heute in hamburg
: „Als wäre mein Leben eine Forderung“

Theater und Performance ,,Life [Un] worthy of Life“: 20 Uhr, Kampnagel, englisch, Eintritt 18€ (erm. 9€), Livestream auf dem Youtube-Kanal von Kampnagel

Interview Lissy Malethan

taz: Perel, inwiefern fehlt die Perspektive behinderter Menschen, wenn es um die Vernichtung im Nationalsozialismus geht?

Perel: Es gibt Teile der Geschichte, mit denen sich Deutschland beschäftigt hat, und es gibt Aspekte, die nicht genug diskutiert worden sind. Was mit behinderten Menschen passiert ist, gehört dazu. Das ist im Übrigen auch in den USA so. Auch dort kennt niemand die Geschichte behinderter Menschen.

Grundlage Ihrer Performance sind Ihre Erfahrungen als behinderter, jüdischer und queerer Mensch. Wie hängen diese Erfahrungen zusammen?

Mit jedem Aspekt meiner Identität ist es eine andere Erfahrung von Diskriminierung. Ich könnte keine Erfahrung benennen, die alle drei betrifft. Aber ich kann für das Behindertsein, das Queersein und das Jüdischsein Beispiele geben.

Welche Erfahrungen machen Sie als behinderter Mensch?

Wenn man behindert ist, denken die Leute, wenn sie einem Bedürfnis einer behinderten Person gerecht geworden sind, dass sie gleich das Problem des Zugangs gelöst hätten. Und das ist nicht wahr. Ich denke, das Problem des Zugangs ist ein kulturelles, bevor es sich physisch ausdrückt. Ich würde also weniger Diskriminierung erfahren, wenn es ein kulturelles Verständnis für und eine Wertschätzung von behinderten Menschen gibt.

Und als queere Person?

Es gibt zu viele Beispiele für Belästigungen und Diskriminierung, weil ich queer bin. Wenn du behindert bist und Unterstützung brauchst, ist es zum Beispiel am Flughafen nie einfach. Aber wenn du queer und nicht gender-konform bist, weißt du dort nie, wie dich die Sicherheitskräfte behandeln. Das ist sehr hart. Manchmal machen sie Witze über mich, ich werde am Flughafen unangemessen behandelt.

Foto: Michael Bause

Perel ist ein*e inter-disziplinäre*r Bühnen-künstler*in.

Und das Jüdischsein?

Der jüdische Teil hat mit kulturellem Schweigen zu tun. Es wird geleugnet, dass es immer noch Antisemitismus gibt. Deshalb glauben diejenigen, die Gewalt ausüben und Hass säen, sie hätten dafür die Erlaubnis erteilt bekommen.

Welche Forderungen ergeben sich für Sie?

Mit dem Wort „Forderung“ habe ich meine Probleme. Ich fühle mich, als sei mein ganzes Leben eine Forderung, die ich aber gar nicht benennen kann. Ich lebe sie einfach. Aber natürlich ist es wichtig für Menschen, ihnen zu ermöglichen, zu lernen, was Solidarität für die Kämpfe der anderen bedeutet, damit wir aufhören, auf marginalisierte Menschen als Objekte unserer Wohltätigkeit herabzuschauen. Denn wir werden diejenigen sein, die die Welt verändern werden.