: Im Kopf des Angeklagten
In Hildesheim ist am Montag weiter gegen einen Mann verhandelt worden, der geplant haben soll, eine Moschee anzugreifen. Er hing vermutlich Verschwörungstheorien an
Aus Hildesheim David Speier
Der 22-jährige Hildesheimer Felix F. soll Anschläge auf Muslime geplant haben. Dies hatte er 2020 in einem Onlinechat, mit einem ihm Unbekannten behauptet. Derzeit läuft das Verfahren vor dem Landgericht Hildesheim. F. werden insgesamt sechs Straftaten vorgeworfen.
Neben der Planung eines Anschlag wird F. die massive Bedrohung der damals 15-jährigen Aylin R. vorgeworfen. F. hatte sie mit einem gefälschten Facebook-Profil mit dem Tod bedroht und hatte sie beleidigt.
Zu Beginn des dritten Prozesstags am Montag räumte Felix F. die Bedrohung und Beleidigung von Aylin R. ein. Er habe das damals „einfach so“ geschrieben. Seine vulgäre Sprache schob er darauf, zu diesem Zeitpunkt betrunken gewesen zu sein. Aylin R. schilderte vor Gericht wie sie damals aufgrund der massiven Bedrohungen Angst gehabt habe. Felix F. selbst habe sie nicht gekannt. Gegenüber der Zeugin relativierte der Angeklagte sein Verhalten. Er habe das nicht ernst gemeint und entschuldigte sich mit den Worten: „Es tut mir leid, auf jeden Fall.“
Der Stiefvater des Angeklagten schilderte wie Felix F. unter der Trennung der Eltern litt. Er habe zunehmend Ängste entwickelt, dass ihn jemand anfassen und vergiften könnte. Dies habe sich auch in einem massiven Waschzwang gezeigt. Bereits früh habe sich Felix mit merkwürdigen Theorien und Verschwörungsmythen beschäftigt. Zur Sprache gekommen seien etwa antisemitische Fantasien über die Familie Rothschild sowie diverse Verschwörungsmythen, wie jene um „QAnon“ oder „Pizzagate“. Diese Verschwörungsfantasien habe der Angeklagte ihm gegenüber vehement verteidigt. Der Stiefvater selbst will das immer für einen Witz gehalten haben.
In Bezug auf islamistische Terroranschläge habe der Angeklagte ihm gegenüber geäußert: „Die müssen doch alle weg, die dürfen doch hier nicht leben.“ Die Planung eines Anschlags würde er Felix F. nicht zutrauen, so der Stiefvater denn: „Wenn ich jemand kenne, der nicht in der Lage ist zu planen, dann ist es Felix.“
Anfang 2016 war dem Angeklagten der gesetzliche Betreuer Lars M. zur Seite gestellt worden. Dieser schilderte wie er Felix F. 2017 für eine kurze Zeit in einer Klinik untergebracht hatte.
Bereits damals seien in der Wohnung des Angeklagten diverse Waffen, wie CS-Gas, ein Todschläger, ein Beil und eine gespannte Armbrust, in griffweite festgestellt worden. Felix F. habe ihm gegenüber behauptet, er besitze die Waffen, um sich vor Einbrechern zu schützen und habe darauf beharrt, nichts Illegales zu tun. Der Angeklagte habe alle Angebote von Seiten des Betreuers abgelehnt und behauptet, er hätte das nicht nötig.
Richterin Barbara Heidner lies am dritten Verhandlungstag mehrere sichergestellte Dokumente verlesen. Darunter zahlreiche Rechnungen über die von Felix F. gekauften Waffen, Handfesseln aus Plastik sowie Arm- und Beinprotektoren.
Auf die Frage der Richterin, warum der Angeklagte sich Handfesseln und Schutzausrüstung bestellt hatte, obwohl es sich doch nur verteidigen wolle, wusste F. selbst keine Antwort. Die waffentechnische Untersuchung der beiden Armbrüste ergab, dass diese zum Zeitpunkt der Stürmung der Wohnung durch das SEK, nicht einsatzbereit waren. In Bezug auf die Gefährlichkeit stellten die Gutachter des LKA fest, dass diese mit einer Schusswaffe gleichzustellen seien.
Der Haftbefehl gegen den Angeklagten Felix F. und somit auch dessen Inhaftierung in der JVA Sehnde wurde am Montag von der Kammer nach einer nichtöffentlichen Absprache zwischen der Staatsanwaltschaft, dem Gutachter und der Verteidigung aufgehoben.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen