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„Es gibt noch neue Filme, die wir verleihen können“

Die Kurzfilmagentur Hamburg verleiht und vertreibt Kurzfilme. Außerdemorganisiert sie das Kurzfilmfestival in der Stadt. Die Geschäftsführerin Alexandra Gramatke erzählt von ihren Erfahrungen nach einem Jahr mit Corona

Interview Wilfried Hippen

taz: Frau Gramatke, vor genau einem Jahr hat sich die deutsche Filmbranche auf der Berlinale getroffen, und da schien die Welt noch in Ordnung. Wie wurde da von ­Corona gesprochen?

Alexandra Gramatke: Die Berlinale war für mich dann auch das letzte Festival, das ich live besucht habe. Corona war zwar ein Gesprächsthema, aber wurde von vielen nicht so richtig ernst genommen. Da wurde viel herumgealbert und behauptet, die Krankheit sei nicht schlimmer als die Grippe.

Aber dann ging es ja sehr schnell und ab März waren die Kinos zu. Wie hat das die Kurzfilmagentur getroffen?

Der erste Lockdown wurde für uns vor allem deswegen problematisch, weil wir ja auch ein Verleih sind. Viele Kinos in Deutschland buchen bei uns Kurzfilme als Vorfilme oder abendfüllende Programme. Die haben dann bei uns keine Filme mehr bestellt und da sind dann auch für uns die Einnahmen weggebrochen.

War das existenzgefährdend?

Wir hatten das Glück, dass wir von der Hamburger Kulturbehörde eine einmalige Unterstützung bekommen haben. Das ging relativ unkompliziert, weil wir ja sowieso eine von der Kulturbehörde geförderte Einrichtung sind.

Und wie hat die Agentur auf die veränderten Verhältnisse reagiert?

Wir haben während des ersten Lockdowns den Kinos angeboten, einen Online-Screeningroom einzurichten und dann dort Kurzfilme zu zeigen. Und wir haben überlegt, was man nach dem Lockdown machen könnte, um die Leute wieder in die Kinos zu locken. Da gab es dann die Initiative „Kurz zurück ins Kino“ aus Bremen. Dafür haben Kinos gleich an den ersten Tagen nach der Öffnung kleine Kurzfilmprogramme angeboten, die etwa eine halbe Stunde lang dauerten und in einer Schleife wiederholt wurden.

Wurde es dann übers Jahr langsam ­besser?

Es ging dann, weil viele Kinos ja bei uns ein Abo haben. Das heißt, sie zahlen eine Pauschale, und welche Filme sie dann wann und wo zeigen, entscheiden sie selber. Wir haben aber einigen von ihnen ein Drittel zurückerstattet, weil ja drei Monate lang kein Film gezeigt werden konnte.

Wie viele Mit­ar­bei­te­r*in­ nen sind bei der Kurzfilmagentur beschäftigt und bekommen sie jetzt weiter ihr Gehalt?

Wir haben 13 Mitarbeiter*innen, die aber nicht alle in Vollzeit arbeiten. Kurzarbeit haben wir nicht gemacht, weil dann das Einkommen meistens unter die Existenzgrundlage gesunken wäre. Und wir hatten ja auch viel zu tun. Wir mussten viel umorganisieren und uns neue Konzepte überlegen.

Alexandra Gramatke

58, hat in Hamburg Literaturwissenschaften studiert, selbst Dokumentarfilme gedreht und ist seit 2008 Geschäftsführerin der Kurzfilmagentur Hamburg.

Es wurden im Jahr 2020 auch viel weniger Filme produziert. War das nicht auch ein Problem für den Verleih?

Es gibt immer noch neue Filme, die wir verleihen können. Es wurde produziert, so etwa an den Filmhochschulen. Und die Festivals, auf denen neue Filme vorgestellt wurden, fanden ja online statt, und da haben wir dann auch viele neue Kurzfilme gefunden. Es ist eben einfacher, statt eines langen Films eine Kurzfilm zu machen.

Die Kurzfilmagentur ist nicht nur ein Verleih, sondern auch ein Vertrieb. Was ist der Unterschied?

