„Als Schauspielerin ist man ja auf die Mit­spie­le­r*in­nen angewiesen“

Die Karriere der jungen Hamburger Schauspielerin Hannah Rebekka Ehlers kam Anfang 2020 gerade in Fahrt. Mit der taz sprach sie über ihr Jahr mit Corona

Rumsitzen, immerhin für einen Film: Theresa Horeis (l.) und Hannah Rebekka Ehlers in „Weniger ist Nichts“ Foto: Filmstill: Benjamin Beck

Interview Wilfried Hippen

taz: Frau Ehlers, was haben Sie vor genau einem Jahr über Corona gedacht?

Hannah Ehlers: In der Woche hatte ich Theatervorstellungen im Hamburger St. Pauli Theater und in Lüneburg. Wir sahen das damals nicht so dramatisch. Im Theater steckt man sich ja schnell gegenseitig an. Aber für uns war das Ende Februar etwas, was vor allem China betraf. Wir haben noch Witze gemacht, weil in einem der Stücke ein Chinese auftrat.

Sie hatten damals gerade Ihre erste Rolle in einer größeren TV-Produktion, dem Mehrteiler „Das Geheimnis des Totenwaldes“ gespielt. Wie waren zu der Zeit Ihre Karriereaussichten?

2016 hatte ich die Schauspielausbildung abgeschlossen und seit Mitte 2019 konnte ich zum ersten Mal von meinem Verdienst als Schauspielerin leben. Das St. Pauli Theater war mein Heimort, an dem ich regelmäßig auftreten konnte, und es gab so viel zu tun, dass ich mich bei einigen Vorstellungen sogar vertreten lassen musste. Ich hatte mich bei etwa 20 Castings beworben, es gab Angebote für Film, Theater und Werbung. Ich dachte, so würde es auch weitergehen.

Welche Konsequenzen hatte dann die Coronakrise für Sie?

Ich habe ein Jahr lang als Schauspielerin kein Geld verdient. Im St. Pauli war ein neues Stück mit mir geplant und ich ging fest davon aus, dass ich da im Herbst drei Monate lang beschäftigt sein würde. Im ersten Lockdown hat noch niemand an den kommenden Herbst gedacht. Jetzt ist die Produktion auf Herbst 2021 verschoben.

Wie sah es mit Angeboten von Film- und Fernsehproduktionen aus?

Da gab es im Frühjahr zwei Anfragen, bei denen klar war, dass die mich haben wollten. Eine davon war für ein Kinoprojekt, aber ich habe dann nichts mehr davon gehört.

Für eine Schauspielerin am Anfang ihrer Karriere ist ein Jahr viel entscheidender als bei bekannteren. Was haben Sie in diesem Jahr verpasst?

Ich glaubte, ich hätte künstlerisch gerade einen neuen Stand erreicht, und dass diese Entwicklung abgeschnitten wurde, trifft mich am härtesten. Als Schauspielerin ist man ja auf die Mit­spie­le­r*in­nen angewiesen. Man ist davon abhängig, was man mit den anderen tut, und das ist gerade unmöglich.

Wie haben Sie sich über Wasser gehalten?

Ich hatte schon während meiner Ausbildung in einem Café gearbeitet und für den Übergang habe ich damit wieder angefangen. Aber seit November ist das auch weg.

Haben Sie auch nach Alternativen gesucht, um weiter in Ihrem Metier arbeiten zu können?

Ich habe mich zum ersten Mal auf die Sprecherszene konzentriert. Da gibt es ja viele Jobmöglichkeiten wie Hörspiele und Hörbücher, Synchronisation, Voiceover bei Dokumentationen oder Werbung. Ich hatte dann auch Kontakte zu einer bekannten Werbeagentur, aber denen geht es zurzeit auch nicht besonders gut. Ich konnte damit also auch noch kein Geld verdienen.

