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„Bergbau entfesselt die Gewalt“

Ausbeutung von Mensch und Natur ist das Thema von Ana Alenso. Ihre Ausstellung in der Galerie Wedding beschäftigt sich mit dem Goldabbau. Ein Gespräch über Wasser, Quecksilber und Guerillas am Amazonas

Ana Alenso in der Baggerkabine ihrer Ausstellung „Die Mine gibt, die Mine nimmt“ Foto: Tom Mustroph

Interview Tom Mustroph

Die Ausstellung „Die Mine gibt, die Mine nimmt“ der venezolanischen Künstlerin Ana Alenso in der Galerie Wedding macht auf Umweltsünden durch den halbindustriellen Goldabbau aufmerksam. Die Schau ist trotz Shutdown zugänglich. Ihre Installationen sind durch große Schaufenster zu sehen. Weil in die Galerieräume auch das Sozialamt Wedding eingezogen ist, trifft während der Öffnungszeiten des Amtes Alensos künstlerische Auseinandersetzung mit dem halblegalen Goldbergbau in Südamerika auf harte soziale Realität von Berliner Sozialhilfeempfänger*innen. Ana Alenso spricht über ihre Recherche.

taz: Ana Alenso, Sie haben für die Ausstellung eine ganz besondere Installation gebaut, ein Tame, eine Goldwaschanlage, wie sie auch im Amazonasgebiet eingesetzt wird. Wie funktioniert diese Anlage?

Ana Alenso: Die sogenannte Tame kann unterschiedliche Größen und Komponenten haben, so wie diese Struktur hier, sie kann im Amazonasgebiet aber auch zehn Meter groß sein. Man nimmt dazu Wasser und Erde aus dem Fluss und füllt es in eine Tonne. In die Tonne wird Quecksilber zugegeben. Es verbindet sich mit dem Gold, das im Flusssand steckt. Das Wasser fließt dann über eine Rampe, die mit einer Aluminiumplatte bedeckt ist. Aluminium und Quecksilber ziehen sich magnetisch an. Das heißt, dass, wenn man das Wasser abstellt, die Partikel aus Gold und Quecksilber auf der Aluminiumplatte haften bleiben.

Ein raffiniertes Prinzip, oder?

Es wird schon längere Zeit angewandt. Es ist allerdings auch gefährlich und sehr umweltschädlich. Denn das Wasser, das weiter Quecksilber enthält, wird zurück in den Fluss geleitet. Es schädigt den Boden, die Pflanzen und die Fische. Und Menschen, die die Fische essen, werden ebenfalls geschädigt. Man darf auch nicht vergessen: Es handelt sich um das Amazonasgebiet, ein einmaliges und besonders gefährdetes Ökosystem. Die Arbeiter dort sind noch stärker gefährdet, weil sie an die Gold- und Quecksilberpartikel mit einer Flamme herangehen. Dabei verbrennt das Quecksilber, wobei giftige Dämpfe freigesetzt werden.

Welche Krankheiten können dabei ausbrechen?

Die Krankheit ist nach einer Stadt in Japan benannt, Minimata. Vergiftungen mit Quecksilber können zu Müdigkeit, Kopf- und Gliederschmerzen, ja sogar zu Lähmungen und Psychosen bis hin zum Tod führen. Studien haben ergeben, dass Schäden auch an die Kinder- und Enkelgeneration weitergegeben werden. Zusätzlich haben die durch die Grabungen entstandenen Lagunen zu einem enormen Anstieg der Malaria geführt.

Eine weitere Installation in der Ausstellung hat als Element eine Baggerkabine, in der Sie unter anderem Videos über die Situation im Amazonasgebiet zeigen. Woher stammt die Baggerkabine?

Ich habe sie im Ruhrgebiet, in Gelsenkirchen, gefunden. Ich hatte im letzten Jahr eine Residenz bei Urbane Künste Ruhr und Kunst Vereine Ruhr. Die Ausstellung wird im Mai auch dort gezeigt. Ich bin schon mit der Idee des Amazonasprojekts dorthin gekommen. Aber auch das Ruhrgebiet ist Bergbauregion. Die Themen der Ausbeutung von Bodenschätzen und Arbeitskräften überlagern und ergänzen sich da. Und es war ein schöner Zufall, dass sich in einem Lagerraum diese Baggerkabine gefunden hat.

Wie würden Sie überhaupt Ihre Kunst selbst charakterisieren? Ist das Bildhauerei, Raum- oder Installationskunst?

