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Deutsche Reaktionen auf US-Wahl-DramaStaunen und Entsetzen

Die deutsche Politik reagiert schockiert auf die US-Wahl. Die CDU-Chefin fordert ein enges Verhältnis zu den USA. Grüne kritisieren das.

Abwenden oder weiter die Hand ausstrecken? Die deutsche Politik schaut entsetzt in die USA Foto: Omer Messinger/Getty Images Europe

Berlin taz | Norbert Röttgen brachte es als einer der ersten deutschen Politiker auf den Punkt: Dass Donald Trump sich selbst zum Sieger der US-Wahl erklärte, sei nicht überraschend, so der CDU-Mann und Chef des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags. Falls Trump Präsident bleiben sollte, sei Deutschland „darauf nicht vorbereitet“. Irgendwie hatten die meisten ja doch mit einem klaren Erfolg von Joe Biden gerechnet.

Offiziell sagte die Bundesregierung nichts. „Kein Kommentar“ beschied Regierungssprecher Steffen Seibert in der Bundespressekonferenz knapp. In der Kabinettssitzung hat Außenminister Heiko Maas kurz Zwischenergebnisse der Wahl vorgetragen, dann wandte man sich wieder der Novelle des Jagdrechts zu. Die Bundesregierung habe „Vertrauen in die demokratischen Institutionen der USA“, so Seibert, äußerst bemüht, neutral zu wirken.

Die deutschen PolitikerInnen sind allerdings fast unisono entsetzt über Trumps Ankündigung, sich während der Auszählung der Stimmen zum Sieger zu erklären und für den Fall, dass es doch anders kommt, das Ergebnis nicht zu akzeptieren. FDP-Chef Christian Lindner sieht in Trumps Verhalten einen Bruch mit allen „Traditionen und Regeln“. Dass Trump dies tue, sei noch „vor wenigen Monaten nicht für möglich gehalten“ worden. Selbst AfD-Chef Jörg Meuthen, politisch nahe bei Trump, zeigte sich irritiert von Trumps Statement.

Die grüne Europaexpertin Franziska Brantner sagt der taz, dieser Coup sei gleichermaßen „vorhersehbar, angekündigt und ungeheuerlich“. Der grüne Außenpolitiker Jürgen Trittin rückte Trumps Rede von einem gestohlenen Sieg sogar in die Nähe eines versuchten Staatsstreichs. Friedrich Merz, der CDU-Chef werden will, vertraut hingegen den US-Institutionen.

Vorhersehbar, angekündigt und ungeheuerlich

Franziska Brantner, Grüne

Was, wenn er bleibt?

„Es kann passieren, dass die Gerichte angerufen werden, um das Wahl­ergebnis festzustellen. Ich glaube aber, dass die Amerikaner von uns keine Belehrungen brauchen“, so Merz auf Twitter. Auch Röttgen glaubt, dass die letzten vier Jahre gezeigt hätten, dass die US-Justiz unabhängig sei.

Eine Kernfrage lautet: Was passiert, wenn Trump doch Präsident bleibt? Was bedeutet das außenpolitisch? Erst einmal wird man alle Hoffnungen, die USA beim globalen Klimaschutz und beim Iranabkommen wieder ins Boot zu holen, begraben können.

Röttgen rechnet damit, dass Trump noch erratischer auftreten wird als bisher. In der zweiten Amtszeit würde man „einen entfesselten US-Präsidenten erleben“, der keinerlei Rücksicht mehr auf eine Wiederwahl nehmen müsste.

Auch SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hält eine Radikalisierung von Trump für wahrscheinlich – bis hin zu einem Krieg. „Er wird ‚America first‘ in den Vordergrund stellen, die hegemoniale Auseinandersetzung mit der Volksrepublik China auch militärisch suchen“, so der Außenpolitikexperte.

„Spielball“ Europa?

Eine bemerkenswerte Stellungnahme zur US-Wahl wurde schon vor ein paar Tagen geschrieben. CDU-Chefin und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer warnte am Tag vor der Wahl in einem „Europa braucht Amerika noch immer“ betitelten Zeitungsbeitrag vor der „Illusion, dass Europa strategisch unabhängig von den USA sein kann“. Die USA könnten „das Banner westlicher Werte nicht alleine tragen“, Europa müsse helfen. Gleichgültig wer Präsident werde, Europa sei „unfähig, die USA als Schutzmacht zu ersetzen“.

Rolf Mützenich sieht das völlig anders. Falls Trump Präsident bleibe, müsse sich Europa „emanzipieren und zusammenrücken“. Langfristig müsse sich die EU stärker von den USA abkoppeln.

Auch Franziska Brantner setzt auf die EU. „Deutschland muss mehr tun, damit Europa handlungsfähig wird.“ Das bedeute, „den Euro als internationale Leitwährung zu stärken und eine gemeinsame Digitalpolitik zu machen“, so die grüne Reala zur taz. „Sonst werden wir zum Spielball.“

Brantner griff Kramp-Karrenbauer scharf an. „Einer alten Version der transatlantischen Beziehungen nachzutrauern ist unverantwortlich“, so die Grüne. Es sei falsch, dass die Verteidigungsministerin an dem von Trump forcierten Ziel von Militärausgaben der Nato-Staaten in Höhe von 2 Prozent des BIPs festhalte. Man müsse vielmehr militärische Synergien in der EU schaffen. Die grüne Parteichefin Annalena Baerbock fordert ein Sondertreffen des EU-Rats, um auf die US-Wahl zu reagieren.

