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„Den Winter überstehe ich“

Für Max Kiefner ist jeder Infekt potenziell lebensbedrohlich, darum lebt er seit März „komplett abgeschottet“. Er hatte gehofft, dass Corona die Menschen sensibler macht – aber sogar in seinem Bekanntenkreis gibt es Skeptiker

Protokoll Manuela Heim

Ich bin Mukoviszidose-Pa­tient, das ist auch der Grund, warum ich zur Risikogruppe gehöre. Das Thema Viren und Bakterien ist für uns immer präsent, das ganze Leben. Manche wissen ja, dass Mukoviszidose mit einem zähen Schleim in der Lunge verbunden ist. Das ist eh ein Nährboden für Bakterien. Deshalb sind viele von uns die ganze Zeit mit einer chronischen Lungenentzündung dabei. Viele Mukoviszidose-Patienten verbringen die Hälfte ihres Lebens im Krankenhaus, um sich von irgendwelchen Keimen „reinzuwaschen“. Ich bin jedes Jahr ein bis fünf Mal für jeweils 14 Tage im Krankenhaus. Im Winter muss ich besonders aufpassen. Wenn man sich als Mukoviszidose-Patient eine Grippe einfängt, kann einem das die ganze Lebensrealität auseinanderhauen, und zwar dauerhaft.

Wegen Corona muss ich jetzt noch mehr aufpassen. Ich bin seit März quasi nur noch zu Hause, komplett abgeschottet, gehe mal einkaufen oder für einen Spaziergang raus, aber selbst das ist schwierig ohne viele Leute drum rum – ich wohne in Moabit. An meinem Geburtstag vor zwei Wochen war ich seit März das erste Mal wieder essen mit meiner Freundin.

Mit der Arbeit habe ich Glück. Ich hab Psychologie studiert und arbeite als Tutor für Medizinstudenten im Lernzentrum der Charité. Wir sind ohne Druck ins Homeoffice gewechselt, hatten viel Zeit, den Lehrbetrieb umzustellen. Jetzt nach einem Semester Onlineunterricht habe ich schon Lust auf reales Unterrichten, aber das wird für mich noch eine Weile dauern. Dass ich weniger Freunde sehe, ist schade, klar. Auch an Fami­lien­besuche trauen wir uns noch nicht so richtig ran – das findet meine Mutter natürlich nicht toll.

Die Einschränkungen durch Corona sind für uns Mukoviszidose-Patienten nicht so neu wie für alle anderen. Viele von uns fahren nicht Bus oder Bahn, meiden gerade im Winter große Menschenansammlungen und tragen zum Teil auch Mundschutz. Ich würde mir fast wünschen, das wäre etwas, was wir alle als Gesellschaft beibehalten, gerade im Winter. Für Menschen, für die Viren und Bakterien generell gefährlich sind, ist das eine große Erleichterung. Ich sehe das auch an mir: Ich habe sonst immer bis zu 10 Infekte im Jahr. Dieses Jahr hatte ich noch keinen.

Max Kiefner28 Jahre, lebt in Moabit. Er hat Psychologie studiert und arbeitet am Lernzentrum der Charité als Tutor. Schon als Kleinkind wurde bei ihm Mukoviszidose diagnostiziert, eine bislang unheilbare Stoffwechselerkrankung, die vor allem die Lunge betrifft.

Ich dachte eigentlich, dass das ein Mehrwert dieser Zeit sein könnte, dass die Leute sensibler werden. Nun sieht es gerade so aus, dass die Leute noch unsensibler werden. Aber es ist auch so, dass dieser Teil der Gesellschaft lauter ist als die anderen. Frustrierend ist es dennoch. Die Demos gegen Corona­maßnahmen ärgern mich schon sehr. Ich kann ja nicht einmal zu einer Gegendemo gehen, was ich vielleicht sonst machen würde. Ich kann das nur aussitzen. Ich habe auch in meinem engeren Bekanntenkreis Skeptiker, und selbst da kann ich nicht viel ausrichten. Die kennen mich und wissen, dass das für mich ein besonderes Risiko ist, und sagen trotzdem: kein Problem, dieses Corona. Ich habe versucht mit denen zu reden, ging nicht. Dann habe ich versucht, nicht darüber zu reden, ging auch nicht. Ich habe jetzt resigniert.

Nur die Risikogruppen abschotten? Ganz ehrlich, wenn das ein Weg wäre, durch diese Pandemie zu kommen, wäre ich persönlich sogar bereit dazu. Aber nach allem, was ich aus der Wissenschaft weiß, ist das überhaupt keine gangbare Option.

Das große Positive, was die Pandemie für mich gebracht hat, ist, dass ich mit meiner Freundin quasi zusammenziehen musste. Das hatten wir uns vorher nie vorstellen können und jetzt ist es ganz natürlich gekommen und wunderschön. Also: Den Winter überstehe ich.“

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