Kitas im Notbetrieb: „Keine 100 Prozent erwarten“

Ab Mittwoch sitzen die Eltern mit den Kindern im Homeoffice. Arbeitgeber müssen jetzt unterstützen, sagt Corinna Balkow vom Landeselternausschuss.

Spielfiguren stehen auf dem Tisch in einer Kita

(Fast) keine/r spielt mehr mit ihnen: Spielfiguren in einer Kita Foto: picture alliance/dpa | Julian Stratenschulte

taz: Frau Balkow, haben Sie Ihr Kind am Dienstag nochmal in die Kita gebracht?

Corinna Balkow: Nein. Wir haben die Kinder schon länger zu Hause. Wir haben die Möglichkeit, Home Office zu machen. Und dann war unsere Überlegung, dass wir die Kita und das Personal entlasten wollten und lieber anderen Eltern, die die Betreuung dringender gebraucht haben, nicht im Weg stehen wollten.

Die viel zitierte Eigenverantwortung der Eltern also, an die jetzt auch die Politik appelliert mit Blick auf die am Mittwoch beginnende Notbetreuung: Jede/r soll überlegen, ob das Kind wirklich in die Kita muss. Glauben Sie, dass das klappt?

Das klappt ganz unterschiedlich – je nachdem, wie gut die Kitas in den letzten Wochen kommuniziert haben. Manche haben schon im Herbst prophylaktisch die Bedarfe bei Eltern abgefragt: Was wäre, wenn wir nur Notbetreuung anbieten können – aus welchen Gründen auch immer. Diese Kitas haben jetzt schon ein ganz gutes Bild darüber, welche dringenden Bedarfe es gibt und was sie mit dem Personal zu leisten im Stande sind. In anderen Kitas rennen die Eltern den Kitaleitungen jetzt die Bürotür ein, weil eben nichts klar ist – obwohl de Situation eigentlich absehbar war.

ist Vorsitzende des Landeselternausschusses Berliner Kindertagesstätten.

Tatsächlich? Die Nachricht, dass auch die Kitas vom harten Lockdown betroffen sind, kam am Sonntagabend eher überraschend.

Ja, die Linie war: Die Kitas bleiben im regulären Betrieb. Aber ich würde sagen, wer der Kanzlerin aufmerksam zugehört hat und die Entscheidungen verfolgt hat, der konnte im November schon ahnen: Es wird noch ein harter Winter. Deswegen haben wir im Landeselternausschuss ja auch gemeinsam mit den Kita-Trägern und der Senatsverwaltung bereits an einem Stufenplan für die Kitas gearbeitet, mit dem man ähnlich wie mit dem Stufenplan für die Schulen in den Einrichtungen möglichst koordiniert auf das Infektionsgeschehen reagieren kann.

Jetzt ist erstmal Notbetrieb bis mindestens zum 10. Januar. Anders als im ersten Lockdown sollen die Kitas nicht mehr anhand einer Liste von systemrelevanten Berufen entschieden werden, wer Betreuungsanspruch hat, sondern das individuell mit den Eltern klären. Geht das gut?

Eine Liste wäre sicher einfacher, aber sie wird sehr vielen Situationen in den Familien nicht gerecht. Es ist doch gut, wenn jemand die Möglichkeit hat, sein Kind nochmal einen Tag in die Kita zu bringen, weil er oder sie Not hat – und zugleich braucht jemand, der formal einen Anspruch nach so einer Liste hätte, den Platz vielleicht nicht und kann sich anders organisieren. Ich denke, dass jetzt auf Gespräche statt starrer Vorgaben gesetzt wird, ist sinnvoll. Das wird dem viel mehr gerecht, wie Eltern sich organisieren können.

Die Eltern sollen also Verantwortung übernehmen – aber werden sie damit nicht auch ganz schön allein gelassen, mit diesem Apell?

Natürlich sind da jetzt auch Politik und Arbeitgeber in der Verantwortung. Im Landeselternausschuss Kita werben wir schon seit dem Frühjahrslockdown dafür, dass Eltern ein erweitertes Recht auf Freistellung für die Kinderbetreuung und auf bezahlten Urlaub haben. Die Eltern brauchen Handlungsspielraum, um ihrer Verantwortung nachkommen zu können. Es braucht eine arbeitsrechtliche Absicherung.

Das Infektionsschutzgesetz sieht bereits eine Kompensation von 67 Prozent des Gehalts bei Verdienstausfällen etwa durch Kinderbetreuung vor. Aber das gilt nur, wenn die Kitas und Schulen wirklich geschlossen sind – das sind sie nicht, es herrscht Notbetrieb.

Genau. Deshalb haben wir auch schon im Frühjahr dafür geworben, dass zum Beispiel unbürokratisch das Kindergeld auf 1.000 Euro angehoben wird. Das sind Hilfen, die ankommen.

Immerhin gibt es die Aussicht auf unbezahlten Urlaub für Eltern, auch das wurde am Sonntag beschlossen. Aber wenn man nicht auf die Politik warten will, was brauchen Eltern jetzt von ihren Arbeitgebern?

Wer Betriebsferien machen kann, sollte das tun. Das erleichtert auch die kinderlosen Kollegen, die sonst womöglich die Arbeit von anderen mitmachen. Und man sollte von seinen Angestellten keine 100 Prozent Arbeitsleistung erwarten. Im Homeoffice mit Kindern kann man nicht die volle Leistung bringen. Da finde ich 60 Prozent schon optimistisch.

Blick voraus in die Glaskugel: Machen die Kitas am 10.1. wieder auf, und wenn ja, wie?

Die Abfrage der Elternbedarfe ist jetzt wichtig. Viele können eine Einschränkung der Betreuungs- und also der Arbeitszeit schon verkraften, wenn sie planen können und wenn es Kompensationen auch seitens des Staats gibt. Und eingeschränkte Betreuungszeiten für viele bedeuten auch, dass man zum Beispiel Eltern mit mehr Bedarf oder auch Kinder aus Risikogruppen ein Angebot machen kann. Es muss ein Angebot für alle sein, aber es wird deshalb ein eingeschränktes sein.

Vorausschauende Planung und Solidarität ist das Gebot für den Januar?

So kann man es sehen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Die Coronapandemie geht um die Welt. Welche Regionen sind besonders betroffen? Wie ist die Lage in den Kliniken? Den Überblick mit Zahlen und Grafiken finden Sie hier.

▶ Alle Grafiken

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.