Umweltministerin will Klageweg verbauen

AnwohnerInnen von Atomanlagen sollen nicht mehr gegen mangelhaften Schutz vor Terrorangriffen vor Gericht ziehen können, plant Ressortchefin Svenja Schulze (SPD)

Gefährlich: Fässer mit radioaktivem Abfall im Zwischenlager der Wiederaufbereitungsanlage Karlsruhe Foto: Wolfram Kastl/dpa

Von Christian Rath

Das Bundesumweltministerium von Svenja Schulze (SPD) will die Klagemöglichkeiten gegen Atomanlagen einschränken. Ein entsprechender Entwurf für die 17. Atomgesetz-Novelle liegt der taz vor. Greenpeace und BUND halten das Vorhaben für „verfassungswidrig“.

Konkret geht es um die Anforderungen an die „nukleare Sicherung“. Damit ist der Schutz gemeint, den die Betreiber von Atomanlagen gegen „Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter“ gewährleisten müssen. Zentrales Thema ist dabei die Gefahr von Terrorangriffen auf Atomanlagen. 2008 entschied das Bundesverwaltungsgericht, dass sich AnwohnerInnen von Zwischenlagern auch auf mangelhaften Schutz gegen „Störmaßnahmen“ berufen können.

Im Referentenentwurf des Umweltministeriums wird die „nukleare Sicherung“ nun aber als Vorsorge gegen Risiken „für die Allgemeinheit“ definiert. Greenpeace und BUND sehen darin den Versuch, den Anwohnern von Nuklearanlagen die „in langen Prozessen errungene und bestätigte“ Klagebefugnis wieder zu entziehen. Dies sei „verfassungswidrig“, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme der Verbände.

Vermutlich würden die Verwaltungsgerichte diesen Rückschritt aber nicht mitmachen, sondern das Atomgesetz dann verfassungskonform auslegen. Sie würden den Anwohnern also trotz der neuen Formulierung auch weiterhin Klagen unter Berufung auf mangelhaften Schutz gegen Terrorangriffe erlauben. Davon geht wohl auch das Umweltministerium aus, denn es hat noch eine zweite Sicherung gegen Bürgerklagen eingebaut.

In einem neuen Paragraf 44 soll im Atomgesetz ein „Funktionsvorbehalt“ normiert werden. Danach sollen die Behörden abschließend über die nukleare Sicherung entscheiden, die Gerichte sollen dies im Kern nicht mehr überprüfen können. Die Verbände sehen darin einen Verstoß gegen die Rechtsschutzgarantie des Grundgesetzes.

Das Ministerium begründet den „Funktionsvorbehalt“ mit den Besonderheiten der nuklearen Sicherung. Anders als bei der technischen Sicherheit der Anlagen gehe es nicht um wissenschaftliche Berechnungen. Bei terroristischen Störmaßnahmen müsse vielmehr das Handeln von Menschen prognostiziert werden. Hierfür seien Polizei und Verfassungschutz besonders geeignet. Deshalb sei den Behörden die Auswahl der möglichen Bedrohungsszenarien ebenso vorzubehalten wie die Festlegung der erforderlichen Schutzmaßnahmen.

Das Ministerium behauptet, damit werde nur die jahrzehntelange Praxis im Gesetz klargestellt. Tatsächlich hat die Rechtsprechung das Konzept des „Funktionsvorbehalts“ entwickelt. Ursprünglich sollte es dem Schutz der Behörden gegen Klagen der Atombetreiber dienen, doch der Vorbehalt schützte die Behörden dann auch gegen die Klagen der AKW-Gegner.

Allerdings ging der Funktionsvorbehalt bisher nie so weit, wie er jetzt normiert werden soll. So hat das Bundesverwaltungsgericht noch 2012 festgestellt, dass zumindest die „Datenbasis“, die der Bewertung zugrundeliegt, gerichtlich geprüft werden kann. Das will das Ministerium nun ausschalten, auch um geheime Berichte zurückhalten zu können. Damit werde „die Verteidigung zutreffender Genehmigungsentscheidungen vor Gericht gesichert“, heißt es in der Begründung des Entwurf.

In Deutschland werden zwar keine Atomkraftwerke mehr geplant, aber mehrere Zwischenlager haben noch keine Genehmigung. Auch die Rücknahme von deutschem Atommüll aus England und Frankreich bedarf der Genehmigung. Und ab 2031 soll ja auch ein Endlager gebaut werden.