Prozess wegen Folter in Syrien: Massengräber nahe Damaskus

In Koblenz wird weiter gegen einen mutmaßlichen Folterer aus Syrien verhandelt. Ein Zeuge berichtet von Kühllastern mit zehntausenden Leichen.

Ein Wandmalerei, Portrait von Assad

Das Konterfei von Syriens Präsidenten Baschar al-Assad im Stadtbild von Homs im Februar 2012 Foto: reuters

KOBLENZ taz | Im Al-Khatib-Verfahren vor dem Koblenzer Oberlandesgericht hat erneut ein ehemaliger Mitarbeiter des syrischen Regimes ausgesagt. Er berichtete von Massengräbern, die sich über tausende Quadratmeter erstreckt haben sollen. In den Jahren 2011 und 2012 habe er dokumentiert, wie Kühllaster mit insgesamt Zehntausenden Leichen aus den Militärkrankenhäusern und dem Saydnaya-Gefängnis zu geheimen Friedhöfen bei Damaskus gebracht hätten.

Der Zeuge mit dem Kürzel Z 30/07/19 durfte anonym aussagen und seine Atemschutzmaske aufbehalten, da er um die Sicherheit seiner Angehörigen in Syrien fürchtet. Seine Aussage lässt Rückschlüsse auf das Ausmaß der Morde in den Gefängnissen und Geheimdienstabteilungen des Landes zu.

Im weltweit ersten Verfahren zu staatlicher Folter in Syrien sind in Koblenz seit April zwei ehemalige Geheimdienstmitarbeiter angeklagt. Ihnen werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Zusammenhang mit ihrer Arbeit für die Abteilung 251 des Allgemeinen Geheimdienstes in Damaskus vorgeworfen: 4.000 Fälle von Folter, 58 Tötungen, und je ein Fall von Vergewaltigung und schwerer sexueller Nötigung. Mithilfe des Weltrechtsprinzips kann die Bundesanwaltschaft Völkerrechtsverbrechen hierzulande auch dann verfolgen, wenn diese keinen direkten Bezug zu Deutschland haben.

Der Zeuge, der am Mittwoch und Donnerstag aussagte, hatte in Damaskus für eine zivile Regierungsbehörde gearbeitet. Nähere Angaben zu seinem Arbeitsplatz machte er nicht, um keine Rückschlüsse auf seine Identität zuzulassen. Schon während des Ermittlungsverfahrens hatte er dem BKA von Drohungen gegen seine Angehörigen in Syrien berichtet.

Albtraumhafte Szenen

Im Herbst 2011 wurden er und seine Kollegen von Offizieren des Geheimdienstes rekrutiert, um Massenbegräbnisse in den Orten Najha und Al-Qutaifah in der Nähe von Damaskus zu begleiten, was der Zeuge wohl bis 2017 tat. Er selbst hatte die Aufgabe, die Anzahl der Leichen und die Abteilungen, aus denen sie kamen, in einem Register festzuhalten. Viermal pro Woche seien die Laster im Durchschnitt gekommen, bis zu 700 Leichen hätten sie jeweils angeliefert.

Aufgrund des starken Verwesungsgeruchs habe er versucht, Abstand von den Lastern zu halten, so der Zeuge. „Sobald die Türen geöffnet wurden, breitete sich der Geruch meterweit aus“, beschrieb er die albtraumhafte Szene schon bei seiner Aussage beim BKA. „Man sah Ströme von Blut und Maden. Als ich das erste Mal dabei war, konnte ich danach tagelang nichts essen.“

Seine Mitarbeiter hätten direkt Hand anlegen müssen: Sie hätten die Leichen aus den Kühllastern in vorbereitete Gräben geschoben, die dann von Baggern zugedeckt wurden. Hunderte Meter lang seien die Gräben gewesen. „Je mehr Leute sie brachten, desto mehr gruben sie.“ Bei der Erinnerung an seine Erlebnisse bleibt der Zeuge zunächst ruhig. Am Mittwochnachmittag aber muss die Befragung wegen Kreislaufproblemen frühzeitig unterbrochen werden.

Z 30/07/19 war nicht der erste Zeuge, der von den Massengräbern in Najha berichtete. Ende Juni hatte ein ehemaliger Geheimdienstmitarbeiter bei seiner Aussage in Koblenz ganz ähnliche Szenen beschrieben und auch von der sorgfältigen Dokumentation der Toten berichtet. Dieser Zeuge hatte zudem ausgesagt, dass der Angeklagte Eyad A. die Leichentransporte mehrmals begleitet hatte. Ob auch Z 30/07/19 mit dem Angeklagten in Verbindung stand, blieb offen. Er kannte zwar noch den Namen des Offiziers, in dessen Auftrag er die Massenbegräbnisse dokumentieren sollte – wagte jedoch nicht, ihn im Gerichtssaal zu nennen.

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