Straßenbahn-Ausbau in Bremen: Endstation Zukunft

120 Kilometer mehr Netz, eine Ringlinie und eine Verbindung bis Oyten: BUND und „Einfach Einsteigen“ liefern Ideen zu einem neuen Straßenbahnnetz.

Fotomontage: Straßenbahlinie 5 nach Findorff

Diese Fotomontage lässt die Herzen einiger Fin­dorf­fe­r*in­nen höher schlagen Foto: Einfach Einsteigen

BREMEN taz | In Bremen braucht man nur auf den Ausbau der Linien 1 und 8 nach Huchting, Weyhe und Stuhr zu schauen, um zu verstehen: Der Bau von neuen Straßenbahnen ist zäh. Denn die planerischen Herausforderungen sind riesig, die Kosten hoch, Interessen prallen aufeinander und nicht selten formiert sich Widerstand. Das Ergebnis: lange Verfahren. 2024 sollen die verlängerten Linien 1 und 8 endlich fahren – erstmals kamen die Pläne in den Neunzigern auf.

Trotzdem wollen der BUND und die Initiative „Einfach Einsteigen“ auf die Straßenbahn setzen – und liefern mit ihren neuesten Ideen jede Menge Stoff zum Träumen und Diskutieren. So ist in ihrem „Straßenbahnnetz der Zukunft“ die Ringlinie 9 eingezeichnet, die durch den Bürgerpark und über die Erdbeerbrücke führen soll. Die Linie 17 fährt zwischen Findorff und Harpstedt, auch nach Oyten, Niedervieland und zu den Stahlwerken könnte es künftig mit der Bahn gehen.

Das Diskussionspapier „Mehr Straßenbahn wagen!“, in dem die Ideen gesammelt sind, haben die Ver­tre­te­r*in­nen der beiden Organisationen am Donnerstag den Abgeordneten der Bürgerschaft und Verkehrssenatorin Maike Schaefer (Grüne) übergeben.

Das aktuelle Bremer Netz, so Mark Wege von Einfach Einsteigen und Dieter Mazur vom BUND, habe viele Probleme: Alle Bahnen führten durch die Innenstadt. Für viele Fahrgäste ein Umweg, und bei Demos oder Unfällen stehe so das ganze Netz still, sagt Wege. Außerdem seien viele Stadtteile nicht miteinander verbunden oder gänzlich unerschlossen wie Findorff und Woltmershausen. Das Gleiche gelte fürs Umland – ein Problem für Pend­le­r*in­nen.

Der BUND will mehr Planer im Verkehrsressort

Mit den Plänen der Ak­ti­vis­t*in­nen ließen sich einige Stadtteile richtig aufmotzen, sagt Falk Wagner, SPD-Fraktionssprecher für Stadtentwicklung. Wenn die Anbindung von Gröpelingen an die Uni beispielsweise verbessert werden würde, könnte man Studi-Wohnheime künftig auch dort bauen. Gröpelingen könnte so „ein ganz anderer Stadtteil“ werden, so Wagner.

„Es ist wichtig, dass wir die Linien ausbauen“, findet auch Senatorin Schaefer. Mit der 1 und 8 sei man auch schon dabei; auch die sogenannte Querspange Ost, also die Verbindung der Vahr über die Steuben- und Stresemannstraße mit Hastedt, und eine Verbindung in die Überseestadt seien geplant. „An diesen Projekten sieht man, wie lange es dauert“, sagt Schaefer. Einige Ideen wie die Linien ins Umland seien daher „Zukunftsmusik“.

Eine Forderung von BUND und Einfach Einsteigen ist: mehr Stellen im Verkehrsressort. ­Schaefer sagt, dass ihre Behörde für den nächsten Haushalt bereits mehr Personal für den Verkehrsbereich angemeldet habe. Denn selbst wenn das Geld für die Vorhaben da sei: „Wir brauchen dringend Planer.“

Auch Heiko Strohmann befürwortet die Ideen und sieht zugleich das Problem beim langsamen Tempo in der Umsetzung, auch schon bei den laufenden Projekten. Der Grund dafür sei, so der CDU-Sprecher für Mobilität, „dass wir in der Verwaltung und teilweise auch in den Regierungskoalitionen Leute sitzen haben, die für jede Lösung ein Problem haben“. „Es lag nicht an der Unfähigkeit der Behörde, dass in Huchting keine Straßenbahn fährt, sondern an Widerständen vor Ort“, entgegnet Gunnar Polzin, Leiter der Abteilung Verkehr in Schaefers Ressort.

In Bremen läuft aktuell noch die Fortschreibung des Verkehrsentwicklungsplans. Wege und Mazur gehen die Debatten dabei aber nicht weit genug: Denn außer der Linie in die Überseestadt seien bislang keine weiteren aufgenommen worden. „Aus unserer Sicht dürfte eine Fortschreibung nicht verabschiedet werden, ohne deutlich mehr auf Straßenbahn zu setzen“, sagt Wege.

Straßenbahnen lohnen sich nicht immer

Doch die Stadt setzt stattdessen auf Busse. Wenn nicht mehr als 8.000 Leute pro Tag auf einer Strecke unterwegs sind, lohne sich die Bahn schlichtweg nicht, sagt Polzin. Auch seien Busse sehr viel schneller einsetzbar und damit geeigneter, um bei der Verkehrswende voranzukommen.

Der Vorteil an Straßenbahnen sei aber, so Wege, dass sie ruhiger und somit sicherer für ältere Menschen, Kinder und Menschen mit Behinderung fahren. Zudem könnten sie mehr Menschen befördern, seien pünktlicher und schneller. Der öffentlichen Kritik und den Klagen müsse man mit einer verbesserten Kommunikation begegnen. „Es ist ein Unterschied, ob es Pläne für eine Linie vor meiner Haustür gibt“, sagt Wege, „oder ob es eine Vision für ein Gesamtnetz gibt, sodass ich weiß, ich profitiere davon.“ Und wer viele Projekte parallel plane, sagt Mazur, könne auch mal Klagen aushalten.

Für Ralph Saxe, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, ist es völlig unstrittig, dass mehr Geld in den ÖPNV fließen muss. Am relevantesten sind für Saxe Anbindungen nach Osterholz und in die Überseestadt – und auch, dass die Qualität und Taktung des bestehenden Angebots steigt. Doch er warnt davor, die Diskussion rund um Parken, Fuß- und Radwege bei all den Plänen zu vergessen. Wenn man nur den ÖPNV fördere, mache man „verkehrspolitisch konzeptionell einen Fehler“.

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