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Macht was draus!

40 Quadratmeter für Malerei, Installation, Recherche: In Zeiten des anhaltenden Kultur-Lockdowns vergibt das Hinterconti nahe der Hamburger Reeperbahn jeweils zwei Wochen lang einen Raum

Eine Infrastruktur soll entstehen, die es ermöglicht, künstlerisch auf etwaige Lockerungen zu reagieren

Von Falk Schreiber

Stellt man sich einen Kunstort vor, der eng mit den Corona-Beschränkungen verknüpft wirkt, hat man schnell das Hinterconti im Hamburger Stadtteil St. Pauli vor Augen: Ein Ausstellungsraum ist das, sicher, ein Raum, in dem die Kunst wichtig ist: Die zeigt man seit Anfang des Jahres 2000, auch Konzerte wurden veranstaltet, lange passierte das keine zwei Kilometer weit weg, im Karolinenviertel. Aber es ist auch ein Raum, in dem die Kunst irgendwann in den Hintergrund tritt: Ausstellungsbesuche im Hinterconti sind Auseinandersetzung mit Kunst – und ebenso sehr Nachtleben: Reden, Trinken, Socializing.

Ausstellungsbesuche, das meint: Menschen, die beengten Verhältnissen rumstehen, sich viel zu nahe kommen und verbrauchte Luft atmen. In Pandemiezeiten geht so was nicht, gehen Räume wie das Hinterconti nicht. Aber wenn man sich nicht darin treffen darf, soll der Raum dennoch der Kunst gewidmet bleiben. Weswegen das Team nun unter dem Titel „Hinterconti Studio Residency“ Arbeitsstipendien ausgeschrieben hat: „Für je zwei Wochen kann das Hinterconti von Künstler*innen und Gruppen als Arbeitsraum für Projekte oder schlicht als Atelierersatz genutzt werden“, heißt es ein wenig spröde in der Ausschreibung. Geboten werden 40 Quadratmeter Platz, Küche, WLAN „und einiges an Technik und Werkzeugen“, bewerben solle man sich mit Kurzbeschreibung des Geplanten und Lebenslauf. Fertig. Los geht es am 15. Januar.

Im Grunde heißt das ja nur: Hier ist ein leerer Raum, macht was draus. Aber der Gedanke hinter der Residency geht weiter: Kunst ist nicht das Kunstwerk, Kunst ist auch nicht die Rezeption, Kunst ist ein Prozess. Und Kunst ist der Raum, der diesen Prozess ermöglicht. „Wir haben hier einen Raum, den wir alle sehr schätzen, und den wir aktuell nur wenig nutzen können“, sagt Alexandra Hojenski vom Hinterconti. Finanziell ist der Leerstand kein großes Problem, strukturiert ist man als gemeinnütziger Verein, dessen Arbeit von der Hamburger Kulturbehörde gefördert wird; die Miete ist gesichert.

Aber Hojenski kennt die prekäre Lage vieler Hamburger Künst­­ler*innen, nicht nur in Bezug auf Ausstellungs-, sondern auch auf Atelierräume. „Wir wollten deswegen Leute einladen, den Raum für sich zu nutzen, künstlerisch, für Produktionen.“ Ziel ist eine Umkehrung der Lockdown-Situation: Es sollten keine Verabredungen mit Künstler*innen getroffen werden, die bei einer möglichen Verlängerung der Einschränkungen wieder abgesagt werden müssten. Stattdessen sollte eine Infrastruktur entstehen, die es ermöglicht, künstlerisch auf etwaige Lockerungen zu reagieren.

Das ist das eine. Das andere: Es gibt gerade zwar keine Ausstellungen, die „Studio Residency“ ermöglicht, aber dennoch Kunstproduktion. Und zwar eine Kunstproduktion, die von der Stadt wahrgenommen wird. „Im Lockdown verlieren wir an vielen Stellen Sichtbarkeit, alles verschiebt sich ins abgeschlossene Private. Die Studio Residency kann durchaus als Versuch der Sichtbarmachung eines Berufsfelds gesehen werden“, beschreibt Hojenski das Konzept.

Sichtbarmachung: Der kleine Raum hat ein breites Fenster zur Balduinstraße hin, durch das der Blick auf eben jene Arbeit fallen kann. Hier entsteht Kunst, die für Hojenski „semiöffentlich“ passiert, durchs Schaufenster, eingebunden in Nachbarschaftsstrukturen. Die Schwelle jedenfalls wird niedriger: „Wenn wir sagen, dass wir Künstler*innen zu Gast haben, die hier arbeiten“, so Hojenski, „dann kann das auch dazu beitragen, unseren normalen Ausstellungsbetrieb zugänglicher zu machen.“

Beworben haben sich ganz unterschiedliche Künstler*innen. Bis Ende Februar werden Maik Gräf, Gaëtane Douin und Marie-Alice Schultz sowie Jasmin Preiß die Räume bespielen, mit Fotografie, Performance, Film. Teilweise waren die Konzepte schon ausgearbeitet, bei anderen Projekten spürt man, dass es eher darum geht, das eigene Atelier zu erweitern. Für ­Hojenski kein Problem: Die Stipendien sollen bewusst unterschiedliche Zugänge ermöglichen.

Ein Risiko freilich gibt es, wenn in den Räumen gearbeitet wird: dass die Kunstproduktion Zoocharakter annimmt, dass Menschen auf den Kiez kommen, „Künstler gucken“. Ganz vermeiden lässt sich das nicht, schon die offene Situation des Fensters – an dem auch eine kleine Infotafel angebracht werden soll – trägt bei zum Eindruck, dass hier keine Kunst gezeigt wird, sondern Künstler*innen.

Was hat das Hinterconti von der Aktion? Erst mal Öffentlichkeit. Es wird ein Radioprogramm geben, das den Diskurs, der in der Balduinstraße entsteht, weiterführen soll, die Resident*innen sollen in Austausch treten mit dem Team und dem Umfeld. Vor allem aber: Es wird weiterhin Kunst gemacht. Und das Hinterconti ist beteiligt, wenn auch nicht im Nachtleben-Sinne.

www.hinterconti.de

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