Frauen zuerst

Covid-19 trifft Frauen im Tourismus besonders hart

Frauen dominieren die Tourismusbranche: Mehr als 54 Prozent aller formellen Tourismusaktivitäten weltweit werden von weiblichen Arbeitskräften durchgeführt, im informellen Sektor wird die Zahl noch weit höher geschätzt. In Entwicklungsländern liegt der Anteil der weiblichen Beschäftigten in der Reisebranche sogar bei drei Vierteln. Die Pandemie hat jedoch strukturelle Ungleichheiten offenbart, die besonders diese Frauen wie ein Bumerang treffen.

Die Tourismusindustrie bietet vielversprechende Arbeitsmöglichkeiten für Frauen und Jugendliche. Mit ihren oft flexiblen Arbeitsbedingungen, dem leichten Zugang zu Jobs und dem Versprechen auf schnelles Geld zieht sie vor allem Menschen mit niedrigen Qualifikationen an. Doch so einfach der Einstieg in den touristischen ­Arbeitsmarkt für Frauen ist, so gering ist meist auch die Summe auf dem Lohnzettel. Frauen sind in den höheren Etagen nach wie vor kaum vertreten und kämpfen stattdessen mit geringer Bezahlung, schwachen Ar­beitsrechten und schlechten Arbeitsbedingungen. Auch der Anteil der Frauen, die unbezahlte Arbeit leisten, ist nach wie vor hoch, insbesondere in touristischen Familienunternehmen.

„Die Mehrheit der gering qualifizierten Gelegenheits-, Saison- und informellen Arbeiter*innen auf der untersten Stufe der Karriereleiter im Tourismussektor sind Frauen. Aufgrund ihrer prekären Arbeitsbedingungen haben Frauen weniger Zugang zu staatlichen Sozialleistungen und Gesundheitsversorgung“, sagt Dr. Angela Kalisch, Vorsitzende von Equality in Tourism. „Während ihre männlichen Kollegen eher die wenigen verbliebenen Jobs innehaben, die auch im Homeoffice weiter ausgeführt werden können, haben viele Frauen ihren Arbeitsplatz verloren und sind nun mit Armut konfrontiert. Ihre geringen Qualifikationen erlauben es ihnen nicht, sich einfach eine andere Arbeit zu suchen, sodass die meisten von ihnen während des Lockdowns kein alternatives Einkommen finden konnten.“

Aber auch Frauen, die nicht arbeitslos sind, stehen jetzt vor großen Problemen. Das fehlende Einkommen durch Jobverlust und Insolvenzen in der Tourismusbranche setzt besonders Frauen der Armut aus. Männer haben mehr Möglichkeiten, wirtschaftliche Schocks zu überstehen, da sie über ein breiteres Spektrum an Bewältigungsstrategien verfügen: dazu gehört etwa der leichtere Zugang zu Finanzmitteln, mehr Einkommen, wodurch sie einen höheren Anspruch auf Rente oder Sozialhilfe haben, sowie weniger Verantwortung zu Hause.

Großeltern und Eltern, die häufig Risikogruppen für das Virus angehören, können nun häufig nicht mehr im Haushalt aushelfen, sodass die Last der unbezahlten Haus- und Erziehungsarbeit allein von Müttern und Ehefrauen bewältigt werden muss. Gleichzeitig gelten für traditionelle Arbeitsbereiche von Frauen im Tourismus, wie etwa Reinigungstätigkeiten und Service, seit Corona neue Hygienestandards, die die Arbeitsbelastung zusätzlich erhöhen.

Zeit zu handeln!

Viele Entwicklungsländer sind von den Klein- und Kleinst­unternehmen abhängig, die den Tourismus florieren lassen. Einige davon werden von Frauen geführt. Denn gerade im Tourismus ist weibliches Unternehmertum ausgeprägter als in jedem anderen Sektor. Dies führt zwar im Allgemeinen zu Empowerment und Gleichberechtigung. Gleichzeitig haben aber auch in der Reisebranche immer noch viele Frauen keinen Zugang zu Krediten oder Konjunkturpaketen. So sind gerade ihre Unternehmen in außergewöhnlichen Situationen wie der Covid-19-Pandemie einem höheren wirtschaftlichen Risiko ausgesetzt als ihre männliche Konkurrenz.

Angela Kalisch fordert von Regierungen, die schlimmsten Auswirkungen für Frauen im Tourismus zu verhindern: „Langfristig brauchen wir einen geschlechtergerechten Men­schenrechtsansatz im Tourismus, eine intersektionale Datengrundlage und einen stärkeren Einbezug von Frauen in der Politik. Je mehr Frauen sich am Wiederaufbau des Tourismus nach Covid-19 beteiligen, umso wahrscheinlicher wird es, dass die Bedürfnisse vulnerabler Gruppen einbezogen und die Widerstandsfähigkeit gegen künftige Schocks verbessert wird.“ Kurzfristig bräuchten Unternehmerinnen, Angestellte, aber vor allem informelle Arbeiterinnen erst einmal erleichterten Zugang zu finanzieller Unterstützung. Wichtig seien auch Schulungen für gering qualifizierte Arbeitnehmerinnen, um deren berufliche Perspektiven auch in anderen Sektoren zu verbessern.

