Truppenabzug aus Afghanistan: Nur noch 2.500 US-Soldaten

Donald Trump hat eine weitere Reduzierung der US-Truppen in Afghanistan angekündigt. Das schwächt die Regierung und stärkt die Taliban.

Eine Gruppe von amerikanischen Soldaten und Soldatinnen, einer hält ein US-Fähnchen

Weihnachten wieder zuhause: US-Truppen auf dem Stützpunkt Bagram Foto: Tom Brenner/reuters

BERLIN taz | Donald Trumps Entscheidung, die Zahl der US-Truppen bis Mitte Januar in Afghanistan von 4.500 auf 2.500 und im Irak von 3.000 auf 2.500 zu reduzieren, hat wenig mit der Si­tua­tion in diesen Ländern zu tun. Es scheint eher, dass der Noch-Präsident seinem Nachfolger Joe Biden verbranntes politisches Terrain hinterlassen will.

Beide Konfliktstaaten waren nach den Anschlägen des 11. September 2001 von zen­tra­ler Bedeutung für den inzwischen gescheiterten US-Krieg gegen den islamistischen Terrorismus vom Schlage al-Qaidas und später des „Islamischen Staats“. Diese Kriege kosteten Billionen Dollar und kosten immer noch Milliarden. In Afghanistan sind es 2020 17 Milliarden, weitere 14 Milliarden sind für 2021 beantragt.

In Afghanistan setzt Trump damit Verpflichtungen um, die Washington aus seinem im Februar in Doha (Katar) geschlossenen Abkommen mit den Taliban erwachsen. Demzufolge müssen alle US-Truppen, dazu Verbündete wie die Bundeswehr und sogenannte zivile Sicherheitsdienstleister, bis Ende April 2021 das Land verlassen. Die Beschleunigung der Umsetzung erfolgt allerdings zu einem Zeitpunkt, zu dem viele Beobachter meinen, die Taliban kämen ihren Verpflichtungen nicht nach. Dabei geht es vor allem um zwei Punkte.

Zum einen verpflichteten sich die Taliban im Doha-Abkommen, es Gruppen wie al-Qaida zu verwehren, „Afghanistans Boden zu nutzen, um die Sicherheit der Vereinigten Staaten und ihrer Alliierten zu bedrohen“ und mit ihnen zu kooperieren. Ausdrücklich nicht erwähnt ist eine Ausweisung oder Verhaftung solcher Kämpfer oder ihrer Familien, wenn sie sich – wie bei vielen der Fall – nicht an Kämpfen beteiligen.

Gleichzeitig tauchten zuletzt wiederholt Berichte der afghanischen Regierung über eine anhaltende Taliban-al-Qaida-Kooperation auf.

Gewalt der Taliban eskaliert

Die Abgrenzung zwischen beiden Gruppen ist in der Tat unscharf, aber nicht jeder Araber in Afghanistan gehört zu al-Qaida. Zudem tendiert die strategische Bedeutung der durch US-Luftschläge erheblich geschwächten Gruppe für die Taliban gegen null. Sie dürften sogar daran interessiert sein, al-Qaida loszuwerden, denn ihre Anwesenheit ist die wichtigste Hürde für die Rückkehr an die Macht.

Zweitens wird den Taliban vorgeworfen, dass sie seit dem Doha-Abkommen die Gewalt im Land eskaliert haben. Sie tun das bisher aber, ohne formal das Abkommen zu verletzen. Darin haben sie sich nur verpflichtet, nicht mehr die US- und verbündeten westlichen Truppen sowie Bevölkerungszentren anzugreifen. Hingegen hielten sie sich diese Option für die afghanischen Streitkräfte offen. Die USA akzeptierten das.

Umstritten ist, ob die inzwischen fast täglichen gezielten Mordanschläge auf militärische und zivile Regierungsvertreter in den Städten unter das Abkommen fallen. Oft übernimmt keine Gruppe dafür die Verantwortung. Kabul ist nicht Partei des Doha-Abkommens und fühlt sich von der Trump-Regierung über den Tisch gezogen. Einflussreiche Regierungsmitglieder lehnen den gesamten Friedensprozess ab.

Gleichzeitig rückten die Taliban auf mehrere Provinzhauptstädte zu, darunter Kandahar und Kundus. Sie zerstören mit Autobomben afghanische Armeebasen und Polizeiposten und unterbrechen wichtige Straßenverbindungen.

Menschenrechte und Demokratie in Gefahr

Die Moral bei den Regierungskräften bröckelt. In mehreren Provinzen räumten sie ohne Befehl Stützpunkte, weil sie nicht mehr versorgt wurden. Offenbar schaffen die Taliban sich Ausgangspositionen für eine Situation, in der die seit September laufenden Friedensgespräche mit Kabul zusammenbrechen.

Trumps Truppenreduzierungsbeschluss schwächt also die afghanische Regierung weiter und erweitert die Optionen der Taliban. Sie können bei Verhandlungen mit einer geschwächten Regierung mehr herausholen oder, falls diese kollabieren, militärisch in die Offensive gehen. Ob 2.500 US-Sol­da­t:in­nen sie dann noch stoppen könnten, ist nicht sicher.

In beiden Szenarien könnten konservative Elemente im derzeitigen Kabuler politischen System zu den Taliban überlaufen. Demokratische Freiheiten und Menschenrechte stünden zur Disposition. Das aber ist Washington nicht mehr wichtig. Selbst der gewählte US-Präsident Joe Biden hat 2010 erklärt, er würde seinen Sohn nicht nach Afghanistan schicken, „um sein Leben für Frauenrechte zu riskieren“.

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