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heute in hamburg„Es gibt dort kein Korrektiv mehr“

Livestream: „Unser Auftrag. Botschaften der Überlebenden, rechte Bedrohungsallianzen und Antisemitismus heute“ mit Shoah-Überlebenden und Wissenschaftlern, 19 Uhr, www.auschwitz-komitee.de/november2020

Interview Lukas Gilbert

taz: Herr Heitmeyer, im Titel der Veranstaltung ist von rechten Bedrohungsallianzen die Rede. Was ist damit gemeint?

Wilhelm Heitmeyer: Verschiedene gesellschaftliche Gruppen liefern mit ihren Einstellungen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit Legitimation für den autoritären Nationalradikalismus der AfD. Der liefert wieder Legitimation für die systemfeindlichen Gruppen der Rechtsextremen und Neonazis, die dann schon mit Gewalt hantieren und wiederum Legitimation für rechtsextreme Terrortaten liefern. Wir sprechen in der Forschung von einem sogenannten konzentrischen Eskalationskontinuum. So schlimm Einzelereignisse wie der Mord von Walter Lübcke oder die Anschläge in Halle und Hanau sind – um die Bedrohung unserer offenen Gesellschaft und liberalen Demokratie einschätzen zu können, muss man das Zusammenwirken verschiedener Akteursgruppen und die langfristigen Zusammenhänge sehen.

Wie stark ist die Bedrohung von rechts?

Rechte Gewalt hat es schon immer gegeben. Wir haben es aber mit einer veränderten Situation zu tun, denn das ganze rechte und rechts­extreme Spektrum hat sich ausdifferenziert und dynamisiert. Die Sprache in Parlamenten und im öffentlichen Raum wird brutaler. Und die Wählerschaft der AfD wird stabiler. Das ganze rechte Spektrum ist in eine Offensive gegangen.

Welchen Anteil hat Antisemitismus an rechter Gewalt?

Wilhelm Heitmeyer

75, ist Professor und früherer Direktor des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Uni Bielefeld.

Überfälle auf Juden, soweit diese sich mit der Kippa im öffentlichen Raum bewegen, sind offenkundig. Verstärkt wird die Bedrohungslage durch die Konjunktur von Verschwörungsideologien. Beim Attentäter von Halle konnte man etwa beobachten, dass Verschwörungsideologien für ihn eine wichtige Grundlage gebildet haben. Und auch in der Coronadebatte haben antisemitische Verschwörungsideologien eine sehr große Verbreitung.

Wie wichtig sind Internet und neue Medien bei der Verbreitung solcher Narrative?

Verschwörungsideologien sind über die neuen Kommunikationswege heute sehr schnell verfügbar. Wir haben es aber mit einer grundsätzlichen Veränderung von Öffentlichkeit zu tun. Es gibt mittlerweile parallele Öffentlichkeiten, in denen sich homogene Gruppen in sogenannten Echokammern treffen. Dort geht es nicht mehr um Auseinandersetzung, sondern um Aufschaukelung. Es gibt dort kein Korrektiv mehr und ich sehe momentan nicht, wie man da wieder rauskommen könnte.

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