Polizeigewalt vor Gericht: Gerechtigkeit nach elf Jahren

Die Stadt Hamburg wurde dazu verurteilt, Schadenersatz und Schmerzensgeld zu zahlen. Der Kläger wurde durch einen Tonfa-Schlag der Polizei verletzt.

Portrait Johanne M.

Ihm wurde mit einem Schlagstock auf den Kopf geschlagen, seitdem ist er krank: Johannes M Foto: Miguel Ferraz

HAMBURG taz | Das Urteil ist eindeutig: „Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen, dem Kläger sind sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem Vorfall zu ersetzen.“ Das entschied am Freitag das Oberlandesgericht. Der Vorfall ist ein Polizeieinsatz, der bereits elf Jahre zurückliegt.

Am 13. September 2009 wurde, da ist sich das Gericht sicher, Johannes M. am Rande des Schanzenfestes von einem unbekannten Mitglied der bundespolizeilichen Einheit „Blumberg“ von einem Hieb mit einem Tonfa-Schlagstock am Kopf getroffen. Der Schlag, der unvermittelt und offensichtlich grundlos erfolgte, durchschlug sein Schädeldach und zerschmetterte die Wände seiner Stirnhöhle.

M. leidet seitdem unter ständigen Kopfschmerzen, Übelkeit und gravierenden Konzentrationsstörungen, er ist offiziell „voll erwerbsgemindert“. Seine Gesundheit ist zerstört, seine Ausbildung musste er abbrechen, er lebt von einer Mini-Rente an der Armutsgrenze. Seit elf Jahre weigert sich die Stadt Hamburg, die den Polizeieinsatz koordinierte, die Verantwortung für den Übergriff anzuerkennen.

Trotz eindeutiger gerichtsmedizinischer Gutachten behaupteten die Prozessvertreter der Behörden bis zuletzt, es habe den Tonfa-Einsatz nie gegeben, M. müsste sich die schwere Verletzung auf anderem Wege zugezogen haben. Gegen ein Urteil des Landgerichts, das diese Möglichkeit praktisch ausschloss, hatte die Stadt – wie sich nun zeigt: erfolglos – Berufung eingelegt. Sie kann jetzt nur Revision vor dem Bundesgerichtshof beantragen, wenn sie ihre Verantwortung noch immer nicht akzeptieren will.

Über die Höhe der Entschädigung ist noch nicht entschieden

Über die Höhe der Entschädigung für Johannes M. muss nun – sollten sich beide Parteien nicht außergerichtlich einigen – das Landgericht entscheiden. Das kann erneut dauern. Damit der heute 47-jährige Kläger „noch was von dem Geld hat“, strebt sein Anwalt Dieter Magsam einen außergerichtlichen Vergleich an. Er fordert Schadenersatz und Schmerzensgeld in sechsstelliger Höhe.

Dass sich Polizei und Innenbehörde bis heute ihrer Verantwortung nicht stellen, ist für den Juristen ein Skandal. Es sei ein großes Problem, dass Täter, Ermittler und Prozessbevollmächtigte im Auftrag der Stadt handelten, die die Auffassung vor sich hertrage, „Polizeigewalt gibt es nicht“. Zumindest aber müsse in Zukunft bei solchen Fällen die Distanz zwischen den handelnden und den gegen sie ermittelnden Beamten vergrößert werden, fordert Magsam.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.