Putsch in Myanmar: Rechnung ohne das Volk

Myanmars Generäle haben sich in ein Dilemma manövriert. Sie haben beim Coup unterschätzt wie breit der Widerstand der Bevölkerung werden würde.

Ein Soldat schauf auf einen Anti-Diktatur-Spruch auf seinem Panzer in Myanmar. Daruf steht: "Wir wollen keine Militärregierung"

Ausgetrickst: Ein Soldat entdeckt ein Protestschild auf seinem Panzer am 15. Februar in Yangon Foto: Stringer/rts

YANGON taz | Nur wenige Tage nachdem das Militär geputscht und Präsident Win Myint und die faktische Regierungschefin Aung San Suu Kyi festgesetzt hat, begannen junge Menschen in Myanmar gegen den Militärputsch zu protestieren, darunter auch viele Angehörige der ethnischen Minderheiten. Die protestierende Jugend nennt sich „Generation Z“ und fordert Beamte und Staatsangestellte auf, sich an der „Bewegung des Zivilen Ungehorsams“ (CDM) zu beteiligen.

Und tatsächlich: Zuerst schlossen sich Ärz­t:in­nen und Kran­ken­pfle­ge­r:in­nen CDM an. Inzwischen sind Mit­ar­bei­te­r:in­nen der Ministerien ebenso dabei wie die der Staatsmedien, des Transportwesens und der Elektrizitätswerke. Die Armee versuchte zunächst streikende Angestellten durch Militärangehörige zu ersetzen. Doch war das erfolglos, denn dafür nahmen einfach zu viele an der CDM-Bewegung teil.

Also begann die Militärregierung, Protestierende zu bedrohen und zu verhaften. Auch das half nicht. Inzwischen stellen sich viele Bür­ge­r:in­nen hinter die „Generation Z“ und fordern: „Weg mit der Diktatur, weg mit der Verfassung von 2008, her mit einem föderalen Bundesstaat“.

Festnahmen haben die Protestbewegung bisher nicht schwächen können

Das Bemerkenswerte: Obwohl junge Leute der „Generation Z“ die Protestbewegung anführen, haben sich bislang keine Organisationen oder Persönlichkeiten an die Spitze der Bewegung gesetzt. Das Militär kann deshalb keine An­füh­re­r:in­nen ins Gefängnis werfen und so die Bewegung schwächen.

Obwohl die Militärs Studentenführer:innen, hohe Funk­tio­nä­r:in­nen der bisherigen Regierungspartei NLD und einige bekannte Ak­ti­vis­t:in­nen einsperrten und Razzien in NLD-Büros durchführte, hat dies die Proteste nicht geschwächt, sondern in vielen Regionen sogar noch gestärkt.

Die Republik der Union Myanmar besteht aus 7 Staaten (ethnischer Minderheiten), 7 Regionen und der 2005 eingeweihten Hauptstadt Naypyidaw als Unionsterritorium.

Einwohner: 57 Millionen

Militär: 380.000 (geschätzt)

Bevölkerung: 135 Ethnien: Birmanen (68 Prozent), Shan (9), Karen (7), Rakhine (3,5), Chinesen (3), Inder (2)

Religion: Buddhisten (88 Prozent), Christen (6), Muslime (4)

Lebenserwartung: 69,6 Jahre

Alphabetisierung: 75,5 (rückläufig)

Pro-Kopf-BSP: 5.142 Dollar

Armutsrate: 25,6 Prozent

Exporte: China (36,5 Prozent), Thailand (21,8), Japan (6,6), Singapur (6,4), Indien (5,9): Gas, Holz, Fisch, Reis, Kleidung, Edelsteine

Importe: China (31,4 Prozent), Singapur (15), Thailand (11,1), Saudi-Arabien (7,5): Stoffe, Ölprodukte, Dünger, Maschinen, Fahrzeuge

Der Plan der Armee ist es, die Un­ter­stüt­ze­r:in­nen der NLD zu spalten und deren Führerin Aung San Suu Kyi aus der Politik zu drängen. Denn das Militär will die Politik des Landes wieder allein bestimmen – mithilfe der Verfassung von 2008, die ihm einen starken Einfluss sichert. Sie gibt dem Militär 25 Prozent der Sitze in beiden Kammern des Parlaments und die Hoheit über die drei Sicherheits-Ministerien Verteidigung, Inneres und Grenzkontrolle.

Putsch statt Rente

Um Staatspräsident zu werden, benötigt ein Kandidat laut Verfassung mehr als 50 Prozent der Stimmen der Abgeordneten. Die militärnahe Partei USPD hatte damit gerechnet, bei den Wahlen 26 Prozent der Sitze zu bekommen, was zusammen mit dem 25-prozentigen Anteil der Armee die Mehrheit bedeutet hätte, um den Staatschef stellen zu können.

Der Armeechef Min Aung Hlaing wollte Präsident werden und nicht im Juli mit 65 in Rente gehen. Doch die Wahlen machten ihm einen Strich durch die Rechnung. Deshalb putschte er. Doch gibt es innerhalb der Armee unterschiedliche Interessen. Die Verfassung sichert den Generälen beträchtliche Einnahmen, da die Firmen des Militärs die Rohstoffe des Landes kontrollieren.

Bald könnte es unter den Generälen Konflikte geben, wenn sie um ihre Geschäfte und die Sicherheit ihrer Familien fürchten müssen. Denn Sanktionen der internationalen Gemeinschaft könnten ihre Deals und Profite schmälern. Auch könnten ihre Kinder ihre Studienplätze im westlichen Ausland verlieren. Über die Korruption von Min Aung Hlaing und seiner Familie und ihr Geschäftsimperium dürften es heiße Debatten unter den Generälen geben.

Putschführer Min Aung Hlaing hat sich verrechnet und seinen Coup nicht gut geplant. Er hat die Macht der sozialen Medien unterschätzt, mit deren Hilfe die jungen Leute kommunizieren. Und er hat die Fähigkeiten der „Generation Z“ nicht einkalkuliert.

Wird das Militär die Proteste blutig niederschlagen? Oder vielleicht doch mit Aung San Suu Kyi und ihrer NLD verhandeln? Das dürfte auch davon abhängen, wie entschlossen und vereint die Bevölkerung weiterhin für echte Demokratie kämpft.

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