Als Vertrieb verkaufen wir Lizenzen von Kurzfilmen an das Fernsehen oder an Internetanbieter. Da könnte man ja denken, dass das mit Corona nichts zu tun hat, und eigentlich sogar noch besser laufen sollte, weil alle zu Hause sitzen und schauen. Aber zu Anfang lief es schlechter. Da hatten wir den Eindruck, es würde eine Art von Schockstarre herrschen. Doch dann hat es sich wieder eingependelt und es läuft jetzt so gut wie früher, aber nicht besser. Auch bei den Internetportalen gab es für Kurzfilme keinen großen Boom.

Sie organisieren in Hamburg ja auch das Kurzfilmfestival, bei dem sonst in vielen Kinos der Stadt bis zu 300 Filme gezeigt werden. Wie kommt es, dass das gleich zweimal ausgefallen ist?

Der reguläre Termin wäre Anfang Juni gewesen. Und wir haben schon im Frühjahr beschlossen, dass wir kein Onlinefestival machen wollten. Denn unser Festival hat so viel mit echten Begegnungen, Gesprächen und Diskussionen zu tun, dass wir darauf nicht verzichten wollten. Wir haben es dann stark verkleinert, sodass es unter den Hygienebestimmungen für ein kleines Pub­likum auch hätte stattfinden können. Das hieß dann auch nicht mehr Festival, sondern „Film In“ und sollte an einem verlängerten Wochenende im November stattfinden. Wir wollten an mehreren Tagen im Metropolis-Kino die Filme unsere Wettbewerbe zeigen.

Warum aber nicht im Sommer? Zum ursprünglichen Termin hätte es ja laufen können.

Wir haben es verschoben, weil wir dachten, der Termin wäre zu kurzfristig nach dem ersten Lockdown. Wir sind damals von völlig falschen Voraussetzungen ausgegangen. Dabei haben wir uns total verrechnet, denn wir wussten ja noch nicht, dass es im Herbst noch viel schlimmer kommen würde. Und so kam dummerweise drei Tage vor dem Termin der zweite Lockdown. Das war ein harter Schlag.

Warum haben Sie dann doch einen kleinen Teil des Programms online gezeigt?

„Wir haben das Kurzfilmfestival verschoben. Dabei haben wir uns total verrechnet, denn wir wussten ja nicht, dass es im Herbst noch viel schlimmer kommen würde“

Das war der „Flotte Dreier“. Dafür werden zu einem vorgegebenen Thema Filme eingereicht, die nicht länger als drei Minuten lang sein dürfen. Das ist ein sehr beliebter Wettbewerb und schien uns geeignet dafür, auch weil wir so auch den Publikumswettbewerb veranstalten konnten. Wir haben das Programm im Dezember online gezeigt. Und hatten mehr Zu­schaue­r*in­nen, als es in den ausverkauften Kinos gegeben hätte.

Im Januar haben Sie dann auch das „Mo & Friese“-Kinderkurzfilmfestival online veranstaltet. Was waren die Gründe dafür?

Da war ja auch schon das ganze Programm fertig und es wäre ein Jammer, wenn die Filme nicht gezeigt worden wären. Vor allem haben wir aber festgestellt, dass gute Onlineangebote für Kinder viel seltener sind als für Erwachsene. Da haben wir dann ein Begleitprogramm organisiert mit Interviews mit den Filmemacher*innen, mit Spielen, Aufgaben und Bastelpaketen, die wir verschickt haben. Viele Schulen haben das dann gebucht und wir hatten 2050 junge Zuschauer*innen.

Wie sind denn jetzt die Vorbereitungen für das Kurzfilmfestival 2021?

Wir planen jetzt von Anfang an zweigleisig. Wir hoffen, dass wir unter den Hygieneauflagen so viel wie möglich real stattfinden lassen können. Wir haben ja das Festivalzentrum in der Post am Kaltenkircher Platz und da gibt es riesige Hallen, die man ganz gut als Kinosäle einrichten kann. Und wir organisieren viele Open-Air-Veranstaltungen, weil wir davon ausgehen, dass das eher möglich sein wird. Aber wenn es denn so sein muss, werden wir auch Programme online zeigen.

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