Internet in Russland: Maulkorb für Plattformen

Ein Gesetzentwurf sieht die Sperrung bestimmter Plattformen vor. Ziel sind Anbieter, die russische Propaganda löschen oder filtern.

YouTube-Kanal „Solowjow live“

YouTube-Kanal „Solowjow live“ vom Moderator Wladimir Solowjow, einem Sprachrohr Putins Foto: screenshot taz

MOSKAU taz | Die russische Duma soll demnächst über ein Gesetzesprojekt entscheiden, das vorsieht, Internetplattformen zu blockieren. Dabei handelt es sich um jene Plattformen, die ihrerseits Inhalte staatlich russischer Anbieter löschen oder filtern, da sie im Verdacht stehen, Propagandaaufgaben zu erfüllen.

Das Gesetz schützt „Informationen von öffentlicher Bedeutung“ und soll um ein Register erweitert werden, das Inhaber von Websites aufführt, die Inhalte zensieren.

Demnach sind in Russland seit April dieses Jahres mindestens 20 Fälle bekannt geworden, bei denen Plattformen wie Facebook, YouTube und Twitter in die Darstellung staatseigener Medien eingegriffen haben.

Davon waren das TV RT (früher Russia Today) und die staatliche Agentur RIA Novosti betroffen. Die Staatsanwaltschaft wird ermächtigt, eine teilweise oder gesamte Blockade durchzusetzen, falls die Anbieter weiter das Recht auf Information der russischen Bürger „verletzen“.

In der Kritik

Grundsätzlich stehen die großen Plattformen wegen ihrer Machtfülle sowie undurchsichtiger und widersprüchlicher Praktiken bei der Auswahl von Inhalten in der Kritik.

„Eine totale Blockade von Plattformen aber, die Millionen von Russen nutzen, sichert nicht den Zugang zu Informationen“, wie es das Gesetz vorsieht, heißt es in einer Stellungnahme von der US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW).

Russland verfügt bereits über verschiedene Mittel, den Zugang zu Inhalten zu unterbinden oder zumindest zu erschweren. Seit 2019 liegt das Gesetz „souveränes Internet“ vor, das den Behörden erlaubt, Traffic im Internet zu filtern und zurückzuverfolgen. Außerdem können Nutzer seit einem Jahr zu empfindlichen Geldstrafen verurteilt werden, wenn sie nicht die Regeln der Datensicherung einhalten.

Bereits im Sommer fällte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in mehreren Fällen Urteile gegen Russland, weil Websites blockiert wurden, die das Recht auf Informationszugang unterlaufen hatten.

In diesen Fällen handelte es sich um Nutzer, denen der Zugang zu Informationen verwehrt wurde. Im neuen Gesetz stellt sich der Staat als Opfer der Informationspolitik dar. Auch die Bürger holt er mit ins Boot, denen Propagandaversionen der russischen Politik sonst entgehen könnten. Die Initiatoren des Gesetzes sind Alexander Chinschtein von der Kremlpartei und Senator Alexei Puschkow. HRW sprach an die Duma die Empfehlung aus, den Gesetzentwurf nicht anzunehmen.

Auch Google erhielt von der russischen Aufsichtsbehörde Roskomnadsor dieser Tage ein Schreiben mit der Aufforderung, die Beschränkungen im YouTube-Kanal „Solowjow live“ aufzuheben. Wladimir Solowjow sei nicht mehr in der Rubrik „Trends“ aufgetaucht, teilte die Plattform mit.

Solowjow ist einer der bekanntesten Moderatoren im russischen Fernsehen und ein Sprachrohr Präsident Wladimir Putins. Früher hatten Solowjows Talkshows einen Stammplatz in den „Trends“.

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