprechen sich seit Monaten gegen das geplante Gesetz aus. Die Unternehmen argumentieren unter anderem, mit ihren Links zu Nachrichteninhalten würden sie den Medienfirmen einen Dienst erweisen, da Konsumenten damit zu deren Angeboten geführt würden. Medienorganisationen wie ABC, Nine Entertainment, Seven West Media und News Corp dagegen weisen auf den Verlust von Werbeeinnahmen hin. Die australische Regierung meint, mit dem Schritt das Überleben des Qualitätsjournalismus sichern zu wollen.

Der Konflikt war zeitweise so hitzig, dass Google drohte, in Australien die Suchfunktion zu sperren, die von 94 Prozent aller australischen Internetnutzer verwendet wird. Seit ein paar Tagen zeigt sich Google aber versöhnlicher. Im Vorfeld der erwarteten Verabschiedung des Gesetzes einigte sich der Konzern offenbar präventiv mit mehreren Medienunternehmen auf eine Bezahlung von Nachrichteninhalten. Einzelheiten über Umfang und Format der Abgaben wurden nicht bekannt gegeben.

Australiens Premier Scott Morrison wetterte, Facebook habe Australien „entfreundet“

„Alles, was ich von den Parteien gehört habe, jeweils aus den Medienhäusern und von den digitalen Plattformen, ist, dass es sich um großzügige Vereinbarungen handelt“, so Josh Frydenberg am Mittwoch. Berichten zufolge soll Nine Entertainment mit Google eine fünf Jahre geltende Absichtserklärung für eine jährliche Zahlung von rund 30 Millionen Dollar (19,3 Millionen Euro) unterzeichnet haben. Auch die vom Amerikaner Rupert Murdoch kontrollierte News Corp ist offenbar mit Google eine dreijährige Partnerschaft eingegangen. Die Firma werde für „vertrauenswürdigen Journalismus bedeutende Zahlungen“ von Google erhalten.

Dass Facebook mit dem Entscheid zur Blockierung von Inhalten den Konflikt sucht, hat in Australien viele Beobachter erstaunt. Josh Frydenberg hatte noch am Wochenende mit Face­book-Chef Mark Zuckerberg telefoniert und von einer versöhnlichen Unterhaltung gesprochen. Klar ist, dass der Entscheid schwerwiegende Folgen haben wird für die Qualität der Nachrichten in Australien. Die Gefahr der Verbreitung von Gerüchten und Fake News steige, warnte am Donnerstag Kommunikationsminister Paul Fletcher.

Während alle etablierten Medienunternehmen das vorgeschlagene Gesetz unterstützen, meldeten einige Kenner der Medienszene Kritik an. Der amerikanische Medienprofessor Jeff Jarvis meinte, das Gesetz sei ein „Eingriff des Staates in den Markt“. Es gehe primär um die finanzielle Sicherung des amerikanischen Medienzars Rupert Murdoch, der in Australien etwa 70 Prozent der australischen Druckmedien sowie einen Fernsehsender kontrolliert. Australien sei ein gefährlicher Präzedenzfall für die Welt, weil das Gesetz die Idee eines freien Internets unterwandere.

„Dass man für das Privileg, auf jemanden verlinken zu dürfen, bezahlen muss, widerspricht der Kernethik des Webs: dass die Ränder der Macht endlich über die Macht im Zentrum gewinnen.“ In den USA hätten die Menschen „dank der Verlinkung und dank sozialer Medien endlich von Black Lives Matter gehört und von anderen Problemen, die lange Zeit von den Massenmedien ausgeschlossen gewesen waren“. Der Akademiker spricht von Medien, die von „alten weißen Männern wie mir kontrolliert werden“. Das Internet fordere „die Vorherrschaft dieser alten Herren heraus“. (mit dpa)