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Die packen das

Kaffeebohnen kommen normalerweise in groben Säcken als Rohware in Europas Häfen an. Die Genossen vom Red Ecolsierra aus Kolumbien machen es anders – und das lohnt sich

Von Knut Henkel

Noch stehen sie still: Neben der Röstmaschine das Mahlwerk, das im zweiten Schritt die Bohnen zu feinem Kaffeemehl verarbeitet. Yuranis Guerrero hat mit ihrem Team heute alle Hände voll zu tun. „In den nächsten Tagen geht ein Container mit Kaffee nach Deutschland. Da soll auch eine Partie fertig verpackter gerösteter und gemahlener Kaffee dabei sein“, erklärt die junge Frau und rückt sich Haube und Mundschutz zurück. Dann geht sie zur Röstmaschine, kontrolliert Röstdauer und Temperatur und wirft anschließend einen Blick zu Carlos Aévalo hinüber. Der steht am Tresen und wiegt Kaffeeproben für Kunden in den USA und Europa aus und füllt sie in kleine Beutel ab.

Es ist Anfang Februar. Die Kaffeeernte in der Sierra Nevada de Santa Marta, dem höchsten Küstengebirge Kolumbiens, neigt sich dem Ende entgegen. Täglich kommen Säcke mit frisch geernteten und in der Sonne getrockneten Bohnen aus Dörfern wie Palmor und landen in der geräumigen Lagerhalle vom Red Ecolsierra in Santa Marta. Die Hafenstadt an der Karibikküste Kolumbiens dient dem „Netz der ökologischen Produzenten der Sierra Nevada de Santa Marta“ als Logistik-Drehscheibe. Von hier gehen die zertifizierte Bio-Bohnen ungeröstet in groben Säcken per Container in die Welt oder in kleinen 250 Gramm Beutel verpackt, geröstet und gemahlen auf die Reise zum Endverbraucher in Deutschland.

Die Idee ist revolutionär für den Kaffeemarkt. „Sie schafft Arbeitsplätze im Produktionsland und sorgt dafür, dass ein größerer Teil der Wertschöpfung bei den Produzenten bleibt“, erklärt Víctor Enrique Cordero. Der Kaffeespezialist ist Geschäftsführer der rund 350 Mitglieder starken Genossenschaft Red Ecolsierra und ständig auf der Suche nach neuen ökonomischen Standbeinen und Optimierungsoptionen bei Anbau, Verarbeitung und Vermarktung. Die eigene Kaffeemarke „Café Tima“ gehört seit ein paar Jahren dazu. Der in Beige und Dunkelrot gehaltene Beutel mit dem bunten, auf einem Ast sitzenden Vogel aus der Sierra Nevada, dem Loge der Genossen, macht einen professionellen Eindruck.

Auf den Beuteln, die dafür sorgen, dass die Röstmaschine in der Lagerhalle vom Red Ecolsierra regelmäßig im Einsatz ist, prangt der Schriftzug „Zertifizierter Bio-Kaffee“. „Wir beliefern Hotels, Restaurants, Cafés und ein paar Endkunden und haben dafür in professionelles Equipment, Schulung und Design investiert“, so der 46-Jährige. Nebenbei bewirtschaftet er mit seiner Familie eine eigene Kaffeefarm und berät noch andere Genossenschaften, wie sie sich künftig besser aufstellen können.

Das trägt Früchte, wie nicht nur das Röstprojekt mit El Puente aus dem niedersächsischen Nordstemmen zeigt. Der deutsche Fair-Trade-Pionier importiert mehr als 60 Tonnen Kaffee im Jahr aus Kolumbien – das Gros vom Red Ecolsierra. Das war ein Grund, weshalb El Puente Interesse zeigte, als Víctor Cordero 2018 seinen Vorschlag auf den Tisch legte, Bohnen vor Ort in Santa Marta zu rösten, zu mahlen und verpackt nach Deutschland zu liefern. Der andere ist der Tatsache geschuldete, dass El Puente sich nicht nur als Handelsunternehmen sieht.

„Wir wollen den globalen Handel gerechter machen und deshalb ist es folgerichtig, mehr Wertschöpfung in den Produktionsländern zu lassen“, sagt Felix Gies, Einkaufs- und Produktmanager von El Puente. Im Frühjahr 2019 war er in Santa Marta vor Ort, hat dort Verpackungsmaterialien in Augenschein genommen, potenzielle Liefertermine abgestimmt und auch Röstdetails für die beiden Kaffeesorten Clara und Canela mit den Partner vom Red Ecol­sierra festgelegt. „Clara ist sehr hell geröstet, Canela eher kräftigt“, so Gies, der seit drei Jahren bei El Puente im Einsatz ist. International Business mit dem Schwerpunkt Nachhaltigkeit hat er in Hamburg studiert und sich auch schon erfolgreich dafür engagiert, in Kolumbien produzierte Pralinen ins El-Puente-Sortiment aufzunehmen.

In professionelles Equipment, Schulung und Design investiert

Das ist recht ungewöhnlich, denn normalerweise gelangen Kaffee- und auch Kakaobohnen als Rohware über Häfen wie Hamburg nach Deutschland und werden hier erst weiterverarbeitet. Die Kompetenz dafür haben sich aber etliche Genossenschaften in Kolumbien, Bolivien und anderswo längst aufgebaut und das Beispiel von Clara und Canela könnte in der Branche für Bewegung sorgen. Das würde Kaffeeexperten Cordero gefallen, und ein Blick auf die harten Zahlen verdeutlicht, wie viel größer das Stück Kuchen ist, das El Puente nach Santa Marta überweist. Von jeder zum Preis von 5,90 Euro in Deutschland verkauften Packung Clara oder Candela gehen 3,39 Euro direkt an die Genossen vom Red Ecolsierra nach Kolumbien. Bei der gleichen Menge in Deutschland gerösteter und verpackter Bohnen, die von El Puente allerdings zum Preis von 4,90 Euro angeboten werden, sind es nur 1,24 Euro.

„Der Effekt der direkten Verarbeitung in den Produktionsländern übersteigt den von Bio- oder Fair-Trade-Zuschlägen deutlich“, so Gies. „Das hat Beispielcharakter.“ Entscheidend für den Erfolg ist dabei jedoch, ob die Endkunden mit ihrem Kaffee zufrieden sind. Qualität und Frische sind laut Gies die beiden zentralen Parameter. Mit denen scheinen die Endkunden zufrieden, auch wenn längst noch nicht alle der 14.000 gelieferten Päckchen aus Kolumbien verkauft sind. Das hat auch mit dem Zeitpunkt der Markteinführung zu tun. Die erfolgte Anfang April, mitten im ersten Lockdown. „Sicherlich kein optimaler Zeitpunkt“, so der 30-jährige Produktmanager über den eher holprigen Start des transatlantischen Röstprojekts.

Immerhin 3,5 Tonnen Kaffeebohnen sind so im Ursprungsland verarbeitet worden – knapp unter 10 Prozent der vom Red Ecolsierra an El Puente exportierte Gesamtmenge Kaffee. Mehr als ein Achtungserfolg. Vor Ort ist in den Kaffeedörfern wie Palmor für etwas mehr finanzielle Sicherheit mitten in der Pandemie gesorgt. Ein Effekt, den Víctor Cordero genau so vor Augen hatte. Ob nun auch andere seiner langjährigen Kunden aus Deutschland, Belgien, Kanada oder Australien in das erfolgreiche Pilotprojekt einsteigen, bleibt zu erwarten. Für die Kaffeeproduzenten würde das Stück vom Kuchen damit noch etwas größer.

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