Ich würde es als eine spekulative Strategie bezeichnen, um eine Reflexion über eine Situation zu generieren. Dazu nutze ich Installationen und Skulpturen. Mir ist auch der Gedanke der Kreisläufe wichtig. Die Tame-Installation ist selbst ein Kreislauf. Das Wasser fließt wieder zurück in den Tank. Im Amazonasgebiet fließt das Wasser in den Fluss zurück. Es bleibt aber im Ökosystem und kontaminiert die Umgebung. Alles ist mit allem verbunden.

Der halbindustrielle Goldabbau ist global verbreitet. Laut einer Studie der Universität São Paulo sind damit weltweit etwa 16 Millionen Menschen beschäftigt, viele in Südamerika und Afrika, etliche Kinder darunter. Wie viele Leute arbeiten etwa an einem Tame?

Ich keine Expertin, es hängt auch von der Größe eines Tame ab.

Wie stehen die indigenen Gemeinschaften zum Bergbau? Widersetzen sie sich, weil es ihren Lebensraum einschränkt und ihre Lebensgrundlagen gefährdet, oder reizt sie auch der Verdienst?

Es gibt beides. Es gibt Gemeinschaften, die die Ressourcen schonen wollen und gegen den Goldabbau sind, und andere, deren Mitglieder dort auch neben anderen Minenarbeitern und Goldsuchern arbeiten. Manche werden von den Guerillas oder von den bewaffneten Banden aber auch zu dieser Arbeit gezwungen.

Sie erwähnen die Guerillas. Es handelt sich dabei um die kolumbianischen Guerilla-Organisationen ELN und Farc. Wie kommt es, dass eine ausländische Guerrilla einen Wirtschaftszweig in einem anderen Land kontrolliert?

Das ist eine gute Frage. Die Realität ist, dass dieser Bergbau die absolute Gewalt entfesselt. Die Guerillas sind schon länger im Land. Und sie nutzen den Goldbergbau auch zu ihrer Finanzierung. Wie auch einige mafiöse und korrupte Militärs. Die haben die Macht in diesen Gebieten übernommen. Für sie ist der Goldbergbau perfekt.

Wieso?

Ana Alenso geboren 1982 in Caracas, studierte ab 1999 zuerst an der Kunsthochschule Armando Reverón in Venezuela, ab 2009 an der Bauhaus-Universität Weimar und ab 2012 an der UdK Berlin Angewandte Kunst. Sie beschäftigte sich viele Jahre mit den Auswirkungen von Venezuelas Ölindustrie auf die Gesellschaft und setzt diese Auseinandersetzung nun mit dem Thema Gold fort.

Die Spur von Gold kann kaum nachverfolgt werden, erst recht, wenn man es umschmelzt. Die Verbindung zwischen illegalem Goldabbau und Drogenhandel im Amazonasbecken ist ein Thema, das viele Landkonflikte-Expert*innen verfolgen.

Wie gelangt das Gold auf den Weltmarkt?

Das weiß ich nicht genau. Es gibt aber Berichte, die zeigen, dass der Weg naheliegend ist, es in die Karibik, nach Curaçao, zu bringen. Die Insel gehört zu den Niederlanden. Und von da ist es schnell in Europa, auch in Deutschland. Es gibt Aussagen von Augenzeugen, wonach der Bestimmungsort von venezolanischem Gold Deutschland war.

Woher wissen Sie das alles?

Manches wurde ausführlich von Journalist*innen recherchiert. Ich bin auch eng mit der Gruppe „SOS Orinoco“ in Kontakt. Sie operiert weltweit, hat aber auch Kollaborateur*innen im Amazonasgebiet. Sie sind dort allerdings anonym tätig, weil sie sehr gefährdet sind.

Der Titel der Ausstellung, „Die Mine gibt, die Mine nimmt“, ist sehr offen formuliert. Was gibt die Mine, und was nimmt sie?

Sie gibt Gold, also Geld, Wohlstand. Deshalb arbeiten die Leute dort. Der Spruch „Die Mine gibt, die Mine nimmt“ ist weit verbreitet. Er erinnert an „Der Herr hat gegegeben, der Herr hat genommen“. Es gibt auch eine indigene Schutzgottheit der Minerale, „oro’epuru“. Es heißt über sie, dass sie die, die viel Gold nehmen, bestrafen wird. Ein Freund von mir, Kukuy, hat einmal gesagt: „Die Raubkultur der Minen hat vorübergehend die Kontrolle übernommen. Die Großeltern würden sagen, dass oro’epuru unsere Enkelkinder frisst.“

„Die Mine gibt, die Mine nimmt“, Galerie Wedding, bis 6. Februar 2021

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