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Alle zupfen am Braten

Pulled Pork vereint die prunkvolle Festlichkeit einer Gans mit der Einfachheit von Würstchen. Fast jedenfalls

Von Lisa Shoemaker

Das weihnachtliche Festessen in der Familie war lange problematisch. Meine Tochter mag weder Ente noch Gans noch Wild, ich will keine Pute, einmal im Jahr zu Thanksgiving Ende November reicht. Also kochten wir mal dies, mal jenes, allein eine Tradition entwickelte sich daraus nicht. Als das Kind in dem Alter war, wo es gern alles so machen wollte wie die anderen, schlug es Kartoffelsalat mit Würstchen vor. Okaaayyy. Doch als ich beim Fleischer in der Schlange stand, fühlte ich mich unterfordert. Und überhaupt: Welche Wurst? Ich konnte mich nicht entscheiden, also kaufte ich von jeder Sorte etwas: Wiener, Nürnberger, Chorizo, Salsiccia, Merguez usw., insgesamt sieben verschiedene. Und kreierte zu jeder einen passenden Kartoffelsalat. Das Kind verdrehte die Augen, so hatte es sich das nicht vorgestellt.

Doch inzwischen haben wir unser Festessen gefunden. Pulled Pork. Es vereint die prunkvolle Festlichkeit einer Gans mit der Einfachheit von Würstchen. Fast jedenfalls. Und es eignet sich, etwas überraschend, auch für all unsere Gäste, die kein Fleisch und schon gar kein Schwein essen. An Heiligabend schmettern Juden und Muslime mit uns gemeinsam „Jingle Bells“ und „Adeste fideles“ und lauschen andächtig Mahalia Jacksons „Silent Night“, wenn wir die Kerzen entzünden. Denn Pulled Pork isst man als Sandwich, und das wird bekanntlich dick belegt: Es gibt also viel Spielraum für vegetarische oder vegane Beilagen.

Wer kein Fleisch isst, bekommt Pulled Soja, das die jüdisch-vegane beste Freundin meiner Tochter im veganen Supermarkt besorgt, ihrer Aussage nach das beste, was zu haben ist. Hält man sich an die Zubereitungsanweisung auf der Packung, bekommt man eine schöne Konsistenz mit Biss, zu lange gekocht wird es labberig. Für den Geschmack darf es dann in der selbst gemachten BBQ-Soße marinieren.

Für den Braten wird klassischerweise das Boston Butt aus der Schweineschulter verwendet. Am besten samt Knochen. Das macht auf dem festlich gedeckten Tisch was her und steht größenmäßig Pute und Gans in nichts nach, wird aber wohl für unser heuer distanziert-reduziertes Fest zu wuchtig sein. Ein guter Ersatz, weil von Fett durchzogen, ist Schweinenacken. Rechnet pro Person 300 g bzw. 350 g mit Knochen. Für 4 Personen sind 1,5 kg ideal, Reste verschwinden über die Feiertage wie von selbst.

Die Zubereitung ist denkbar einfach, erfordert nur Geduld und kaum Arbeit. Den Braten kräftig mit reichlich Salz, Pfeffer, Paprikapulver (ideal: der spanische Pimentón de la Vera, erhältlich wahlweise in dulce oder picante, aber immer kräftig geräuchert), Kreuzkümmel passt auch dazu. In einen Bräter setzen, am besten in einen mit Deckel, zur Not geht auch Alufolie (nicht gut, hat eine sehr schlechte Klimabilanz, aber der Verzicht auf 2 bis 3 Take-aways sollte das wettmachen). Nun sollte der Braten etwa zu 1/3 in Wasser gesetzt werden. Fest verschließen, damit keine Flüssigkeit verloren geht (wenn ihr nicht sicher seid, schaut zwischendurch nach und füllt ggf. auf).

Je nach Gewicht/Dicke und danach, ob mit oder ohne Knochen, variiert die Zeit. Ohne Knochen geht es schneller.

Bei 110 °C müsst ihr ca. 4 Stunden pro Kilo rechnen. Bei 140 °C halbiert sich die Backzeit in etwa. Zu hohe Temperaturen trocknen das Fleisch zu sehr aus.

Um zu testen, ob die gewünschte Konsistenz erreicht ist, nehmt ihr zwei Gabeln, stecht mit ihnen ins Fleisch und zieht (pull) sie auseinander. Zerfällt das Fleisch ohne Mühe in Fasern, ist es so weit. Die Soße könnt ihr jetzt einkochen und teilweise in die BBQ-Soße mischen, von der ihr eine großzügige Portion für Fleischabstinenzler vorher abgezweigt habt.

BBQ-Soße basiert auf Tomaten. Da ja solche Soßen immer etwas Süßliches haben, ich aber gegen den Einsatz von Zucker beim Kochen bin, fange ich damit an, etwa 600 Gramm gehackte Zwiebeln in Öl über kleiner Flamme anzuschwitzen. Dann rasple ich 2 bis 3 Karotten hinein. Gewürzt wird nach 20 Minuten mit einem Schuss Rotweinessig oder Balsamico, Kreuzkümmel – fangt mit einem Teelöffel an. Dito Oregano, Chili und Knoblauch, 1 bis 2 Lorbeerblätter und vor allem etwas Rauchiges: der oben erwähnte Pimentón de la Vera, Liquid Smoke oder Rauchsalz. 1 Liter Passata (passierte Tomaten, wenn ihr keins dahabt, könnt ihr auch Dosentomaten mit ihrem Saft pürieren). Mindestens 2 Stunden köcheln lassen, gelegentlich nachschauen, ob genug Flüssigkeit da ist, und ggf. etwas Wasser angießen.

Ein dick belegtes Sandwich bietet satten Spielraum für fleischlose Varianten

Zum Pulled Pork gehören Krautsalat und Brot. Wir nehmen Fladenbrot und Tacos. Als Schmiere verfeinern wir eine Portion Mayonnaise mit Kimchi, eine andere mit Miso. Für den, der die Mayonnaise nicht selbst machen will: Es gibt inzwischen ordentliche vegane Alternativen, sogar ein Markendiscounter führt die vegane Version der bekanntesten amerikanischen Marke.

Neben dem amerikanischen Coleslaw mache ich auch einen „quasiasiatischen“ Kohlsalat: hauptsächlich geschreddertes Weißkraut, Karottenraspel und feine Streifen grüner Paprika, mit etwas Salz massiert und mit asiatischen Aromen wie Ingwer, Limettensaft (oder auch Reisessig), Sojasauce und geröstetem Sesamöl zubereitet. Wer mag, gibt Chilisoße dazu.

Aber auch nahöstlich angehaucht mit Zitronensaft, Granatapfelkernen, Minze und Olivenöl ist das köstlich.

Season’s Greetings, egal ob ihr Hanukkah, Kwanzaa oder Weihnachten feiert!

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