Schulung und Fortbildung

Die Maßnahmen sollten insbesondere die Fähigkeiten in den Bereichen Digitalisierung, Technik, Kommunikation und Marketing verbessern. Sie spielen eine entscheidende Rolle für Frauen und andere benachteiligte Gruppen, die während der Pandemie im Tourismus arbeiten, und verbessern ihre beruflichen Perspektiven in anderen Arbeitsfeldern. Besonders wichtig ist daher auch der Zugang zu Lernplattformen und zu Erfahrungsaustausch, etwa durch Online-Seminare, Online-Get-together oder Gruppenchats.

In Südafrika sind 70 Prozent der Beschäftigten im Tourismus weiblich. Im Rahmen des „Frauenmonats“ wurde daher von der Tourismusorganisation „Travel to South Africa“ die Initiative #Iamtourism ins Leben gerufen. In diesem Rahmen wurden Frauen, die im Tourismus arbeiten, vorgestellt. Auch wir stellen Frauen im Tourismus vor (siehe oben), die sich engagiert durch die Pandemie geschlagen haben. Lea Thin

M. Sripramma, Thailand

„Ich werde im Tourismus arbeiten, solange es das Tauchen gibt“

Foto: privat

Maneesa Sripramma arbeitet für ein Tauchresort auf Koh Tao, einer thailändischen Insel. Aufgrund des Lockdowns musste das Resort von April bis Juni schließen. Maneesa erhielt daher von der Regierung für diese drei Monate eine kleine Entschädigung, hatte aber auch das Glück, in einer Bauernfamilie aufzuwachsen. So konnte sie schnell eine Übergangsbeschäftigung auf dem Bauernhof ihrer Tante finden, wo sie Gemüse und Obst anbaute und online verkaufte.

Aber Maneesa dachte nie ernsthaft darüber nach, der Tourismusbranche den Rücken zu kehren. Sie warb weiter online für die Tauchaktivitäten, um das Geschäft am Leben zu erhalten. Gleichzeitig konnte ihr Unternehmen glücklicherweise den Fokus von westlichen Gästen auf thailändische Kund*innen verlagern. Jetzt kann Maneesa wieder arbeiten und der Juli war direkt komplett ausgebucht.

Gwen Rawlinson, Südafrika

„Ich bin begeistert, wie unsere Branche zusammenhält“

Foto: privat

Gwen Rawlinson ist Marketing- und PR-Managerin für einen Reiseveranstalter in Südafrika. Seit dem besonders harten südafrikanischen Lockdown im März arbeitet sie von zu Hause aus. Ihr Arbeitgeber hat zwar Arbeitszeiten und Vergütung aufgrund fehlender Einnahmen reduziert, als Folge konnte er jedoch alle Angestellten weiter beschäftigen. Da der lokale Tourismus noch auf Eis liegt, wirbt das Unternehmen nun für andere Destinationen, die wieder bereist werden können – etwa Ostafrika.

Dank der Strategie ihres Arbeitgebers konnte Gwen ihren Job behalten. Im Gegensatz zu vielen anderen erhielt sie außerdem staatliche Unterstützung. Sie schätzt sich damit sehr glücklich: „Die Branche wurde von der Pandemie so stark in Mitleidenschaft gezogen, dass viele Menschen ihre Arbeit verloren haben. Wenn ich arbeitslos wäre, müsste ich einen Job in einem anderen Sektor suchen.“

Luisa Romero, Kolumbien

„Neue Jobchancen in anderen Sektoren sind rar gesät“

Foto: privat

Luisa Romero leitet Reisen zur Friedensförderung in Kolumbien. Sie ist Mitgründerin einer NGO, die in vom bewaffneten Konflikt betroffenen Gemeinden neue wirtschaftliche Perspektiven durch Tourismus aufbauen will. Die Zeit der Pandemie hat sie genutzt, um im Home Office die digitale Präsenz der Organisation zu verbessern und Projekte weiterzuentwickeln.

Luisa konnte den Lockdown gut abfedern, da ihre NGO bereits über ein festes Budget für die erste Jahreshälfte verfügte. Die Einnahmen aus touristischen Aktivitäten sind grundlegend für die weitere Finanzierung, sodass Luisa nun vor einer neuen Herausforderung steht. Viele ihrer Kolleginnen befinden sich in einer weniger privilegierten Situation: „Da es im kolumbianischen Tourismussektor sehr wenige Frauen in Führungspositionen gibt, haben sie Probleme damit, neue Arbeitsmöglichkeiten zu finden, während der Tourismus pausiert.“