Hannah Rebekka Ehlers, 27, hat 2016 ihre Ausbildung an der Hamburger Schule für Schauspiel abgeschlossen und war seitdem unter anderem im Kinofilm „Goliath96“ sowie in den NDR-Produktionen „Großstadtrevier“ und „Das Geheimnis des Totenwaldes“ zu sehen.

In Ihrer Filmografie steht, dass Sie im Sommer 2020 die Hauptrolle im Pilotfilm für eine Webserie gespielt haben. Gab es da kein Geld?

Nein, wir haben alle für Rückstellungen gearbeitet. Erst, wenn es einmal einen Gewinn gibt, werden wir bezahlt. Die Serie wurde für das Internet produziert und ist dann wohl auch im Lockdown verschwunden.

Was war das für eine Erfahrung?

Wir waren ein kleines Team und haben viel draußen gedreht. Im Sommer war eine Zeit lang alles unbeschwert und wir haben auch hinter der Kamera keine Masken getragen.

Gab es denn für Sie keine staatlichen finanziellen Zuwendungen?

Ich habe einen Antrag gestellt. Der wurde aber abgelehnt, weil ich nicht selbstständig genug bin. Mein Haupterwerb war die Arbeit als befristete Angestellte beim St. Pauli Theater. Ich gehöre da zu einer großen Anzahl von Künstler*innen, die mal selbstständig und mal beschäftigt arbeiten und zwischen den Stühlen hängen, weil sie nicht ins System passen.

Aber haben Sie dann nur von dem Job als Bedienung im Café gelebt?

Ab März habe ich Arbeitslosengeld II bekommen, weil ich nur so krankenversichert war und sonst die Miete nicht hätte bezahlen können. Das wurde dann auch relativ unbürokratisch zugänglich gemacht. Doch das änderte sich, als im zweiten Lockdown auch das Café geschlossen wurde.

Wurde Ihre Situation dadurch dann noch schwieriger?

Seit Januar bin ich nun zum ersten Mal beim Jobcenter als arbeitslos gemeldet. Und wer mit seiner Arbeit kein Geld verdienen kann, gilt da als ungelernte Arbeitskraft. Da waren die Vermittlungsoptionen dann an der Kasse sitzen, putzen, Callcenter und solche Sachen.

„Seit Januar bin ich zum ersten Mal beim Jobcenter als Arbeitslos gemeldet“

Haben Sie sich unter diesen Bedingungen schon beworben?

Das Jobcenter fängt ja gerade alle Freiberufler und ist daran interessiert, möglichst viele dieser „Kunden“ weiterzuvermitteln. Ich hatte bisher Glück und bin in eine andere Zuständigkeit für Selbstständige gewandert. Aber auch die sagen dann: „Ein wenig müssen Sie verdienen.“ Und so habe ich gerade ein Bewerbungsgespräch für einen Job gehabt, bei dem ich am Bahnhof Sushi verkaufen würde.

Dann ist Ihre künstlerische Arbeit zurzeit völlig unmöglich geworden?

Nein, denn ich habe ja diesen Drang, kreativ zu arbeiten. Deshalb habe ich mit Theresa Horeis, einer befreundeten Kollegin, und ihrem Partner einen Kurzfilm entwickelt. Er steht dabei hinter der Kamera und wir haben, ganz korrekt in einem Haushalt mit einer zusätzlichen Person, das Drehbuch entwickelt und auch schon zwei Tage lang gedreht. Das ist spannend, denn um die Technik hatte ich mich beim Film bisher noch nicht gekümmert. Das wäre ohne Corona wohl nie passiert.

Wie würden Sie Ihren Gemütszustand beschreiben?

Am Sonntagabend wollte ich in der Küche etwas backen, aber dafür gab es zu wenig Zutaten. Ich hab dann genommen, was da war und mir ist doch ein Honiggewürzkuchen gelungen. Und den kann man essen. So fühle ich mich gerade. Es gibt nichts, aber gucken wir mal, was damit noch geht.