Schärferer Lockdown gegen Corona geplant

Merkel und LänderchefInnen diskutieren Verlängerung bis Ende Januar. Bei hohen Infektionszahlen könnte der Bewegungsradius eingeschränkt werden

Kontakte sollen auf „das absolut notwendige Minimum beschränkt“ werden, lautet die Bitte an alle

Von Malte Kreutzfeldt
und Ulrich Schulte

Wegen der hohen Corona-Infektionszahlen steht Deutschland vor einer Verlängerung des Lockdowns bis Ende Januar und weiteren Verschärfungen zur Reduzierung der Kontakte. In einem am Dienstag vom Bundeskanzleramt an die Länder geschickten Beschlussentwurf zur Bund-Länder-Runde am Nachmittag mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wurde die Fortsetzung des Lockdowns bis zum 31. Januar vorgeschlagen.

Zudem wurde in dem Papier, das der taz vorliegt, die Möglichkeit ins Gespräch gebracht, bei einer hohen Infektionsrate Bewegungen der Menschen deutlich einzuschränken. Zur Diskussion stand eine Formulierung, den Bewegungsradius auf 15 Kilometer um den Wohnort zu begrenzen – Reisen, Ausflüge oder Einkäufe jenseits dieses Gebiets wären dann verboten. Ob die Bund-Länder-Runde dem Vorschlag folgte, war bei Redaktionsschluss noch offen.

Die bestehenden Kontaktbeschränkungen sollten laut dem Entwurf drastisch verschärft werden. In Erweiterung der bestehenden Beschlüsse sollten demnach private Zusammenkünfte wie schon im Frühjahr nur noch alleine, mit einer weiteren nicht im Haushalt lebenden Person oder im Kreis der Angehörigen des eigenen Hausstandes gestattet werden, hieß es in dem Papier. Diese Regelung wurde nicht an eine bestimmte Inzidenzzahl geknüpft. Bisher waren Treffen mit bis zu fünf Personen aus anderen Haushalten gestattet.

Der Entwurf trug die Datumszeile 5. Januar, 13.50 Uhr. Ein fertiger Beschluss stand allerdings noch aus. Das Treffen von Merkel und den MinisterpräsidentInnen dauerte bis über den taz-Redaktionsschluss am späten Nachmittag an. Die seit dem 16. Dezember geltende Schließung von weiten Teilen des Handels, der Gastronomie und von Schulen wie Kindertagesstätten sollte dem Entwurf zufolge beibehalten werden. Noch offen ist aber, ob neben den Sonderregeln für Abschlussklassen auch bei den Grundschulen ein Wechselunterricht angeboten werden soll. Die Kanzlerin und die LänderchefInnen appellierten an die Einsicht der BürgerInnen: Man bitte alle dringlich, „auch in den nächsten drei Wochen alle Kontakte auf das absolut notwendige Minimum zu beschränken“, hieß es in dem Entwurf.

Die Runde tagte vor dem Hintergrund einer unklaren Datenbasis. Wie haben sich die Coronazahlen durch den verschärften Lockdown verändert, der Mitte Dezember beschlossen wurde? Das wäre durchaus eine wichtige Information für die MinisterpräsidentInnen und die Kanzlerin gewesen. Doch verlässliche Angaben dazu gibt es weiterhin nicht.

Am Dienstag lag die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen im 7-Tage-Mittel mit rund 17.500 zwar wieder auf einem ähnlichen Niveau wie zuletzt Anfang Dezember. Aber wirklich aussagekräftig ist dieser Wert derzeit nicht. Denn auch die Zahl der durchgeführten PCR-Tests, mit denen Corona-Infektionen im Labor nachgewiesen werden, war in den letzten beiden Wochen stark verringert: Über die Weihnachtstage lag die Testzahl ein Drittel niedriger als Mitte Dezember, über den Jahreswechsel waren es sogar nur rund halb so viele.

Einfach hochrechnen kann man die Zahl der Neuinfektionen aber auch nicht, denn per PCR getestet wurden über die Feiertage vermutlich vor allem Menschen mit starken Symptomen oder jene, die zuvor bei einem Schnelltest ein positives Ergebnis hatten. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Test positiv ausfiel, dürfte damit höher gewesen sein als sonst. Sichere Aussagen über das reale Infektionsgeschehen sind darum derzeit kaum möglich. Das wurde in dem Entwurf eingeräumt: „Aufgrund der zahlreichen Feiertage kann es zu Test- und Meldeverzögerungen gekommen sein.“

Dass sich die Situation durch den verschärften Lockdown zumindest leicht entspannt hat, zeigen die Zahlen aus den Intensivstationen, die auch über die Feiertage vergleichsweise zuverlässig gemeldet wurden: Dort geht der 7-Tage-Mittelwert der neu aufgenommenen CoronapatientInnen seit fünf Tagen leicht zurück. Die Todesfälle, die im Zusammenhang mit Corona gemeldet werden, sind über die Feiertage dagegen nur vorübergehend und wohl vor allem aufgrund verzögerter Meldungen gesunken. Am Dienstag wurde mit knapp 650 Toten pro Tag im 7-Tage-Mittel der bisher dritthöchste Wert erreicht.

Weitere Ungewissheit ergibt sich daraus, dass mögliche zusätzliche Kontakte über Weihnachten und Silvester und die daraus resultierenden Neuinfektionen sich in den Statistiken wegen des Zeitverzugs bisher kaum niederschlagen.

Erschwert wurden mögliche Entscheidungen zudem dadurch, dass völlig unklar ist, inwieweit sich die neue Virus-Mutation aus Großbritannien schon in Deutschland verbreitet. Genetische Analysen, mit denen das festgestellt werden könnte, finden in Deutschland kaum statt. In Groß­britannien sind die Infektionszahlen aufgrund der höheren Infektiösität der neuen Variante trotz Lockdown in vielen Regionen dramatisch angestiegen.