Was läuft in Berliner Kinos: Das Potential unkommerzieller Filme

Kino ist mehr als nur Film. Von alten und aktuellen Klassiker des europäischen Kinos und Rockmusik aus der uigurischen Steppenlandschaft.

Filmstill von fünf Frauen, die sich beim Friseur ihre Haare waschen lassen

Still aus dem Film „Golden 80s“, der beim Festival „Film Restored“ zu sehen ist Foto: Deutsche Kinemathek

Nur drei Regiearbeiten hat der 58-jährige amerikanische Autor und Regisseur Kenneth Lonergan von 2000 bis heute geschaffen. Kein Wunder: Allein sechs Jahre lang währte eine gerichtliche Auseinandersetzung um den finalen Schnitt seines 2005 gedrehten Dramas „Margaret“, die sich im Kern um das aus Sicht des Produzenten nicht vorhandene kommerzielle Potential des Films drehte.

Auch Lonergans bislang letzter Film „Manchester by the Sea“ (2016) ist inszenatorisch und thematisch sicher kein Blockbuster: Mit Understatement und Detailgenauigkeit erzählt Lonergan die Geschichte des verschlossenen Hausmeisters Lee Chandler (Casey Affleck), der nach Jahren der Abwesenheit in seine Heimatstadt zurückkehrt, um die Vormundschaft seines 15-jährigen Neffen Patrick zu übernehmen.

Sehr sorgfältig etabliert der Film die Konflikte und Stimmungen, wobei ein hintergründig-trockener Humor (etwa rund um Patricks Pubertätsprobleme oder Lees extrem einsilbig verlaufende Dates mit Frauen) der Geschichte eine weitere schöne Dimension verleiht (OmU, 27. 10. 20.30 Uhr, Bundesplatz-Kino).

Einen Einblick in die Bestrebungen europäischer Kinematheken, das Filmerbe mittels vielfältiger Kooperationen zu restaurieren und zu bewahren, bietet das Festival „Film Restored“ in seiner mittlerweile fünften Ausgabe. Neben 21 Filmprogrammen wird es dabei auch wieder Vorträge, Werkstattberichte und Podiumsdiskussionen geben.

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Als Kino noch Rummel war

Eröffnet wird das Festival am 27. Oktober mit Slatan Dudows „Kuhle Wampe“ (1932), einem Klassiker des deutschen proletarischen Kinos, der rund um die große Weltwirtschaftskrise jener Tage die Geschichte einer selbstbewussten jungen Frau (Hertha Thiele) erzählt, die ihre Lebenskrisen energisch meistert. Dank einer Kooperation der Deutschen Kinemathek mit dem British Film Institute und der Cinémathèque Suisse konnte die Premierenfassung von 1932 rekonstruiert werden (27. 10., 19 Uhr, Arsenal 1).

Life on the road: Steppenlandschaft, ein Kamel und ein Mann mit einer Steelgitarre. Letzterer ist der Musiker Perhat Khalif, dessen Band Qetiq eine Mischung aus Rock und traditionellen musikalischen Elementen der uigurischen Minderheit in China spielt. Der einstündige Film „Qetiq – Rock 'n Urumchi“ von Mukaddas Mijit porträtiert den Bandleader und seine Mitmusiker, historische und aktuelle Aufnahmen zeigen das Umfeld in Urumtschi, der Hauptstadt des uigurischen autonomen Gebiets.

Begleitet wird die Dokumentation, welche die Filmreihe „How Can We See (each other)?“ abschließt, von den Kurzfilmen „Red Handerchief“ und „Distant“ von Leyla Toprak, die sich der Situation kurdischer Frauen ebenfalls über die Beschäftigung mit Musik und Tanz nähern. Anschließend gibt es ein Gespräch mit den Filmemacherinnen (23. 10., 20 Uhr, Sinema Transtopia, Haus der Statistik, Haus B).

Wer nachempfinden möchte, wie sich Kino anfühlte, als Film noch eine Rummelattraktion war, geht ins Filmmuseum Potsdam: „Im Jahrmarktskino“ präsentiert drei Nummernprogramme der Kinemathek Luxemburg, musikalisch begleitet von Susanne Schaak an der Welte-Kinoorgel. Als Kinoerzähler führt der Schauspieler Sebastian Stielke durch das Programm (30. 10., Filmmuseum Potsdam, Breite Straße 1A, Potsdam, 19 Uhr).

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Lars Penning, geboren 1962. Studium der Publizistik, Theaterwissenschaft und der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft an der FU Berlin. Freier Filmjournalist. Buchveröffentlichungen: Cameron Diaz (2001) und Julia Roberts (2003). Zahlreiche filmhistorische und –analytische Beiträge für verschiedene Publikationen. Lebt in Berlin.

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