: Muschel macht klar Schiff
Wie die gefährdete Bachmuschel Flüssen und Bächen guttut
Die Bachmuscheln der Windach gehören zu den eher unscheinbaren Tieren. Das ist auch gut so. Bachmuscheln (Unio crassus) sind fast ausgestorben und überleben in naturnahen Flüssen, Bächen und sogar in dem einst von Menschen gebauten Mühlbach in der Gemeinde Windach. Zur großen Überraschung fand das Wasserwirtschaftsamt Weilheim die seltenen Tiere in dem Kanal, der seit Mitte des 19. Jahrhunderts Wasser zur Mühle führte. Da Bachmuscheln gesetzlich streng geschützt sind, setzten die Wasserwirtschaftler 306 Bachmuscheln 2016 in die wieder frei fließende Windach um. 136 Bachmuscheln haben Biologinnen dort im Sommer 2020 noch gefunden.
Die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie schützt die letzten Bachmuschel-Bestände ebenso wie die wenigen Flussperlmuscheln (Margaritifera margaritifera) in den Bächen Bayerns. „Flussperlmuscheln können sich nicht mehr selbst reproduzieren“, sagt Andreas Dobler von der Koordinationsstelle Muschelschutz an der TU München. „Die Muscheln sind zu alt.“ Flussperlmuscheln bringen es auf ein Lebensalter von bis zu 100 Jahren. Das Umweltministerium Bayern finanziert zwei Zuchtstationen, in denen Flussperlmuscheln in Aquarien mit ihrem Wirtsfisch Bachforelle aufwachsen und dann ausgewildert werden.
Die wenigen Tausend Bachmuscheln können sich bislang noch allein vermehren – wenn alle Umstände stimmen. Auch sie brauchen Wirtsfische, sind jedoch nicht auf Bachforellen spezialisiert, sondern nehmen auch Mühlkoppe, Aitel oder Elritze. Als grade mal 0,2 Millimeter große Larven nisten sie sich in den ständig durchspülten Kiemen der Fische ein und entwickeln sich dort zur winzigen Muschel. Die Bachmuschelchen sinken zu Boden und fallen in natürlichen Flüssen in lockeren Kies. Geschützt und gut umspült wachsen sie im Kiesbett heran, bevor sie sich mit drei Jahren vom Fluss treiben lassen. Schon von Natur aus ist das eine gefährliche Jugend, denn in einem Fluss kann viel dazwischen strömen. Richtig gefährlich sind jedoch die Bau- und Wühlarbeiten des Menschen. Bagger holen Kies aus den Flüssen, begradigen Flussbetten, stauen Wasser an Wehren. Zudem schwemmt Regen feinen Sand von Äckern und Baustellen in die Flüsse, der sich auf dem Flusskies absetzt und die jungen Muscheln erstickt.
Dabei können Bachmuscheln helfen, Flüsse zu reinigen. Wie eine winzige Kläranlage filtern sie Schwebteilchen und damit auch chemische Anhaftungen aus dem Wasser. Bachmuscheln schaffen also die Lebensbedingungen, in denen ihre Wirtsfische gedeihen.
Ulrike Fokken
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen