Weihnachten, Stiko und Wattestäbchen: Oberarme und Oberreiche

Die einen werden geimpft, die anderen nicht – und wer sich's leisten kann, fliegt mit der Lufthansa über Weihnachten in coronafreie Gefilde.

behandschuhte Hände verabreichen eine Impfspritze in einen Oberarm

Bleibt zu hoffen, dass auch bei uns bald die Oberarme frei liegen: Covid-19 Impfung in Los Angeles Foto: Xinhua/imago

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: Dieses Gefühl, dass Wattestäbchen kommt jetzt innen an meinem Hinterkopf an.

Und was wird besser in dieser?

Ergebnis negativ.

Angela Merkel lehnt eine „Vermögensabgabe“ für die Pandemiekosten ab. 2021, mit den Grünen als Koalitionspartner, wird sich die CDU eine solch unsoziale Politik nicht mehr erlauben können, oder?

Ich liebe Euren Humor.

Mit seinen Covid-19-Impf-Kategorisierungen weicht Bundesgesundheitsminister Spahn von den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission in Teilen ab. Steht ihm die Rolle des Abweichlers?

Die „Stiko“ wurde früher als Wartezimmer voller Pharmalobbyisten kritisiert – wer da abweicht, muss nicht irren. Spahns Liste priorisiert Heime, Krankenhäuser und Betagte. Vernünftig – die Einrichtungen sollen weiterarbeiten können, die Sterbezahlen sinken. Fröstelnd mit nacktem Oberarm stehen niedergelassene ÄrztInnen, LehrerInnen und pflegende Angehörige draußen, ihre Verbände schimpfen. Wenn wir mal eine Demokratie sind, entscheidet so was der Bundestag. Neues Vokabular voraus: „Alterskohorte“, „Impfling“ und dann hoffentlich auch gl-impflich.

Die meisten Deutschen befürworten den erneuten Lockdown – und gingen wohl auch mit, wenn er verlängert würde, wie der saarländische Ministerpräsident Hans schon mal andenkt. Reden wir in den Medien da nicht immer noch zu viel von – und mit den – Gschaftlhubern und Leugnern?

Selber schuld: Wir Medien stürzen uns mit Wollust auf den pittoresken Sud aus Freizeitärzten, Esoterikern, besorgten Demokraten und Rechtsquerulanten. In Umfragen irgendwas unter 10 Prozent. Wogegen die Freunde des „harten Lockdowns“ gern 20, 30 Prozent ausmachen. Beiden gemein ist die Sehnsucht nach Autorität. Zwei Sorten rechts, Karamell und Vanille. Während die Kameras noch hinter der letzten Reichsflagge herschwenken, wird Söder immer beliebter, ruft Hans nach Härte und Kretschmer nach Autorität. Das Land schaut verblüfft an sich herab und staunt: Ach, so rechts kannte ich mich gar nicht. Blöde Lage für die Grünen: Je weniger Meinung sie dazu haben, desto besser ihre Umfragewerte.

Lufthansa meldet rasante Buchungen über Weihnachten. In Zielgebiete ohne Reisewarnungen. Muss Knecht Ruprecht die Rute auspacken?

Wir entblößen die Oberarme. Die Oberreichen tun’s selbst.

Scotland ’s coming home – die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon will einen zügigen EU-Beitritt nach dem Brexit. Wollen wir das wirklich?

Heimlich nein. Wer heute Schottlands Unabhängigkeit bejubelt, dem fliegt morgen Katalonien um die Ohren. Und weitere Regionen mit Solo-Ambitionen. Sturgeon muss sich ein neues Plebiszit von London genehmigen lassen – ein anderes Wort für „niemals!“. Die EU kann also empfänglich dreinschauen und hinterrücks abschotten.

Russlands Präsident Putin hat dem künftigen US-Präsidenten Biden Erfolg gewünscht. Zu früh, zu spät, zu vergiftet – oder gerade richtig?

Möchte kurz in die Tüte lachen, dass jemand mit sechs Wochen Verspätung gratuliert, dann aber mit einem „Glückwunschtelegramm“. Gibt’s das überhaupt noch? Bei der Bundespost: Schmuckblatt „Muffin mit Kerze“ oder „Kind auf dem Trampolin“, „Sprung in den neuen Lebensabschnitt“. Große Freude bei Familie Biden. Er wird Putins fünfter US-Präsident, entsprechend lässig winkt es aus Moskau. Biden und Obama hatten die irrige Doktrin von der „Regionalmacht Russland“ gesetzt, Putin signalisiert gleich zur Begrüßung, was er davon hält.

Der Bundesrat hat das neue Weingesetz beschlossen – darauf einen Dujardin?

Ich bewundere Weinkoster, die – nach Aromen gurgelnd – schon ausrufen: „Ah, ein 2006er Holtmannspötter, Schattenhang!“ Toll. Ich guck aufs Etikett, auf den Preis und erleichtere mir den Geschenkekauf, indem ich hoffe, das nachher nicht trinken zu müssen.

„Ich möchte Ihnen deutlich sagen, dass ich mich für die Bewaffnung ausspreche“, sagt die neue SPD-Verteidigungsexpertin Siemtje Möller zur Drohnenbewaffnung in Richtung Bundeswehr. Was würden Sie ihr zum Thema sagen?

Bitte nicht erschrecken, aber: Sie haben die bereits, geparkt im Herstellerland Israel, außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes. Mit der Verfassung ist „extralegale Tötung“, vulgo: Mord, auch nicht zu machen.

Und was machen die Borussen?

So, wie die spielen, kann man sich nicht mal an der Implosion von Schalke richtig freuen.

Fragen: waam, pwe

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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