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6 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • "Der grüne Außenpolitiker Jürgen Trittin rückte Trumps Rede von einem gestohlenen Sieg sogar in die Nähe eines versuchten Staatsstreichs."

    Schlimm, diese Grünen! Wer würde denn ernsthaft glauben, dass ein Donald Trump ("Stoppt die Auszählungen sofort!") oder Donald Junior ("Totaler Krieg gegen Biden") oder ihr Wahlkampfteam ("Kampf bis zum endgültigen Sieg") ernsthaft einen Staatsstreich vorhätten?

    Immer diese Grünen.

    "Schlag zu, schlag zu, schlag zu, schlag zu bis zum Sieg! [...] Und der Herrgott sprach: Es ist vollbracht! Denn ich höre: Sieg! Sieg! Sieg! [...] Ata! Ambo! Oso! Tata! Rike! Eke! Panda! Atta! Rike! Tidi! Ascha! Tah!



    Engel sind entsandt worden, sogar aus Afrika, genau jetzt. [...] Im Namen Jesu kommen jetzt Engel aus Südamerika!"



    -- Pastor Paula White, Seelenheilsberaterin von Donald Trump, auf dem Gebetstreffen zur Abwehr der "dämonischen Bündnisse, die versuchen Trump den Wahlsieg zu stehlen". 5. November im Jahre des HErrn 2020.

    Alles normal und in bester rechtsstaatlicher Ordnung hier. Staatsstreich? Also bitte, Herr Trittin! Ihr Ernst? Da lachen ja die Hühner.

    Nothing to see here. Move along.

  • Lügenpresse, und damit meine ich leider die, mit der "aktuellen" Berichterstattung befassten Medien, nicht diese TAZ.



    Als Fox-News um ca. 2 Uhr (EST) schon den Sieg Bidens in Arizona prognostizierte und Trump kurz danach seinen gefühlten Wahlsieg verkündete, lief kurz danach die Meldung über Das Erste, ZDF und Phoenix das sich Trump UND Biden als Wahlsieger erklärt hätten.

    Biden hatte aber nur gesagt das man abwarten müsse, man sei aber auf einem guten Weg.

    Solche ein Lapsus könnte den Eindruck einer Lügenpresse fördern. Ich befürchte aber dass es sich nicht um Vorsatz sondern um Unfähigkeit handelt.

    Ich darf hier klarstellen dass ich die TAZ gerne wegen ihrer gefühlt hohen Qualität bei der Berichterstattung konsumiere.

    EIne Frage wird mich jedoch noch eine gewisse Zeit quälen.



    Was kommt eher, die amtlichen Endergebnisse oder der Impfstoff?

    • @Mr.Henry:

      Handwerkliche Fehler kann man Medien gern ankreiden. Wenn man dafür Belege anführen kann, um so besser. Aber eine Kritik die sich im Kern auf eine Vokabel stützt die im NS zwar nicht erfunden, aber doch etabliert wurde um damit die Gleichschaltung voranzutreiben und die heute zentraler Bestandteil im Propaganda-Arsenal des AfD- und Pegida-Milieus ist desavouiert sich selbst.

  • War.es nicht erst letztens in Deutschland, wo eine Kanzlerin sich öffentlich äusserte, eine Landtagswahl sei unverzeihlich gewesen und müsse rückgängig gemacht werden?



    Die deutsche Politik sollte den Ball diesbezüglich etwas flacher halten.

  • „Vertrauen in die demokratischen Institutionen der USA“



    Das haben die US-Bürger keinesfalls!



    Knapp wird der Ausgang für Biden nur wegen der ungerechten Wahlmännerzählung. In den USA könnte auch ein Sozialdemokrat wie Bernie Sanders die Wahlen gewinnen - wenn er nur genug Geld für den Wahlkampf hätte. Bernd Pickert hat gestern erklärt, warum die Reps keine Änderung des Wahlrechts wollen.



    So wird es in den nächsten Jahren zu einem Dauerkrieg der Proud Boys auf der Straße und zu Saalschlachten in den Parlamenten kommen, um jede sozialpolitische Realpolitik mit der Märchenphantasie der Libertarians niederzubrüllen.

    • @nzuli sana:

      "In den USA könnte auch ein Sozialdemokrat wie Bernie Sanders die Wahlen gewinnen - wenn er nur genug Geld für den Wahlkampf hätte."

      Nein, das stimmt ziemlich sicher nicht: Bidens Wahlkampf war der teuerste aller Zeiten, und Bloomberg hat in Florida einen strammen Beld aus seiner Privatschatulle versenkt. (Exakte Summen findet man in den Medien, bin grad zu faul nachzuschlagen)

      Was hat am Ende den meisten Effekt gehabt? In Florida Trumps Hetze gegen die "Deindusrialisierungspläne" des "Sozialisten" Biden und der "Antiiiiefah" Harris, und v.a. im Great-Lakes-Gebiet die (zum Glück letztlich erfolglose) auf Schlüsseldemographen (afroamerikanische Männer v.a.) gezielte Kampagne von Trump(?) oder "irgendwem", Wähler*innen im großen Stil anonym anzurufen und sie zu warnen, am Wahltag wegen der hohen Coronazahlen das Haus am besten gar nicht zu verlassen und auf die Wahl zu scheißen.

      All das schöne Geldfür die Katz, naja jetzt ist es bei irgendwelchen Druckereien und Internetfirmen.

      Immerhin ist der unselige Trend durchbrochen, dass man genausogut *nur* in Florida wählen bräuchte, um den nächsten Präsi zu bestimmen...