Gruppenfinale in der Champions League: Wie die Kleinen

Real Madrid muss gegen Mönchengladbach gewinnen. Anderfalls droht nach blamablen Auftritten das Aus schon in der Gruppenphase.

Zinedine Zidane steht mit ausgebreiteten Armen am Spielfeldrand

Mit schöner Mütze, aber ratlos an der Linie: Real Madrids Trainer Zinédine Zidane Foto: Gleb Garanich/reuters

BARCELONA taz | Ironien der Fußballgeschichte: Einen ähnlichen Showdown wie heute gegen Borussia Mönchengladbach bestritt Real Madrid zuletzt ebenfalls vor leeren Rängen. Unter Corona verstand der gemeine Europäer im Dezember 2004 freilich höchstens ein zwischenzeitlich aus der Mode gekommenes Hipster-Bier, als die Spanier beim AS Rom um das Überstehen ihrer Champions-League-Gruppe kickten. Zuschauer fehlten im Olympiastadion wegen einer Uefa-Strafe. In einem vorangegangen Spiel hatte eine von der Haupttribüne geworfene Münze den Schiedsrichter Anders Frisk ausgeknockt. Real siegte problemlos 3:0 – und kam seither nicht mehr in eine vergleichbare Grenzsituation am letzten Spieltag.

In der engen Gruppe B braucht es einen Sieg; gelingt nur ein Remis, müsste parallel Inter Mailand gegen Schachtjor Donezk gewinnen – sonst würde bei der 25. Champions-League-Teilnahme passieren, was allen anderen Großkopferten schon mal passiert ist, den Engländern und Italienern, dem FC Barcelona (2000) und selbst dem FC Bayern (2002): das schmähliche Aus in der Vorrunde.

„Es ist ein Finale, das wichtigste Spiel des ganzen Jahres“, sagte Abräumer Casemiro am Dienstagmittag am Spielort in Valdebebas. So heißt der Trainingscampus, auf dem man seit der Covid-Pause empfängt, um Bauarbeiten im Estadio Santiago Bernabéu voranzutreiben.

Real muss also sogar auf den Rest einschüchternder Atmosphäre verzichten, den ein leerer Tempel in Gladbacher Erinnerungen entfalten könnte: Immerhin hatte die Borussia beim letzten Madrid-Besuch im Dezember 1985 einen 5:1-Vorsprung aus dem Hinspiel durch eine 0:4-Niederlage vermasselt. Jorge Valdano, damals zweifacher Real-Torschütze, sagt über jenen Abend: „Nach dem 4:0 verlor ich das Zeitgefühl wie nie zuvor oder danach.“ Und Valdano hat immerhin mal zusammen mit Maradona die WM gewonnen.

Dass den aktuellen Profis ein ähnlicher Sinn für Heroik fehlt, ist einer der unzähligen Kritikpunkte an der heutigen Real-Mannschaft. Zwar wurde gestern eifrig der Klubmythos beschworen – „in diesem Verein werden Finals nicht gespielt, sondern gewonnen“, so Casemiro – und mit Kapitän Sergio Ramos kommt pünktlich die personifizierte Unbeugsamkeit von einer Muskelverletzung zurück. Aber ein Blick auf die beiden letzten Saisons sollte den Gladbachern jeden Anflug von Panik austreiben. Da scheiterte Real jeweils sang- und klanglos mit Heimniederlagen im Achtelfinale.

Dramatischer Verfall

Nicht einmal mehr Trainer und Klubikone Zinédine Zidane gilt als als sakrosankt

Die Statistiken der Champions League illustrieren einen dramatischen Verfall des zwischen 2016 und 2018 dreifachen Titelträgers. Von 21 Spielen seither wurden nur 10 gewonnen, aber 8 verloren. Auch die Rückkehr des Erfolgstrainers Zinédine Zidane konnte die Tendenz nicht stoppen. Zwar führte er das Team letzte Saison zur Meisterschaft, nun aber fehlen trotz einer Partie mehr schon 6 Punkte auf Spitzenreiter Atlético, der am Samstag zum Derby kommt. Zwei richtungsweisende Spiele innerhalb von drei Tagen – in denen selbst Klubikone Zidane nicht mehr als sakrosankt gilt. Am Dienstag musste er sich mehr Fragen über eine mögliche Entlassung anhören als über den Gegner.

Vorgeworfen werden ihm jedoch nicht nur die Ergebnisse, sondern auch ihr Zustandekommen: Apathie und Orientierungslosigkeit bei Niederlagen gegen vermeintlich unterlegene Gegner wie Cádiz und Alavés in der Liga oder zweimal Donezk in der Champions League. Wohl fühlte sich Real zuletzt nur, wenn es gegen spielbestimmende Gegner im Stile einer kleinen Mannschaft agieren konnte: massiert in der Abwehr, mit schnellen Kontern.

So gelang am Samstag in Sevilla mit nur 37 Prozent Ballbesitz ein 1:0. Doch Gladbach wird Real kaum den Gefallen einer dominanten Spielweise tun, den Deutschen reicht in jedem Fall ein Punkt. Und wenn Real wirklich ausscheidet, dann lieber als Vierter oder als Dritter noch in die Europa League? „Dritter natürlich, dann will ich die gewinnen“, sagte Casemiro. Dabei ist doch eigentlich schon der Gedanke ein Frevel.

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