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Auf Nachtbetrieb runtergefahren

Abgeordnetenhaus trifft sich am Sonntag zu einer Sondersitzung, um die Maßnahmen für einen neuerlichen Lockdown zu beschließen

Wer sich treffen darf

Der Aufenthalt in der Öffentlichkeit oder in Innenräumen ist nur noch allein oder mit Personen aus dem eigenen Haushalt und zwei weiteren Personen aus verschiedenen Haushalten oder Angehörigen zweier Haushalte, maximal 10 Personen, gestattet. Kinder bis zu 12 Jahren sind von dieser Regelung ausgenommen.

Veranstaltungen im Freien mit mehr als 100 Anwesenden sind ebenso verboten wie Veranstaltungen in geschlossenen Räumen mit mehr als 50 Leuten.

Die Maßnahmen gelten ab Montag und sind befristet bis zum 30. November.

Von Anna Klöpper

Er wolle „sehr dafür werben, dass die Abgeordneten diese Politik mittragen“, erklärte der Regierende Michael Müller (SPD) mit Blick auf die Sondersitzung. Am Sonntag trifft sich das Abgeordnetenhaus, um alle Punkte der neuen Verordnung zur Bekämpfung der Coronapandemie zu beschließen. Es ist ein Novum, seit es die Verordnungen – inzwischen ist es die zehnte – gibt.

Auf der Senatssitzung, die am Donnerstagabend zu Ende ging, hatte größtenteils Einigkeit geherrscht: Berlin wird die zwischen den Ländern und dem Bund vereinbarten harten Lockdownmaßnahmen zur Bekämpfung der Coronapandemie weitgehend eins zu eins übernehmen.

„Das heißt faktisch, dass bis auf die Bereiche Kita und Schule alle wesentlichen Bereiche mehr oder weniger komplett heruntergefahren werden“, sagte Wirtschaftssenatorin und stellvertretende Bürgermeisterin Ramona Pop (Grüne) nach der Sitzung bei einer Pressekon­ferenz im Roten Rathaus. Die Maßnahmen gelten ab kommendem Montag und sind zunächst befristet bis zum 30. November.

Allgemein war erwartet worden, dass Berlin von der Bundeslinie nicht weit abweichen würde – auch wenn insbesondere vom linken Koalitionspartner im Vorfeld andere Stimmen zu hören waren. Linkspartei-Chefin Katina Schubert hatte im taz-Interview vor allem „evidenzbasierte Maßnahmen“ ­gefordert.

Der Regierende Müller betonte auf der Pressekonferenz die „Gemeinsamkeit“ der Kraftanstrengungen, mit der man jetzt in den Ländern „nach vorne gehen“ müsse. Anders bekomme man die „nach wie vor in die Höhe schießenden Zahlen“ nicht in den Griff. Auch in Berlin steigt die Zahl der Neuinfektionen derzeit exponentiell. Sie hat einen neuen Höchststand erreicht, der Inzidenzwert lag am Donnerstag bei 155,6.

Ein paar Besonderheiten gibt es in Berlin allerdings doch: Neben Schulen und Kitas sollen auch Musikschulen, Volkshochschulen und die Jugendkunstschulen weiterarbeiten dürfen. Auch Sportvereine dürfen im Jugendbereich bis zur Altersgrenze von 12 Jahren den Betrieb weiterlaufen lassen, solange das Training im Freien stattfindet und nicht mehr als 10 Kinder in einer Gruppe sind. Man appelliere an die Bezirke, auch die Spielplätze weiter offen zu halten, sagte Kultursenator und Vizebürgermeister Klaus Lederer (Linke). „Die Kinder müssen ja irgendwohin, die müssen raus.“ Berlin sei eine Großstadt, viele Menschen lebten in beengten Wohnverhältnissen. Ein Monat Lockdown könne da „eine verdammt lange Zeit sein“.

Auch das Schulschwimmen geht weiter. Das gilt für alle Grundschulklassen, bei denen Schwimmunterricht auf dem Stundenplan steht, vorausgesetzt, die schuleigene Corona-Ampel steht nicht auf Rot. Alle anderen Bäder seien ab Montag aber geschlossen, bestätigte Claudia Blankennagel, Sprecherin der Berliner Bäder-Betriebe, auf taz-Nachfrage, Die Hallen würden auf Nachtbetrieb runtergefahren, Luft- und Wassertemperatur um 10 Grad abgesenkt.

BewohnerInnen von Pflege- und Seniorenheimen indes soll es diesmal nicht so hart treffen wie während des ersten Lockdowns im Frühjahr. Man wolle sehr genau über Besuchsregelungen nachdenken und außerdem Schnelltests prioritär für diese Gruppe zur Verfügung stellen, hieß es bei der Pressekonferenz. Bibliotheken dürfen ihre Ausleihe weiter öffnen.

„Noch mal können wir uns so ein Ding, so einen Lockdown, nicht erlauben“

Klaus Lederer, Kultursenator

Ein schwieriger Monat steht der Kulturbranche bevor. Kinos, Museen, Theater, Opern und Konzertsäle müssen erneut komplett schließen. In der Kulturverwaltung besteht zumindest die Hoffnung, dass die Schließung diesmal tatsächlich nur einen Monat dauert. Ein Sprecher verwies am Freitag darauf, dass zwar der Publikumsverkehr ausgeschlossen ist, die Proben und Vorbereitungen in der Häusern aber weiterlaufen könnten. Wenn es die Infek­tions­zahlen zuließen, sei zumindest alles vorbereitet für einen sofortigen Neustart in vier Wochen.

Lederer wies auf die geplanten Hilfen vom Bund hin. Der hatte bereits allen kleineren Betrieben mit bis zu 50 Angestellten die Erstattung von 75 Prozent der Novemberumsätze 2019 angekündigt. „Da drängen wir jetzt drauf, dass das auch für Soloselbstständige gilt und sinnvoll angepasst wird“, sagte der Kultursenator. Auch die Soforthilfen des Landes sollen weiterlaufen.

Ebenfalls wieder schließen müssen Kneipen, Bars und Restaurants – die „Pizza nachts um eins“ sei aber weiter möglich, so Müller, denn ein Außer-Haus-Verkauf ist erlaubt. Weiterhin gilt allerdings, dass zwischen 23 und 6 Uhr kein Alkohol verkauft werden darf. Weihnachtsmärkte sollen zumindest im November noch nicht öffnen dürfen.

Es komme jetzt auch da­rauf an, die Akzeptanz der Bevölkerung für die harten Maßnahmen nicht zu verspielen, betonte Lederer. Die vier Wochen müssten genutzt werden, um Möglichkeiten herauszufinden, „wie wir in Zukunft nicht wieder von einer Welle überrascht werden“. Gebraucht werde ein B-Plan. „Noch mal können wir uns so ein Ding, so einen Lockdown, nicht erlauben.“ Eine Prognose, ob die Welle in vier Wochen gebrochen sein wird, wagte aber keiner der Regierenden.

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