Nach dem Brand im Lager von Moria: Tränengas gegen Flüchtlingsprotest

Die Polizei ging am Samstagmorgen auf Lesbos gegen demonstrierende Geflüchtete vor. Noch hartherziger als Seehofer zeigt sich Österreichs Bundeskanzler Kurz.

Ein Mädchen hält sich ein weißes Taschentuch vor Mund und Nase

Als ob auf Lesbos nicht schon genug Tränen geflossen sind – Mädchen nach dem Polizeieinsatz gegen protestierende Geflüchtete Foto: reuters

LESBOS/WIEN rtr/dpa | Auf der griechischen Insel Lesbos hat die Polizei Tränengas gegen eine Gruppe von Migranten eingesetzt, die nach dem Brand des Lagers Moria ihren Unmut über ihre verzweifelte Lage zeigten. Die kurzzeitigen Spannungen brachen am Samstag aus, als Hunderte Migranten auf einer Straße zum Hafen von Mytilene marschierten und „Freiheit“ sowie „Kein Lager“ skandierten. Die Polizei hat den Zugang abgeriegelt.

Durch den Brand des überfüllten Lagers Moria am Mittwoch wurden mehr als 12.000 überwiegend aus Afrika und Afghanistan stammende Menschen obdachlos. Die meisten harrten im Freien aus. Nun wird ein neues vorübergehendes Zeltlager aufgebaut. Da 35 Migranten, die positiv auf das Coronavirus getestet wurden, unauffindbar sind, bestand die Sorge, das Virus könne sich ausbreiten.

Einige Demonstranten hielten handgeschriebene Plakate hoch, auf denen stand „Wir wollen nicht zurück in eine Hölle wie Moria“ und „Können Sie uns hören, Frau Merkel?“ Vor fünf Jahren hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel die deutschen Grenzen für viele Tausende Flüchtlinge geöffnet. Viele EU-Länder nahmen wie die Bundesrepublik Flüchtlinge auf, einige lehnen das aber bis heute ab.

Der Brand, der Moria komplett zerstört hat, rückt die Debatte über die Verteilung von Flüchtlingen in der Europäischen Union wieder in den Mittelpunkt. Bundesentwicklungsminister Gerd Müller drang auf eine Aufnahme von mehr Migranten aus Moria als vorgesehen. Deutschland könne ein Zeichen setzen und 2000 Menschen aufnehmen, sagte der CSU-Politiker dem Deutschlandfunk. Moria sei ein letzter Weckruf für die EU. Nach fünf Jahren Flüchtlingsdebatte sei der Zeitpunkt gekommen, nicht länger auf eine einheitliche europäische Linie zu setzen. Innenminister Horst Seehofer (CSU) hatte am Freitag angekündigt, dass Deutschland 100 bis 150 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aufnimmt.

Noch hartherziger als Seehofer zeigt sich aber Österreichs Kanzler Sebastian Kurz. Trotz politischen Drucks hat er am Samstag das Nein seiner Regierung zu einer Aufnahme von Menschen aus dem abgebrannten griechischen Flüchtlingslager Moria noch einmal bekräftigt. „Wenn wir diesem Druck jetzt nachgeben, dann riskieren wir, dass wir dieselben Fehler machen wie im Jahr 2015“, sagte der konservative ÖVP-Politiker am Samstagmorgen in einer Videobotschaft auf Facebook.

In der damaligen Flüchtlingskrise hätten die „schrecklichen“ Bilder von Migranten am Bahnhof in Budapest dazu geführt, dass die europäische Politik dem Druck nachgegeben habe. Dann hätten sich mehr Menschen auf den Weg nach Mitteleuropa gemacht, erklärte Kurz.

Österreich wolle vor Ort für eine menschenwürdige Versorgung sorgen. Außerdem habe das Land in diesem Jahr 3700 Kinder aufgenommen, sagte Kurz. Medien wiesen anschließend darauf hin, dass es sich dabei um Aufnahmen im Rahmen der Familienzusammenführung handeln müsse. Um die Aufnahme von einigen Menschen aus Moria war in Österreich ein Streit bis in die Spitze der ÖVP-Grüne-Koalition entbrannt.

Der griechische Migrationsminister Notis Mitarachi sagte auf Lesbos vor Reportern, von Samstag an könnten Asylsuchende in die Zelte und in Sicherheit kommen. Einen Transfer auf das Festland lehnt die griechische Regierung allerdings ab – trotz des wachsenden Widerstandes der Bevölkerung von Lesbos gegen das Lager.

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