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Loch im Geldbeutel

Krone, Brücke, Implantat: Zahnersatz kann teuer sein. Seit Oktober 2020 werden Kassenpatienten aber etwas entlastet: Der Festzuschuss stieg um zehn Prozent

Schön wär’s: Goldzähne werden einem nicht bezahlt Foto: Mor Egbar/EyeEm Mobile/mauritius images

Von Ansgar Warner

Erst kommt das Loch im Zahn, dann das Loch im Portemonnaie, denn die Zeiten von dentalem Vollkasko sind vorbei. Das merkt man spätestens, wenn ein Heil- und Kostenplan des Zahnarztes im Briefkasten liegt, der einen Eigenanteil von Hunderten, aber auch bis zu Tausenden Euro vorsehen kann. Das normale Herumdoktern am Zahn ist zwar immer noch eine Kassenleistung – von der Karies-entfernung und Löcherfüllung bis zur Wurzelbehandlung.

Kann der obere Teil eines Zahns aber nicht mehr gerettet werden, muss man sich schon seit 2005 als Versicherter an den Kosten für Zahnersatz beteiligen. Ob Krone oder Brücke: Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen dann nur noch einen sogenannten Festzuschuss, um die Regelversorgung, also die einfachste, medizinisch ausreichende Möglichkeit, abzudecken.

Bisher waren das mindestens 50 Prozent der Kosten, für scheckheftgepflegte Zähne stieg dieser Anteil auf 60 Prozent – also mit ausgefülltem Bonusheft, falls die Vorsorgeuntersuchungen fünf Jahre lang regelmäßig wahrgenommen wurden. Nach mindestens zehn Jahren lückenloser Vorsorge kam man sogar auf 65 Prozent.

Seit Oktober 2020 sind die Krankenkassen auch bei Pflegefaulen etwas spendabler, der minimale Festzuschuss ist durch eine entsprechende Passage im „Terminservice- und Versorgungsgesetz“ um zehn Prozent auf 60 Prozent angehoben worden. Doch auch die Prophylaxe-Fraktion profitiert von dieser Änderung. Wer über die Jahre immer fleißig Stempelchen im Bonusheft gesammelt hat, kommt jetzt sogar auf maximal 75 Prozent Zuzahlung.

Konkret: Müsste man etwa für eine Standardkrone normalerweise um die 300 Euro berappen, sinkt der Eigenanteil so auf knapp 100 Euro – bei kostspieligen aufwändigeren Behandlungen kann der Eigenanteil aber auch eine vierstellige Höhe erreichen, etwa bei Implantaten, die mehrere Tausend Euro kosten. Der Eigenanteil sinkt auch durch die neue Regelung nicht auf null. Eine Lücke von mindestens 25 Prozent bleibt bestehen. Und wer mehr als nur die Regelversorgung wünscht, muss noch tiefer in die Tasche greifen, etwa für eine Keramikkrone oder ein Implantat.

Wo eine Lücke klafft, lauert natürlich auch ein Geschäftsmodell: Zahnzusatzversicherungen werben damit, helfend in die Bresche zu springen, zumindest für den größten Teil der Restkosten (siehe Text unten). Ob sich das am Ende lohnt, ist aber generell schwer zu sagen. Selbst preiswertere Tarife, die von unabhängigen Portalen wie Finanztip, Finanztest oder Stiftung Warentest empfohlen werden, gibt es ab etwa 30 Euro pro Monat.

Schnellere Arzttermine und bessere Leistungen der Krankenkassen: Das sind die Ziele des im Mai 2019 in Kraft getretenen Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG). Dazu zählt auch eine Erhöhung der Festzuschüsse von 50 auf 60 Prozent der Kosten für die Regelversorgung beim Zahnersatz – allerdings gilt die erst seit dem 1. Oktober 2020. Unter einer Voraussetzung können die Festzuschüsse sogar auf maximal 75 Prozent steigen: Durch ihr Bonusheft müssen die Patient*innen dafür nachweisen, dass sie regelmäßig Vorsorgeuntersuchungen beim Zahnarzt wahrgenommen haben.

Zudem werden Behandlungen, die bei Abschluss der Versicherung bereits absehbar sind, nicht erstattet, die Kostenübernahme der ersten Jahre ist gedeckelt. Beachten muss man auch: Je höher das eigene Lebensalter, desto höher die monatlichen Beträge. Das leuchtet aus Sicht der Assekuranzen natürlich ein, denn mit steigendem Alter wächst auch der zahnärztliche Behandlungsbedarf.

Ohnehin sind die Versicherer sehr penibel, was die Vorab-Einschätzung möglicher Risiken angeht: Patienten, die schon viele Zahnlücken im Mund haben, werden in der Regel gar nicht versichert. Doch selbst bei guter Gebiss-Gesundheit lässt sich nur schwer abschätzen, wie der Zustand in zehn oder zwanzig Jahren aussehen wird.

Wer nicht plant, sich den gesamten Mund vergolden zu lassen, sollte aber trotzdem genau abwägen: Ist es am Ende vielleicht sinnvoller, jeden Monat einen vergleichbaren Betrag per Dauerauftrag vom Girokonto aufs Spar- oder Festgeldkonto zu überweisen? Legt man beispielsweise planmäßig und diszipliniert jeden Monat dreißig Euro zurück, ergibt sich so automatisch nach fünf Jahren ein Polster von 1.800 Euro.

Das würde auch bei nur 50 Prozent Zuzahlung zumindest für mehrere Kronen reichen, und zwar für die kompletten Kosten. Auch Zusatzkosten jenseits von Zahnersatz lassen sich so durchaus aus eigener Tasche bezahlen, etwa wenn man statt normaler Füllung bei größeren Löchern im Zahn ein Inlay machen lässt.

Bei den günstigen Tarifen der Zahnzusatzversicherungen dagegen bleibt der Patient trotz der monatlichen Beiträge in jedem Fall noch auf zehn bis fünfzehn Prozent der Kosten sitzen. Es gibt zwar durchaus Rundum-Sorglos-Tarife, die 100 Prozent Abdeckung versprechen, doch dadurch steigen die Beiträge dann so erheblich, dass es sich möglicherweise nur für die Versicherung lohnt, aber nicht für die Versicherten.

Bei aufwändigeren Behandlungen kann der Eigenanteil eine vierstellige Höhe erreichen

Doch auch ohne Zahnzusatzversicherung und ohne prall gefülltes Sparkonto muss in Deutschland niemand mit Ground Zero im eigenen Mund herumlaufen. Denn es gibt zum Glück eine Härtefallregelung für Geringverdiener. Die Grenze liegt aktuell bei 1.274 Euro Monatseinkommen – wer brutto über weniger Einkommen verfügt, muss bei Zahnersatz überhaupt keinen Eigenanteil zahlen.

Die gesetzliche Krankenkasse übernimmt dann 100 Prozent der Kosten. Von dieser Regelung profitieren auch BAföG-Empfänger und alle Menschen, die auf Hartz IV, Sozialhilfe oder Grundsicherung im Alter angewiesen sind.

Wer nur leicht über der Bemessungsgrenze liegt, muss sich übrigens nicht unbedingt ärgern. In vielen Fällen übernimmt die Kasse nämlich auf Antrag trotzdem einen etwas höheren Anteil. Wie hoch die Zuschläge im Rahmen der „gleitenden Härtefallregelung“ sind, erfährt man allerdings erst, wenn der Zahnarzt die Rechnung stellt.